Landtagswahl in Sachsen:FDP erwartet Regen

Vor einem Jahr ist die FDP aus dem Bundestag geflogen, seitdem wartet die Partei auf den Neuanfang. Nun droht bei der Landtagswahl in Sachsen am Sonntag eine erneute Niederlage. Parteichef Zastrow verfolgt dort trotzdem seinen Kurs als Wirtschaftsliberaler alten Stils.

Von Stefan Braun und Cornelius Pollmer, Berlin/Dresden

Christian Lindner hat dieser Tage einen bemerkenswerten Satz gesagt. Im Interview mit der Lausitzer Rundschau erklärte der FDP-Vorsitzende, seine Partei stecke "in der Phase der geistigen Neugründung". Und dazu gehöre auch, dass sie noch gegen das Bild der alten FDP kämpfe, jener FDP, die 2013 abgewählt worden sei.

Viel deutlicher kann ein Vorsitzender nicht mehr zum Ausdruck bringen, dass er und seine Liberalen in ihrem politischen Streben von vorne anfangen. Die Debatte über einen neuen Namen hat sie fürs Erste zwar beendet. Aber eine "geistige Neugründung" steht dem in nichts nach. Mit Lindner versucht die Traditionspartei FDP, sich neu zu erfinden.

Das ist erstens ein ungewöhnlich freizügiges Eingeständnis, wie schlecht es um die Partei bestellt ist. Und es macht zweitens deutlich, wie schwer die Aufgabe sein wird, die Partei aus diesem Loch noch einmal rauszuholen. Zumal diese Aufgabe seit der Wahlniederlage vor knapp einem Jahr von ziemlich hasserfüllten Kommentaren begleitet wird, in denen die FDP landauf landab für politisch tot erklärt wird.

Landtagswahl in Sachsen - FDP

Die sächsischen Liberalen zeigen sich im Wahlkampf eigenständig und unbeeindruckt vom neuen Kurs der Bundespartei.

(Foto: Arno Burgi/dpa)

So gesehen wären kleine Erfolgserlebnisse bitter nötig, werden aber in diesem Jahr eher unwahrscheinlich bleiben. Weder in Sachsen am kommenden Sonntag und noch weniger bei den Landtagswahlen zwei Wochen später in Thüringen und Brandenburg kann die FDP auf schöne Zahlen hoffen. Deshalb stehen ihr erneut schwere Wochen bevor, in denen sich die Parteispitze - politisch betrachtet - auf kalte Duschen einstellen muss.

Dabei freilich gibt es eine Besonderheit, und die bewirkt trotz allem eine gewisse Gelassenheit in der Berliner Parteizentrale: Selbst wenn die FDP in Sachsen und den beiden anderen Ländern scheitern sollte, wird das die aktuelle FDP-Führung nicht in Gefahr bringen. Die Begründung ist einfach: Die Partei ist bereits derart im Keller, dass es derzeit keine Hoffnungsträger oder Widersacher gibt, die Lindners Pläne für seine Art der Neuausrichtung infrage stellen könnten.

Das dürfte auch erklären, warum die Bundes-FDP und die aktuellen Wahlkämpfer, vor allem die in Sachsen, derzeit recht kühl nebeneinanderher leben. Der Sachse Holger Zastrow und Parteichef Lindner konnten sich nie sonderlich gut leiden - und das ist seit Lindners Wahl an die Parteispitze keineswegs besser geworden. Im Gegenteil. Zastrows rustikale Art, den knallharten Wirtschaftsliberalismus als Kern seines Programms zu präsentieren, widerspricht diametral Lindners Versuch, sich von der alten, kalten FDP der letzten Legislaturperiode zu distanzieren.

Zastrow und die andere FDP-Welt

Sollte Zastrow gewinnen, wird Lindner das in Berlin zwar als Motivationsschub preisen, aber an seinem Kurs wenig ändern. Sollte Zastrow dagegen verlieren, wird Lindner das bedauern - und seine Führung wird erleichtert aufatmen. Zastrow gehört zu einer anderen FDP-Welt. Damit ist klar: Er kämpft am Sonntag auf eigene Rechnung.

Als sich seine sächsische FDP im Januar zum Dreikönigstreffen im Burgtheater Bautzen traf, begann er seine Rede mit der Ankündigung einer Leistungskontrolle. 2014 werde ein Jahr der Prüfungen, sagte Zastrow, und schon damals machte er klar, dass er in Vorbereitung auf diese Prüfung kein Interesse daran haben werde, mit der Bundes-FDP eine Lerngruppe zu bilden. "Die Öffentlichkeit denkt ja, dass wir uns angesteckt haben", sagte Zastrow und wollte damit das Gegenteil ausdrücken. Seine Botschaft: Mit denen da in Berlin, Sie wissen schon, verbindet uns wenig.

Allerdings war zu diesem Zeitpunkt auch sein Landesverband in den Umfragen schon auf zwei Prozent geschrumpelt. Zastrow mochte sich davon freilich nicht beeindrucken lassen. "Alle Nachrufe, die seit 1990 auf uns geschrieben worden sind, haben nicht gestimmt. Alle die jetzt schon wieder anfangen, Nachrufe zu schreiben, werden sich wundern."

"Dass wir das Wunder schaffen"

Nun, kurz vor der Wahl, steht die FDP zwischen drei und dreieinhalb Prozent, und Zastrow spricht mal wieder von einem bevorstehenden Wunder. Im Hauptberuf arbeitet Zastrow als Werbefachmann, er versteht sich also darauf, selbst aus zarten Tendenzen kräftige Botschaften zu lesen. Das Zutrauen, sagt er, "dass wir das Wunder schaffen, wächst spürbar und überall - auch außerhalb der Partei". Gelingen soll das mit plakativen Botschaften.

Die FDP reklamiert einen Stopp für Schulschließungen als Erfolg ihrer Regierungsbeteiligung - und fährt dieser Tage mit einem amerikanischen Schulbus durch Sachsen. Außerdem hat sie die Wiedereinführung von Heimatkennzeichen und erweiterte Öffnungszeiten für Autowaschanlagen durchgesetzt. Entsprechend schreibt sie auf ihren Plakaten: "Ihr Auto würde uns wählen".

Wie groß das Zutrauen außerhalb der Partei in die FDP wirklich ist, wird erst der Sonntagabend erweisen. Zu wackelig sind alle Prognosen, und zu distanziert ist ihr bisheriger Partner. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) betont zwar, dass er am liebsten mit der FDP weiterregieren würde. Aber allzu viel Rücksicht nimmt er auf diese nicht. Bei einer Wahlsendung in dieser Woche kündigte Tillich schon mal an, die CDU wolle nach der Wahl wieder das derzeit FDP-geführte Wirtschaftsministerium übernehmen. Echtes Miteinander klingt dann doch anders.

Austeilen freilich kann Zastrow genauso. Allerdings eher gegen die eigene Parteispitze. "Sachsen ist nicht Berlin", heißt es auf einem seiner Wahlplakate. Die Abneigung ist eben gegenseitig. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Lindner zuletzt erklärte, für ihn sei Zastrows unabhängiger Wahlkampf völlig in Ordnung. Die beiden haben sich nichts mehr zu sagen.

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