Landtagswahl im Saarland:Kramp-Karrenbauer in der Klemme

Lange schien der Ausgang der Saarland-Wahl klar zu sein: ein Sieg von CDU-Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer. Dann erreichte der Schulz-Effekt die SPD.

Von Susanne Höll, St. Wendel

Auf dem Marktplatz von St. Wendel herrscht an diesem Vorfrühlingstag großer Andrang. Die Zahl der Kunden hält sich in Grenzen. Dennoch schiebt sich eine Menschentraube von Stand zu Stand, viele Kameras, viele Mikrofone, in der Mitte eine zierliche Frau in Jeans und vernünftigen Schuhen.

Darin steckt Saarlands Ministerpräsidentin. Annegret Kramp-Karrenbauer hat in normalen Zeiten wenig Zeit für Markteinkäufe. Aber die Zeiten sind nicht normal. Es ist Wahlkampf. Die CDU-Spitzenkandidatin muss um jede Stimme kämpfen, für ihre eigene politische Zukunft und die ihrer Partei.

In St. Wendel müsste Kramp-Karrenbauer eigentlich nicht kämpfen, es ist eine CDU-Hochburg, 60 Prozent oder mehr holen die Schwarzen hier allemal. Aber die Christdemokraten sind gut beraten, auch um die Treuesten der Treuen zu werben. Ansonsten wird das Land womöglich von Pfingsten an von einer rot-roten Regierung geführt, der ersten in einem westdeutschen Flächenland.

Und die einst stolze Riege der CDU-Ministerpräsidenten wäre zum Auftakt des Bundestagswahljahres auf einen einzigen Regierungschef im alten Teil der Republik geschmolzen. Der Hesse Volker Bouffier hätte dann den zweifelhaften Ruf, dort der letzte Kämpe zu sein. Unschön alles, aus konservativer Sicht jedenfalls. Beginnt der politische Herbst der Bundes-CDU in Saarbrücken?

Das ist immerhin denkbar. Wenn die SPD und die Linkspartei von Oskar Lafontaine am Sonntag gemeinsam eine Mehrheit der insgesamt 51 Sitze erobern, würde wahrscheinlich Anke Rehlinger von der SPD neue Ministerpräsidentin. Bislang haben die Sozialdemokraten als Juniorpartner der CDU gewirkt, ziemlich einträchtig ging es zu, in den vergangenen fünf Jahren gab es keinerlei größere Verwerfungen. Eine Mehrzahl der heimischen Wähler wünscht sich, dass die große Koalition weitermacht.

Auf zwei Herausforderer war die CDU nicht vorbereitet

Nun aber will Rehlinger den Spitzenjob, wer mag es ihr verdenken? Noch im Januar erntete sie für diesen Anspruch eher mitleidiges Lächeln. Und dann kam Martin Schulz. Der hat, mit Ausnahme eines in Spiesen-Elversberg geborenen Vaters, mit dem Saarland bislang nichts zu tun, ruft aber auch hier beste Laune hervor und verleiht der Landespartei Glanz und Zuspruch.

Die Saar-CDU muss in diesen letzten, entscheidenden Tagen vor dem Wahlsonntag sozusagen mit zwei Herausforderern fertig werden. Auch ziemlich unschön, insbesondere weil darauf keiner der schwarzen Strategen vorbereitet war.

Wie wählt das Saarland?

Am Sonntag sind etwa 800 000 Bürgerinnen und Bürger zur Wahl aufgerufen. Die Zahl entspricht ungefähr 1,2 Prozent aller Wahlberechtigten in Deutschland. Jeder hat eine Stimme. Von den insgesamt 51 Landtagssitzen werden 41 Sitze aus den Kreiswahlvorschlägen besetzt - anhand der Anzahl der in den drei Wahlkreisen abgegebenen gültigen Stimmen nach dem Höchstzählverfahren nach d'Hondt. Die übrigen 10 Sitze werden aus den Landeslisten besetzt. Das Gebiet ist in drei Wahlkreise eingeteilt, und zwar in den Wahlkreis Saarbrücken, in den Wahlkreis Saarlouis mit den Landkreisen Merzig-Wadern und Saarlouis und in den Wahlkreis Neunkirchen mit den Landkreisen Neunkirchen, Saarpfalz und St. Wendel. In insgesamt 1200 Wahlbezirken treten 370 Kandidaten aus 16 Parteien und Gruppierungen an. 2012 lag die Wahlbeteiligung bei 61,6 Prozent. SZ

Im Januar quälte die heimischen Christdemokraten noch die Vorstellung, die Wähler könnten am 26. März daheimbleiben, im Glauben, die Chose sei bereits gelaufen. Kramp-Karrenbauer, beliebt ob ihrer außerordentlich unprätentiösen Art, bleibt im Amt und regiert bequem mit den Sozialdemokraten weiter. Pustekuchen. Rehlinger und die damals noch darbende SPD verweigerten sich einer Koalitionsaussage - und bringen die CDU so in die Bredouille.

Denn die Christdemokraten haben bei der Partnersuche keine Alternative zur SPD. Mit den Linken können und wollen sie nicht, die AfD, ein im Saarland besonders eigentümlicher Verein rechtskonservativer Sonderlinge, kommt als Junior keinesfalls infrage.

Damenwahlen machen keine Schlagzeilen mehr

Grüne und FDP wiederum sind zu schwach, es ist sogar zweifelhaft, ob sie überhaupt in den Landtag einziehen werden. Die Wahlkampagne hat den beiden Kleinen, so jedenfalls legen es die Umfragen nahe, keine großen Sympathien gebracht.

Die Ökopartei setzte unter Führung ihres langjährigen und durchaus schillernden Chefs Hubert Ulrich auf die Sujets Grubenwasser und Hochschulfinanzierung, Wahlplakate zeigten ein wenig appetitliches Glas brauner Flüssigkeit. Die Grünen warnen seit Längerem davor, dass sich das Wasser aus alten Kohlegruben alsbald mit dem Trinkwasser vermischen könnte.

FDP-Kandidat wirbt fast verzweifelt um Stimmen

Die Saarländer, die als Bewohner einer ehemaligen Montanregion traditionell wenig mit Ökothemen anfangen können, bewegt diese Frage aber offenkundig jetzt noch nicht. Ulrich sagt man nicht zu Unrecht nach, dass er eigentlich gern eine schwarz-grüne Koalition schmieden würde. Der Traum wird nicht in Erfüllung gehen.

Womöglich aber wird er noch einmal regieren können - falls die Partei es zurück ins Parlament schafft und Rot-Rot ein oder zwei Sitze zur Mehrheit fehlen sollten. Sehr wahrscheinlich ist das allerdings nicht.

Die FDP mit ihrem Spitzenkandidaten Oliver Luksic hat sich von ihrer Blamage aus der 2012 krachend gescheiterten Jamaika-Koalition mit CDU und Grünen erholt. Die Liberalen waren damals in einem katastrophalen Zustand, zerstritten und regierungsunfähig. Es wäre ein Wunder, wenn sie nach fünf Jahren außerparlamentarischer Opposition wieder in den Landtag kommen.

Im TV-Duell der fünf Spitzenkandidaten warb Luksic vor Wochenfrist nahezu verzweifelt um Stimmen. Allein ein Einzug der FDP könne ein Linksbündnis an der Saar verhindern.

Selbst die CDU geht mit dem Thema Rot-Rot sehr sparsam um - aus gutem Grund. Denn im Saarland ist der Linkspartei-Mitgründer Oskar Lafontaine bis heute beliebt, der Mann hat als Ministerpräsident und SPD-Bundesvorsitzender seiner Heimat viel Ansehen verschafft. Der spektakuläre Rückzug von seinen Bundesämtern 1999 war zwar nicht glanzvoll; aber dass der Oskar etwas von Politik versteht, glauben auch viele jener Saarländer, die die Linke nicht wählen.

Rehlinger hat, anders als etliche ihrer Parteifreunde, keine alten persönlichen oder politischen Rechnungen mit Lafontaine offen. Die 40-jährige Juristin und Ex-Leichtathletin erzählt oft und gern, dass sie an jenem Märztag, an dem Lafontaine damals in Bonn die Brocken hinwarf, ihre allererste SPD-Veranstaltung besuchte.

Anfeindungen widersprechen dem Stilgefühl der Kandidatinnen

Sie war bislang Wirtschafts- und Verkehrsministerin im Saarland, ist eine ebenso bodenständige Person wie die Ministerpräsidentin und - ganz wichtig - erweckt nicht den Eindruck, als ließe sie sich von irgendjemandem, auch nicht von einem Machtmenschen wie Lafontaine, sonderlich beeindrucken. Auch nicht, wenn es tatsächlich eine gemeinsame Koalition geben sollte.

Nach Rheinland-Pfalz ist dies der zweite Landtagswahlkampf, in dem zwei Frauen um das Spitzenamt kämpfen. Damenwahlen machen keine Schlagzeilen mehr, sie sind dankenswerterweise Teil der politischen Normalität geworden. Die Kandidatinnen gehen pfleglich miteinander um und verzichten auf persönliche Angriffe.

Solche Anfeindungen widersprechen beider Stilgefühl. Außerdem weiß keine mit Sicherheit, ob man vielleicht doch die nächsten Jahre wieder gemeinsam regieren wird. Das aber könnte nur der Fall sein, wenn Kramp-Karrenbauer Ministerpräsidentin bleibt. Ansonsten wird sie die Landespolitik erklärtermaßen ganz verlassen.

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