Landtagswahl in Brandenburg:Ein angeschlagener Triumphator

Matthias Platzeck hat die Wahl in Brandenburg nur mit hauchdünnem Vorsprung gewonnen. Nun will die Linke als zweitstärkste Kraft mitregieren.

C. von Bullion und V. Bernau

Er ist als Favorit ins Rennen gegangen, und in der Wahlnacht sollte er zu den Siegern gehören. So war es jedenfalls geplant. Matthias Platzeck, Ministerpräsident von Brandenburg, war am Sonntag die Rolle des Triumphators zugedacht, auch und gerade für den Fall, dass seine Genossen im Bund zu Boden gehen sollten.

Am Abend der Entscheidung aber kommt dann alles ein bisschen anders, und der Mann, der als Star der Show vorgesehen war, sieht erst einmal ein bisschen angeschlagen aus. Im Thalia Kino in Babelsberg, einem Lichtspielhaus aus den zwanziger Jahren, stehen die Menschen bei Nachos und Bier eng beieinander, alles hier ist rot, vom Vorhang über die Ballons bis zu den Fotowänden, und eigentlich hatten alle eine rauschende Party erwartet.

Jetzt aber stehen die Menschen hier mit langen Gesichtern vor einer Großbildleinwand, auf der die schwarz-gelben Tortendiagramme wachsen. Es sind die Ergebnisse der Bundestagswahl.

"Das wird ein enges Rennen"

Als Matthias Platzeck dann kommt, ist der Applaus verhalten, ein paar vereinzelte Jubelrufe sind zu hören. Auch er selbst hatte schon mal bessere Laune, dabei sind seine Ergebnisse im Bundesvergleich durchaus ansehnlich. Dass sich dieser Wahlsieg nicht unbedingt anfühlt wie einer, das liegt daran, dass der Brandenburger SPD ein Ergebnis von bis zu 34 Prozent prognostiziert worden war. In der Hochrechnung um 21 Uhr sind es dann 32 Prozent, das ist etwas mehr als bei der letzten Landtagswahl. Dem Ministerpräsidenten aber ist der Absturz der Genossen im Bund sichtlich auf den Magen geschlagen.

"Wir haben von vornherein gesagt, das wird ein enges Rennen", sagt er also erst einmal etwas bemüht. "Ich denke aber, trotz aller Vorsicht und wenn nicht noch etwas anderes passiert, dass die SPD wieder stärkste Kraft in Brandenburg wird." Ein typisches Platzeck-Manöver ist das, ein vorsichtiges Statement, das alles Mögliche offenlässt. Der Mann, der seit sieben Jahren Brandenburg regiert, will sich selbst keine Türen zuschlagen. Die Verhältnisse seien "schwierig" sagt er, und dass man nun mal "keinen Rückenwind aus Berlin" gehabt habe.

Ganz anders ist dagegen die Stimmung bei der Linkspartei, die in einer Ladenpassage im Potsdamer Hauptbahnhof feiert. Sie ist wie erwartet zweitstärkste Partei geworden und kommt in der ersten Hochrechung auf 27,5 Prozent, das ist etwas weniger als 2004. Jetzt sei es "Zeit für einen Politikwechsel", sagt Spitzenkandidatin Kerstin Kaiser. Der Jubel ist aber nicht nur über die eigenen Resultate groß, sondern auch über die Tatsache, dass keine rechtsextreme Partei mehr im Landtag sitzen wird.

Zufrieden mit sich und erleichtert ist auch die CDU, die in Brandenburg schwierige Jahre hinter sich hat und laut Hochrechnung immerhin auf 20,3 Prozent gekommen ist. Das ist zwar kein tolles Ergebnis, aber eben auch keine Katastrophe, und bei der Wahlparty tritt eine strahlende Parteichefin vor die Presse. Die Ergebnisse zeigten, dass die CDU Vertrauen zurückgewonnen habe, sagt Johanna Wanka. Sie leugnet allerdings nicht, dass die CDU weiter an der Baustelle Vertrauen arbeiten muss. Nun hoffe sie auf eine Neuauflage der großen Koalition. "Ich gehe nicht davon aus, dass die SPD dem Lockruf der Linken folgt." Was sie nicht sagt, sagen die Zahlen: Dass die Mehrheit, die sich für Rot-Schwarz abzeichnet, etwas üppiger hätte ausfallen können.

Auf einen Überraschungssieg hoffen am frühen Abend die Grünen, entgegen allen pessimistischen Vorhersagen ist der Partei nach ersten Hochrechungen der Sprung zurück in den Landtag geglückt. Gegen 21 Uhr liegen die Grünen dann allerdings nur noch bei 5,3 Prozent, es wird knapp, und es wird gezittert. Bei der FDP dagegen ist schon früh klar, dass das Wahlziel erreicht wird, die Liberalen landen bei 7,3 Prozent. Das Dankeschön geht hier vor allem in Richtung Berlin, man hat den Schwung aus dem Bund mitnehmen können.

Wie es nun weitergeht mit der Landesregierung, ist am Abend noch offen. Ministerpräsident Platzeck hat in den vergangenen Wochen wenig Zweifel daran gelassen, dass er seine große Koalition fortsetzen will. Das liegt zum einen daran, dass dieser Arztsohn aus Potsdam ein bürgerlicher Mensch ist. Zum anderen dürfte die kleine CDU ein gefügigerer Regierungspartner werden als die Linke. Konflikte gibt es allerdings auch zwischen Rot und Schwarz. Die SPD will bei öffentlichen Aufträgen nur noch Firmen den Zuschlag geben, die Mindestlohn zahlen. Die CDU lehnt das ab, und Parteichefin Wanka äußerte sich in der Wahlnacht ausweichend dazu. Auch in der Bildungspolitik gehen die Vorstellungen von Rot und Schwarz auseinander.

Matthias Platzeck ist bekannt dafür, dass er nicht nur großen Wert auf Loyalität legt und darauf, dass am Kabinettstisch die Chemie stimmt. Er gehört auch zur Spezies der Gewohnheitstiere, und er pflegt sein Image als Nachbar von nebenan. Platzeck lebt immer noch in der Wohnung in Babelsberg, in der er schon vor der Wende gewohnt hat, und er erzählt gern, er sei ganz der Alte geblieben in all den Jahren. Was natürlich Unsinn ist. Er gehört mit Gregor Gysi und Horst Seehofer zu den Menschen, die ihre Karriere weit über das hinausgetrieben haben, was der Körper auszuhalten bereit war.

Bei Gysi war es der Kopf, bei Seehofer das Herz, bei Platzeck rissen 2006 die Nerven, er war da erst wenige Monate Bundesvorsitzender der SPD, und sein Zusammenbruch samt Hörsturz hat Spuren hinterlassen. Es pfeift jetzt immer in seinen Ohren, er fehlt auch öfter bei Kabinettssitzungen wegen Krankheit, und es gibt Leute, die sagen, dass er erschöpft ist und in zwei Jahren aufhört. Bis dahin aber ist noch ein bisschen Zeit, Matthias Platzeck hat jetzt erst mal ein bisschen zu tun.

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