Atomausstiegs-Gipfel der Koalition:Union warnt Rösler vor Blockade

Die Koalition trifft sich zum Atomgipfel - in der Union wächst der Unmut wegen des Ausstiegsplans: Die FDP muss sich Vorwürfe gefallen lassen, eine Einigung zu verzögern. Und auch Kanzlerin Merkel kommt nicht ohne Kritik davon.

Vor dem Atom-Koalitionsgipfel im Kanzleramt hat sich in der Union Ärger über die FDP Bahn gebrochen. Die CDU-Fraktionschefs aus den Bundesländern kritisierten die Liberalen. In einer internen Besprechung sei thematisiert worden, "dass unser Koalitionspartner, der gar nicht schnell genug aussteigen konnte, nun auf die Bremse tritt", sagte Sprecher Christean Wagner aus Hessen. "Dies ist als Vorgang zumindest bemerkenswert." Merkel habe für die Koalitionsrunde am Sonntagabend die volle Unterstützung der Landtagsfraktionen, sagte Wagner.

Angela Merkel CDU Atomausstieg

Sieht sich wegen der Wende in ihrer Atompolitik heftiger parteiinterner Kritik ausgesetzt: CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel

(Foto: dpa)

Im Kanzleramt beraten an diesem Sonntagabend die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Philipp Rösler (FDP) und Horst Seehofer (CSU) mit den zuständigen Ministern sowie den Fraktionschefs über die Modalitäte des Ausstiegs. Die FDP strebt dabei nur einen Zeitkorridor für das Abschalten der Kraftwerke an, um Flexibilität zu haben, falls nicht schnell genug Ersatz gefunden werde. Die von Merkel eingesetzte Ethik-Kommission empfahl ein Ende der Atomkraftnutzung bis spätestens 2021.

Rösler hatte vor einem Wettbewerb um das Datum gewarnt: "Der Weg bis dahin ist entscheidend", sagte der Wirtschaftsminister. Merkel dagegen zeigte sich zuversichtlich, dass sich die Koalition auf die Modalitäten eines schnelleren Atomausstiegs und die Energiewende einigen kann. "Ich denke, dass wir auf einem guten Weg sind - dass aber sehr, sehr viele Fragen zu bedenken sind", sagte sie nach dem Treffen mit den CDU-Fraktionschefs. Zu den offenen Fragen gehörten etwa die Kosten des Stroms und die Versorgungssicherheit. "Wer irgendwo aussteigen will, der muss auch nachweisen, wie der Umstieg erfolgt und wie wir einsteigen in eine zukunftsfähige, nachhaltige Energieversorgung."

Der Fraktionschef der Unionsfraktion, Volker Kauder, erwartet einen Durchbruch. "Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass wir im Laufe des heutigen Abends zu einem Ergebnis kommen. Das kann auch ein Korridor sein, der einen Eingang und einen Ausgang hat", sagte Kauder in der ARD.

Unmittelbar nach dem Treffen mit den Parteivertretern fuhr die Kanzlerin zur Koalitionsrunde. Am Abend sollen möglicherweise auch Spitzenvertreter der Oppositionsparteien von SPD und Grünen dazustoßen - man halte sich bereit, sagten Vertreter der Parteien. Die schwarzgelbe Koalition hat für den kommenden Sonntag einen weiteren Koalitionsausschuss angedacht, falls eine Einigung scheitert. Das Paket soll die Verkürzung von Atomlaufzeiten umfassen, eine stärkere Förderung der erneuerbaren Energien und der Häusersanierung sowie schnelleres Planungsrecht für den Stromtrassenausbau.

Vor Merkels Treffen mit den Landesfraktionschefs der CDU hatten vor allem Konservative und Atomkraft-Befürworter aus den Ländern die Kanzlerin attackiert. Sie machten den Zickzackkurs der Parteichefin in der Energiepolitik nach Fukushima für die Wahlniederlagen in Baden-Württemberg und Bremen verantwortlich.

So sagte der Hesse Christean Wagner der Nachrichtenagentur dpa: "Man muss in der praktischen Politik zu seinen Grundsätzen stehen." Die Berliner Parteispitze versuche zu schnell, aktuellen Trends hinterherzulaufen. Als Beispiel nannte er die schnelle Wende der Partei in der Atompolitik. Man könne auch nicht ständig auf Umfragewerte schielen. Die CDU müsse sich wieder auf die eigenen Werte besinnen und diese glaubhaft in konkrete Politik umsetzen. Wagner ließ seinem Unmut über die Kanzlerin auch im Spiegel freien Lauf: "Es kann nicht sein, dass wir bei jedem aktuellen Anlass ein politisches Wendemanöver veranstalten. Die Bürger verlangen von unserer Partei Verlässlichkeit".

Ähnliche Kritik kam vom Chef der thüringischen CDU-Landtagsfraktion, Mike Mohring: "Profil gewinnt man nur mit Verlässlichkeit und klarem Kurs", erklärte er dem Magazin und schob mit Blick auf Merkel nach: "Augenblickspolitik wie die Reaktion auf Fukushima wirft keine Dividende ab."

Aus Baden-Württemberg, dem an Grün-Rot verlorenen Stammland der Union, drang ebenfalls Groll in Richtung Kanzleramt: Peter Hauk, Fraktionschef der CDU im Stuttgarter Landtag forderte die Kanzlerin in dem Magazin auf, ihre Politik besser zu erklären. "Wenn wir einen Schwenk wie bei der Atompolitik machen, dann muss das unseren Bürgern und auch den CDU-Mitgliedern erläutert werden. Das ist auch Aufgabe der Bundespartei."

Der ebenfalls aus dem Südwesten kommende CDU-Energiepolitiker Thomas Bareiß forderte: "Kanzlerin und Partei müssen erkennen: Wir sind in derselben Situation wie die SPD nach der Agenda 2010. Wir verabschieden uns thematisch von unserer Kernklientel und gewinnen bei neuen Wählern trotzdem keine Glaubwürdigkeit." Der zum CDU-Wirtschaftsflügel zählende Politiker forderte eine Rückkehr der CDU zu ihren Traditionsthemen: "Sich neuen Randgruppen öffnen und mehr Mitte - ich kann diese Analysen nicht mehr hören", sagt der CDU-Energiepolitiker.

Kritik am Atomkurs der Kanzlerin kam auch aus Wiesbaden: Hessens Ministerpräsident und CDU-Vize Volker Bouffier drohte mit einem Nein zum neuen Energiekonzept. "Ich werde dem neuen Energiekonzept - und auch einem konkreten Ausstiegsdatum - nur dann zustimmen, wenn es realistisch ist", sagte Bouffier dem Hamburger Magazin.

Seitenhieb auf Seehofer

Bouffier nannte es deshalb "töricht", einen Wettlauf um den schnellsten Ausstieg aus der Kernenergie zu eröffnen - ein Seitenhieb auf CSU-Chef Horst Seehofer, der sich für einen Ausstieg bis 2022 stark macht. Bouffier stemmt sich damit auch gegen die von Merkel eingesetzte Ethikkommission zur Zukunft der Energieversorgung. Das von Ex-Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) geleitete Gremium hält ein Ende der Atomenergie in Deutschland innerhalb eines Jahrzehnts für möglich.

In der heiklen Causa Atomausstieg mahnte selbst Merkels Vertraute Annette Schavan zur Zurückhaltung. Eine Entscheidung wie über den Ausstieg aus der Kernenergie lasse sich "nicht einfach an einer Jahreszahl festmachen", zitiert das Hamburger Abendblatt die stellvertretende CDU-Vorsitzende und Forschungsministerin.

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