Landesparteitag der FDP:Kanzler werden? Nein. Kanzler machen? Auf jeden Fall!

Landesparteitag der NRW-FDP

Nie wieder Wahlkampf für die anderen: FDP-Chef Christian Lindner hat nicht nur die eigenen Leute im Rücken, sondern auch gute Umfragewerte.

(Foto: dpa)
  • Auf dem FDP-Landesparteitag in Nordrhein-Westfalen führt Christian Lindner Selbstbewusstsein und Angriffslust vor.
  • Der Parteivorsitzende spottet gegen die rot-grüne Landesregierung.
  • Seine Strategie ist klar: Lindner will das Bild vom Marsch nach vorne erzeugen. Und mit seiner Partei zurück auf die Bundesbühne.

Von Jan Bielicki und Stefan Braun

Er ist nicht nur einmal da, sondern dreimal. Doppelt strahlt das bewegte Großbild Christian Lindners von der Stirnwand der ehemaligen Maschinenhalle im westfälischen Hamm-Heessen, als der FDP-Vorsitzende ans Mikrofon tritt. "Die FDP ist im Wahlkampfmodus", ruft er den Delegierten des Landesparteitags zu, und dazu passt der doppelte Video-Lindner hinter ihm: Schließlich stellt er sich in diesem Jahr gleich zwei Mal den Wählern, in sechs Wochen als FDP-Landeschef und Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen und vier Monate später als FDP-Bundesvorsitzender und Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl.

Doppelt also setzen die Liberalen auf ihren 38-jährigen Chef, der ihnen das Selbstbewusstsein und die Angriffslust vorführt, die wohl nötig sind, seine vor vier Jahren schmählich aus dem Bundestag gewählte Partei wieder zurück auf die Bundesbühne zu bringen. "Wir lassen uns nicht kleinmachen", das betont er am Sonntag in Hamm gleich mehrmals, "wir sind eine eigenständige Kraft."

Tatsächlich scheint das angepeilte Ziel, "drittstärkste Kraft zu werden", laut Umfragen in Nordrhein-Westfalen nicht unerreichbar zu sein. Vor seinen NRW-Parteifreunden macht Lindner die rot-grüne Landesregierung zum Ziel seiner Angriffe und seines Spotts. Nichtstun wirft er Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) vor: "Das ist auch eine Form von Machtmissbrauch." Es sind kräftige Worte, die bei den Parteifreunden gut ankommen: "Die grün-rote Wirtschaftspolitik ist nur ein anderes Wort für Sabotage", sagt er, wettert gegen das "Stauland Nummer eins" oder "verheerende" Bedingungen an Schulen und Hochschulen an Rhein und Ruhr. Erst einmal geht NRW vor, Bundespolitik streift er nur, Attacken auf die "Dobrindt-Maut" des Bundesverkehrsministers oder gegen den "Wunderheiler, Regenmacher, Wünschelrutengänger der SPD", also deren Parteichef Martin Schulz, verkneift er sich nicht.

Mit guten Umfragewerten im Rücken, auch jenseits von NRW, fühlt sich Lindner derzeit ohnehin stark. Mit breiter Brust präsentierte er schon am Freitag in Berlin das Wahlprogramm für die Bundestagswahl - und verwies ganz nebenbei auf die Tatsache, dass Schulz und Kanzlerin Angela Merkel über sechzig Jahre alt seien, er dagegen noch nicht mal vierzig. Es war der ungeschminkte Versuch, die beiden alt aussehen zu lassen. Gefragt, ob er angesichts seines vorgetragenen Selbstbewusstseins eigentlich Kanzler werden wolle, antwortete Lindner: Nein, "aber Kanzler machen" - das wolle er auf jeden Fall.

Auf gar keinen Fall Angst zeigen

Bescheidenheit scheint für den Christian Lindner des Jahres 2017 keine Tugend zu sein. Dabei hätte er nach eigener Aussage im Herbst 2013 nicht davon zu träumen gewagt, im Frühjahr 2017 in bundesweiten Umfragen konstant zwischen sechs und sieben Prozent zu liegen. Noch sei nichts gewonnen, gab Lindner sich demütig. Aber gefragt, wie er sich bei derlei Zahlen fühle, sagte er: "Wie ein Rennpferd in der Box!"

Diese fast sehnsüchtige Lust auf die politische Auseinandersetzung verbindet sich mit dem Bedürfnis, eines auf gar keinen Fall zu zeigen: Angst. Fürchten soll sich die FDP nicht mehr. Das ist wohl die wichtigste Lehre, die Lindner aus dem Jahr 2013 gezogen hat: dass seine Partei jede Chance verloren hatte, als das Publikum im FDP-Krisensommer 2013 merkte, wie die Röslers, Brüderles und Niebels es immer mehr mit der Angst bekamen.

Und inhaltlich? Da setzt die FDP vor allem auf die Themen Bildung und Digitalisierung

Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP

"Wir werden nicht mehr als Hilfstruppe für Rote oder Schwarze zur Verfügung stehen."

Lindner wird das nicht passieren. Eher könnte ihm das Gegenteil gefährlich werden. Denn auch wenn er - anders als sein verstorbener Vor-Vorgänger Guido Westerwelle - Steuersenkungen nicht mehr zum allerwichtigsten Ziel erklärt hat, so steht Lindner Westerwelle in Sachen Selbstbewusstsein in nichts mehr nach. Deutlich wird das dann, wenn er sich als jung-dynamisch-furchtlose Alternative zu seinen älteren Konkurrenten in Szene setzt. Alles, was der SPD-Kandidat Schulz bislang gezeigt habe, sei eine Agenda 1995, sagte Lindner am Freitag. Und Merkel zeichne sich dadurch aus, dass sie die Agenda 2010 verteidige. Die FDP dagegen, an der Spitze er selber, habe eine Agenda 2030 entworfen. Soll heißen: Ein Lindner werde von den Zeitläuften keine weichen Knie bekommen und sich auch nicht am Status quo festhalten. Ein Marsch nach vorne - das Bild will er erzeugen.

Inhaltlich sollen ihm dabei, so der Stand jetzt, vor allem die Themen Bildung und die Digitalisierung helfen. Von einer "Bil-dungsrevolution" sprach er bei der Vorstellung des Programms. Die FDP will das Kooperationsverbot zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufbrechen und noch einmal deutlich mehr Milliarden als die anderen in Schulen, Hochschulen und Forschung stecken. Zudem fordert die FDP eine umfassende Digitalisierung von Verwaltung, Gesellschaft und Wirtschaft sowie die Schaffung eines Digital-Ministeriums. Harsche Töne gibt die Partei in der Außenpolitik von sich. Die Griechen sollen raus aus dem Euro, und mit den Türken sollen alle Beitrittsverhandlungen beendet werden. Schärfer noch: Auch die Annäherungshilfen, die bis heute fließen, sollen sofort gestoppt werden.

Und Koalitionen? Die FDP werde nicht mehr "als Hilfstruppe für Rote oder Schwarze" zur Verfügung stehen und "keinen Wahlkampf für andere machen", verteidigt Lindner in Hamm offensiv den Verzicht auf Koalitionsaussagen. Natürlich hätten die Liberalen "unverändert die größten Übereinstimmungen mit der CDU", aber auch bei den Christdemokraten "gibt es keine klare Linie". Nein, Lindner schließt ein Zusammengehen mit der SPD eben nicht aus und weißt Kritik des CDU-Landeschefs Armin Laschet zurück: "Er tut es ja selber auch nicht." Ministerpräsidentin Kraft könne "die CDU billiger einkaufen als die FDP". Nur eines will er nicht: ein Bündnis mit Rot und Grün in Nordrhein-Westfalen. Man werde "unter keinen Umständen Verhandlungen zur Bildung einer sogenannten Ampelkoalition in NRW aufnehmen", so hat er es dem Parteitag schriftlich vorgelegt. Die Parteifreunde stimmen diesem Antrag einmütig zu.

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