Lagerung von Atommüll:Zoff um Zwischenlager könnte Endlagergesetz kippen

SPD und Grüne sprechen von einer "Provokation", Union und Liberale mauern: Die Suche nach Zwischenlagern für Castor-Transporte wird immer schwieriger. Doch ohne eine Lösung droht der mühsam ausgehandelte Konsens zur Endlagersuche zu scheitern. Heute trifft sich Kanzlerin Merkel mit den Ministerpräsidenten der Länder.

Die wichtigsten Fragen und Antworten

Mitten im Niemandsland zwischen Berlin und Hamburg liegt am Ufer der Elbe das Örtchen Gorleben. Mit der Entscheidung, den strahlenden Müll aus den deutschen Atomkraftwerken im Salzstock unterhalb der Gemeinde zu lagern, wurde aus dem Namen des niedersächsischen Dorfs 1977 ein Kampfbegriff. Seither ist Gorleben im Wendland das Zentrum des deutschen Protests gegen Atomkraft.

Grundlage der Entscheidung für ein Endlager in Gorleben war ein eher laxes Auswahlverfahren. Ob ein Endlager im Salzstock angesichts dieses Verfahrens jemals vor Gerichten Bestand gehabt hätte, ist fraglich. Was Jürgen Trittin (Grüne) und später Norbert Röttgen (CDU) vergeblich versuchten, will Umweltminister Peter Altmaier (CDU) nun vollenden. Die Endlagersuche soll von Neuem beginnen, mit "weißer Landkarte" und soliden geologischen Befunden. Am Donnerstag trifft sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nun mit den Ministerpräsidenten der Länder. Doch schon im Vorfeld gibt es Streit.

  • Was ist das geplante "Endlager-Gesetz?" Nach jahrzehntelangem Streit einigten sich Bund und Länder im April auf eine bundesweite Atommüllendlager-Suche. Das geplante Endlager-Gesetz soll, wenn alles nach Plan läuft, in den kommenden Tagen vom Bundestag und bis 5. Juli vom Bundesrat beschlossen werden. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, würde zunächst eine Kommission die Grundlagen erarbeiten. Dann sollen bundesweit mehrere zu prüfende Standorte für ein mögliches Atommüllendlager ausgewählt werden. Bis 2031 soll das Endlager für hochradioaktiven Atommüll bestimmt sein. Wegen langer Planungs- und Bauzeiten könnten die Castoren aus den Zwischenlagern aber nicht vor 2050 in ein Endlager kommen.
  • Was haben die Zwischenlager damit zu tun? Doch es gibt noch Streit: Eine Bedingung für die Verabschiedung des Gesetzes vor der Wahl ist, dass Zwischenlager bestimmt werden. Derzeit sind noch 26 Atommüllbehälter in der Wiederaufarbeitung im Ausland. Die Castoren sollen nicht mehr in das Zwischenlager Gorleben, um keine neuen Fakten für ein Endlager im nahen Salzstock zu schaffen.
  • Woran entzündete sich der neue Streit um die Zwischenlager? Für diese 26 Castoren fehlt neben Brunsbüttel in Schleswig-Holstein und Philippsburg in Baden-Württemberg noch ein drittes Zwischenlager. Umweltminister Altmaier schlägt in einer Vorlage für das Treffen der Ministerpräsidenten am Donnerstag als dritte Option aber nur Zwischenlager in rot-grün regierten Ländern vor. Er verweist darin auf Brokdorf in Schleswig-Holstein und Unterweser in Niedersachsen als mögliche Zwischenlager für die zurückkehrenden Castoren. Lubmin im rot-schwarz regierten Mecklenburg-Vorpommern wird mit nur drei Stellplätzen als Außenseiter genannt. Zwischenlager im schwarz-gelb regierten Bayern und Hessen werden ausgeklammert, beide Länder weigern sich, Castoren aufzunehmen.
  • Wer will was im Zwischenlagerstreit? Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) erteilt dem Standort Brokdorf in seinem Bundesland eine Absage. "Es muss eine faire Lastenteilung geben. Insofern ist der Vorstoß von Altmaier, wenn er Brokdorf plus Brunsbüttel meint, keine Lösung, sondern eine Provokation." Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) lehnt eine Zwischenlagerung in Unterweser strikt ab. "Niedersachsen hat jetzt seit 20 Jahren einen Großteil der Transporte für die ganze Bundesrepublik ausgehalten." Weitere Transporte, auch nach Unterweser, kämen nicht infrage.
  • Was sagen die Atomkonzerne? Die Kraftwerksbetreiber pochen ohnehin auf ihre Einlagerungsgenehmigung für Gorleben und stellen laut Altmaiers Vorlage als Bedingung für eine Einlagerung an anderen Orten, "die Übernahme aller sich aus der alternativen Zwischenlagerung ergebenden Mehrkosten durch die öffentliche Hand".
  • Was bedeutet das für die Chancen des Endlager-Suchgesetzes? Mit dem anhaltenden Streit um die Zwischenlager schwinden die Chancen auf eine Einigung noch vor der Bundestagswahl. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sieht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Pflicht, das Gesetz für eine neue Suche nach einem Atommüll-Endlager zu retten. "Die Einigung steht auf der Kippe, weil sich keines der CDU/CSU-geführten Bundesländer bereiterklärt, auch nur einen zusätzlichen Castor in die vorhandenen Zwischenlager aufzunehmen", sagte Gabriel vor dem Treffen Merkels mit den Ministerpräsidenten.

Welche Regionen kämen in Frage? Was passiert nun aus Gorleben? Gelingt das Endlagergesetz noch vor der Wahl? Einen Überblick über diese Fragen finden Sie hier.

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