Lafontaine gegen die SPD:Hoffnung auf die Rebellion

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In der Linken gerät Parteichef Lafontaine ein wenig in die Kritik - schon wittert die SPD einen Stimmungsumschwung gegen ihren Intimfeind.

Nico Fried und Robert Roßmann

Die Hoffnung für die SPD kam ausgerechnet von der Konkurrenz: Vor zwei Wochen rief André Brie, gemeinhin Vordenker der Linken genannt, zur Opposition gegen Parteichef Oskar Lafontaine auf.

Oskar Lafontaine ist nicht unangefochten an der Spitze der Linken. SPD-Generalsekretär Heil ist sich sicher: "In der Linkspartei gibt es vernünftige Leute im Osten, die gestalten wollen." (Foto: Foto: AP)

Vor allem die früheren PDS-Politiker könnten selbstbewusst auf eigene Erfahrungen verweisen, sagte Brie. Damit hatte die SPD endlich, worauf sie schon lange gewartet hatte: einen Kronzeugen gegen Lafontaine in dessen eigenen Reihen.

Denn die Strategen im Willy-Brandt-Haus setzen darauf, dass vor allem die ostdeutschen Linken, von denen einige schon Regierungserfahrung an der Seite der SPD gesammelt haben, sich nicht widerstandslos dem radikalen Oppositionskurs Lafontaines unterwerfen wollen.

Immer wieder versucht die SPD diesen Keil tiefer in die Linke zu treiben: Schon in seinem Sommerbrief an die eigene Partei unterschied SPD-Chef Kurt Beck böse und weniger böse Linke: "In Berlin und Ostdeutschland wird die ehemalige PDS von Pragmatikern geprägt - weit entfernt von dem, was sonst aus der Partei zu hören ist."

Wenig später legte Generalsekretär Hubertus Heil nach: "In der Linkspartei gibt es vernünftige Leute im Osten, die gestalten wollen. Die werden aber durch jene Leute, die sich aus dem Westen anflanschen, um 20 Jahre zurückgeworfen."

Seit einigen Wochen sammeln die Sozialdemokraten nun fleißig Indizien für eine keimende Rebellion. Zum Beispiel die Worte der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Petra Pau, die Lafontaine und dessen West-Beauftragten Ulrich Maurer davor warnte, die neue Linke nur in Abgrenzung zur SPD zu definieren.

Die Partei dürfe sich nicht nur auf Protest beschränken. Kurz darauf wies Berlins Wirtschaftssenator und Bürgermeister Harald Wolf den Vorschlag Lafontaines zurück, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nur für die Arbeitnehmer und nicht für die Arbeitgeber zu senken.

Vor ein paar Tagen meldete sich dann auch noch der linke Landtagsabgeordnete Ronald Weckesser mit einer Kritik an der eigenen Partei, die klang, als sei sie im Brandt-Haus formuliert worden: Die Linke stelle sich "nicht mehr den spezifischen Problemen des Ostens", sagte der Sachse. Er befürchte, dass sich die Vertrauten Lafontaines im Zweifelsfall "immer eher um den Westen kümmern als um Regionen wie Zwickau oder die Lausitz".

Guter Hoffnung ist man in der SPD auch, dass die familienpolitischen Vorstellungen von Lafontaines Ehefrau Christa Müller, die der Gemahl und Parteichef jüngst ausdrücklich unterstützte, zum Aufstand der linken Frauen im Osten führt.

Nun gibt es in der neuen Linken tatsächlich Konfliktlinien rund um Lafontaine. Die Machttektonik der Partei verschiebt sich gerade gewaltig, entsprechend knirscht es. Bis zur letzten Bundestagswahl spielte die Bundesebene in der PDS kaum eine Rolle. Im Karl-Liebknecht-Haus residierte nur der sanft moderierende Lothar Bisky, im Bundestag saßen lediglich zwei direkt gewählte Abgeordnete.

Das Kraftzentrum der Partei war die Konferenz der Fraktionsvorsitzenden aus den sechs Ost-Landtagen. Dort sind die Linken stark vertreten, in Brandenburg stellen sie sogar jeden dritten Abgeordneten - entsprechend selbstbewusst sind die Fraktions- und Landeschefs. Und entsprechend schwer tun sie sich nun mit ihrem Bedeutungsverlust, der maßgeblich an Lafontaine liegt. Jetzt gibt es eine starke Bundestagsfraktion, mit dem Saarländer an der Spitze. Und im Karl-Liebknecht-Haus sitzt neben Bisky auf einmal ein machtbewusster Ko-Vorsitzender: Oskar Lafontaine.

Hinzu kommen inhaltliche Differenzen. Die Ost-Fraktionschefs vertreten eine Volkspartei mit 179 Bürgermeistern. Fast 6000 Mandatsträger stellen die Linken im Osten, denen ist schon qua Amt Oppositionsrhetorik à la Lafontaine fremd. Nicht nur Sachsen-Anhalts Fraktionschef Wulf Gallert findet, dass "Globalisierung ein nicht umkehrbarer Prozess" sei und in der Wirtschaftspolitik "traditionelle Konzepte, die sich in einem engen nationalstaatlichen Rahmen bewegen", nicht mehr funktionierten.

Eigenartige Disziplin

Auch Haushaltskonsolidierung, Schuldenabbau und Privatisierung sind für Gallert keine Fremdwörter. Das klingt wie eine Kampfansage an Lafontaine und die Seinen. Maurer, Lafontaines parlamentarischer Geschäftsführer in der Bundestagsfraktion, hat den Abgeordneten jüngst vorgeworfen, in Ausschüssen und Gremien zu viel Regierung zu spielen. Die Fraktion müsse stattdessen eine "Agitationstruppe" sein und sich auf wenige klar verständliche Forderungen konzentrieren.

Normalerweise müsste ein derart grundlegender Konflikt zu verlustreichen Grabenkriegen führen. Doch die Hoffnung der SPD auf eine Demontage Lafontaines dürfte trotzdem ein Wunschtraum bleiben. Zum einen funktioniert die Linken-Troika fast reibungslos. Gregor Gysi und Bisky haben über 2009 hinaus keine großen Ambitionen mehr - Lafontaine kommt ihnen mit seinem Machtanspruch deshalb nicht in die Quere. Und so federn die beiden zum Wohle der Partei die meisten Konflikte ab. Bisher ist noch keine Intrige innerhalb der Troika überliefert.

Außerdem sind die Linken auf eine eigenartige Weise diszipliniert und pragmatisch - Ausfluss ihrer SED-Vergangenheit einerseits und der Gewerkschaftsherkunft andererseits. Die Linken können sich zermürbend streiten, wenn es zum Schwur kommt, stimmen sie dann aber doch für den gemeinsamen Erfolg. Auf dem Gründungsparteitag wurde Lafontaine allen Konflikten zum Trotz mit fast 90 Prozent der Stimmen gewählt.

Außerdem ist nichts erfolgreicher als der Erfolg. Seit Lafontaine zu den Sozialisten gestoßen ist, ziehen diese von einem Triumph zum nächsten. Solange die Serie nicht reißt - angesichts der Umfragen aus Hessen und Hamburg deutet nichts darauf hin - werden die Linken Lafontaine nicht demontieren. Und so wird die SPD ihren ehemaligen Genossen wohl einstweilen allein bekämpfen müssen.

© SZ vom 10.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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