Kurz vor der Landtagswahl:Malu Dreyer fehlt - und Julia Klöckner weiß das zu nutzen

Im Fernsehduell bringen sich die Kandidaten für die Landtagswahl am Sonntag in Rheinland-Pfalz in Stellung - erstmals ist auch die AfD dabei. Eine Einzelkritik.

Von Gianna Niewel

1 / 5

Julia Klöckner, CDU

Landtag Rheinland-Pfalz - Mainzer Rathaus

Quelle: dpa

Bester Moment

Für Julia Klöckner ist es der zweite Versuch, Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz zu werden. Als Innenminister Lewentz (SPD) über den Flughafen Hahn spricht - man sei in Verhandlungen mit Investoren aus dem asiatischen Raum -, kann sie mit dieser Erfahrung trumpfen: Vor fünf Jahren habe sie dem damaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck gegenübergestanden, bei einer Fernsehdebatte kurz vor der vergangenen Landtagswahl. Auch der habe damals beteuert, dass der Nürburgring den Steuerzahler "keinen Euro kosten würde". Am Ende verschlang das Großprojekt in der Eifel mehrere Hundert Millionen Euro.

Schwächster Moment

Elf Mal habe sie die Kanzlerin in den vergangenen Wochen nach Rheinland-Pfalz geladen und genau so oft sei die gekommen; am Freitag wird Angela Merkel in Trier erwartet. Die Frage, die dieser Antwort vorausging, war allerdings, wie Klöckner einen anderen Schützenhelfer erklärt: Horst Seehofer, einen der stärksten Kritiker der Kanzlerin. Klöckner spricht gern davon, dass sie "die Enden zusammenhalte". SPD und Grüne werfen ihr Populismus vor, sie falle der Kanzlerin in den Rücken. Klöckner ist bemüht, diesen Eindruck zu vermeiden, sie windet sich aus einer Stellungnahme.

Bestes Zitat

"Er ist ja net der Landrat, er ist der Infrastrukturminister."

Julia Klöckner zu der Aussage von Lewentz, er würde sich "vehement" für eine Mittelrheinbrücke einsetzen.

Muss im Wahlkampfendspurt ...

... einen klaren Kurs halten. Denn richtig ist, Klöckner hat in der Flüchtlingskrise Instinkt bewiesen; sie hat früh erkannt, dass eine Lösung weder schnell noch leicht würde. Schon im Januar 2015 etwa berief sie den ersten "Flüchtlingsgipfel" mit Politikern aus den einzelnen Kommunen ein, drei weitere sollten folgen. Dreyer schaute zu. Auch in dem Hin und Her um ein mögliches Fernsehduell mit Vertretern der AfD war sie es, die am Ende souverän dastand. Richtig aber ist auch, dass der Instinkt die 43-Jährige in den vergangenen Wochen verlassen zu haben scheint, zuletzt, als sie gemeinsam mit dem baden-württembergischen Spitzenkandidaten Guido Wolf eine Erklärung wider den Kurs der Kanzlerin öffentlich machte. Die Umfragewerte der CDU sanken.

2 / 5

Roger Lewentz, SPD

NPD Verbotsverfahren

Quelle: dpa

Bester Moment

Es geht um das Thema innere Sicherheit, Roger Lewentz ist Innenminister, dazu sollte er etwas zu sagen haben. Hat er auch. Er habe bei der Polizei die "höchsten Einstellungsraten" durchgesetzt, "die das Land je hatte". Das Publikum klatscht. Dennoch muss er sich die Frage gefallen lassen, wieso die Beamten in Rheinland-Pfalz 1,7 Millionen Überstunden angesammelt haben. Im Vergleich zu anderen Bundesländern habe er "sehr früh reagiert", wehrt sich Lewentz. Mit 1,6 Millionen Euro habe er im vergangenen Jahr die Spezialeinsatzkräfte unterstützt, 1,5 Millionen im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise ausgegeben, "wir tun da enorm viel". Lewentz weiß, dass "enorm viel" gerade nicht genug ist, dass die Beamten überlastet sind, und man glaubt ihm, dass er es ändern will - unabhängig davon, dass es sein Job ist.

Schwächster Moment

Für den schwächsten Moment kann Roger Lewentz nichts. Dass Malu Dreyer nicht kam, kritisierten sogar Sozialdemokraten, unter dem Hashtag #malukneift spotteten am Donnerstagabend die Nutzer auf Twitter. Für die SPD könnte sich die Absage der Ministerpräsidentin doppelt negativ auswirken: Zum einen, weil Lewentz verglichen mit der Sympathieträgerin Dreyer hölzern wirkte. Zum anderen, weil der Abend bewiesen hat, dass die AfD mit guten Argumenten leicht zu handhaben ist.

Bestes Zitat

"Ich bin als Landesvorsitzender hier und das ist in Ordnung."

Innenminister Roger Lewentz vertrat Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Die wollte der AfD "kein Forum" geben und sagte ihre Teilnahme deshalb ab.

Muss im Wahlkampfendspurt ...

Nun, auf Lewentz kommt es nicht in erster Linie an. Sondern auf die Amtsinhaberin Malu Dreyer. Ihre SPD hat in den Umfragen der vergangenen Wochen aufgeholt, im ZDF-Politbarometer liegen die Genossen sogar erstmals vor der CDU. Doch mit ihrem Fehlen Donnerstagabend bereitete sie Klöckner die Bühne. Und die wusste ihren Auftritt zu nutzen.

3 / 5

Eveline Lemke, Die Grünen

Die rheinland pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke am 20 06 2015 beim Landesparteitag von

Quelle: imago/Thomas Frey

Bester Moment

Spitzenkandidatin Eveline Lemke ist in der Defensive, die Grünen liegen in den Umfragen bei nur sieben Prozent. Ihr bleibt? Die Offensive. Und so war Lemke die Erste, die Uwe Junge von der AfD direkt ansprach. Sie wollte wissen, wer die massive Wahlwerbung der Partei in Baden-Württemberg finanziert hat. Laut Bild soll es sich um zwei Millionen Gratiszeitungen und Hunderte Großplakate handeln, Schätzwert: 320 000 Euro. Die Unterstützer sollen Millionäre sein. Lemkes Meinung ist klar, sie spricht von "illegaler Parteienfinanzierung".

Schwächster Moment

Lemke ist Grüne und sie ist Wirtschaftsministerin. Dass das nicht immer leicht zu vereinbaren ist, zeigt etwa das Ringen um eine Mittelrheinbrücke bei St. Goarshausen. Viele Bürger kämpfen für die Rheinüberquerung, weil sie das Pendeln erleichtert. Doch das Flusstal ist Unesco-Weltkulturerbe. Lemkes Alternative: Sie will unter anderem den Fährbetrieb auf 24 Stunden ausweiten. Auch das Thema Straßenbau ist heikel. Ein Gutachten des Landesrechnungshofs sagt: Die Hälfte der Straßen in schlechtem Zustand. Die grüne Ministerin setzt auf Erhalt statt auf Neubau von Landstraßen und erweiterten Autobahnen. Das Studiopublikum bleibt verhalten.

Bestes Zitat

"Den Schafspelz sollte man ausziehen und den Wolf rauslassen."

Eveline Lemke zu der Frage, ob man mit der AfD reden solle.

Muss im Wahlkampfendspurt ...

... Präsenz zeigen. Im Vergleich zur vergangenen Wahl - 2011 kamen die Grünen auf 15 Prozent - sind sie in den Umfragen deutlich abgerutscht. Die Grünen haben die Flüchtlingskrise als politische Herausforderung lange unterschätzt, gemeinsam mit der SPD haben sie Klöckners "Flüchtlingsgipfel" mit den Kommunen abmoderiert. Und mit den klassisch grünen Themen konnten sie nicht punkten.

4 / 5

Volker Wissing, FDP

Volker Wissing

Quelle: Fredrik von Erichsen/dpa

Bester Moment

Klares Ziel, sicher in den Zahlen: Volker Wissing war am Donnerstagabend analytisch, ohne spröde zu wirken. Er plädierte beim Thema Flüchtlinge für einen "streng rechtsstaatlichen Kurs", es dürfe nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. Abgelehnte Asylbewerber müssten konsequenter als bislang abgeschoben werden. Auch Uwe Junge und die AfD ging Wissing unbeirrt an: "Es war nicht so gemeint, es ist nicht so gedacht, da sind wir mit der Maus abgerutscht - das ist kein Klartext."

Schwächster Moment

Jeder Kandidat hat 30 Sekunden, um zu antworten, es geht um das Thema Bildung. Wissing zitiert den Soziologen Ralf Dahrendorf und sein "Bildung ist Bürgerrecht", dann geht er auf die entscheidenden Lernjahre im Leben eines Menschen ein, er verspricht "die beste frühkindliche Bildung". Dann endlich: "gebührenfrei". Wissing weiß den gesamten Abend lang, worauf er hinauswill. Doch der Weg dahin ist manchmal unnötig umständlich.

Bestes Zitat

"Ich finde das nicht normal."

Volker Wissing zu den 1,7 Millionen Überstunden der Polizei, während das Land gleichzeitig die höchsten Steuereinnahmen in seiner Geschichte verzeichne.

Muss im Wahlkampfendspurt ...

... sichtbar werden. Denn die Plakate der FDP mögen zwar in Cyangelb und Magenta strahlen, der Kandidat hingegen blieb lange farblos. Der Abend zeigt: zu Unrecht.

Derzeit würde die FDP wieder in den Mainzer Landtag einziehen, allerdings nur knapp. In Umfragen kommt die Partei auf sechs Prozent.

5 / 5

Uwe Junge, AfD

Uwe Junge

Quelle: dpa

Bester Moment

Junge ist geübt darin, die AfD zu verteidigen.

Schwächster Moment

Als er die AfD verteidigt. Da bestreitet er, leugnet, spielt herunter.

"Wir kennen die Geldgeber nicht, als Offizier können Sie mir das glauben", sagt der Oberstleutnant auf die Frage, wer die Zeitschriften und die Großplakate der AfD in Baden-Württemberg bezahlt hat. Das Publikum lacht. Im Wahlprogramm der rheinland-pfälzischen AfD steht nichts von Kita-Gebühren, die Moderatorin merkt an, Junge habe auf Nachfrage von "gestaffelten Gebühren" gesprochen. Er sagt: "Als wir das Wahlprogramm aufgesetzt haben, war das noch nicht wirklich ausgearbeitet."

Dann: das Interview mit der Parteivorsitzenden Frauke Petry? "Natürlich ging es nicht darum, auf unschuldige Menschen zu schießen", sagt Junge. Dass sich nun die Kirchen gegen die AfD wenden, "wundert uns auch". Habe seine AfD doch ein "bürgerlich-konservatives Programm", "völlig ideologiefrei". Und tatsächlich ist das, was auf dem Papier steht, vergleichsweise gemäßigt. Die Listenplätze allerdings sprechen eine andere Sprache: Hier steht ein Lehrer, der im Januar 2015 im Interview mit einer Lokalzeitung sagte: "Ich unterstütze Pegida." Dann ein Mann, der Mitglied in einer sehr rechten Burschenschaft ist. Eine Ärztin, die in einer Pressemitteilung vor der Infektionsgefahr durch Flüchtlinge warnte. Und das sind nur einige Beispiele.

Bestes Zitat

"Zunächst einmal ist das eine Wahlkampfrede."

Uwe Junge beschwor in einer Rede Angela Merkels Scheitern "mit all ihren vaterlandslosen Brandstiftern aus der SPD und dem widerwärtigen Umfeld der pädophilen Grünen". Nun versucht er, den Ton zu rechtfertigen.

Muss im Wahlkampfendspurt ...

... aufpassen, dass ihn nicht die ganz Rechten dechiffrieren. Vor einigen Tagen erhielt die AfD Schützenhilfe von der NPD. Die rechtsextreme Partei stellte Plakate vor, die Wähler dazu aufruft, ihre Erststimme der AfD zu schenken. Die Flüchtlingskrise, sagte der NPD-Bundesvorsitzende Franz Frank, habe gezeigt, dass "die Parteien, die grundsätzlich in eine ähnliche Richtung wollen, auch an einem Strang ziehen sollten". Die AfD wies das Angebot zurück, der rheinland-pfälzische Landesverband will juristisch vorgehen. Einerseits. Andererseits sagte die stellvertretende NPD-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz, Ricarda Riefling, dem SWR, viele AfD-Mitglieder hätten bereits in den vergangenen Wochen der NPD im Wahlkampf geholfen, etwa beim Aufhängen der Wahlplakate oder beim Verteilen von Flugblättern.

© sz.de/ghe/ewid/holz
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: