Kunst:Heidenaus Miteinander

Kunst: Mobiles Mahnmal aus eineinhalb Tonnen Stahl. Bis Dezember bleibt es in Heidenau, dann könnte es auf die Reise in eine andere Stadt gehen.

Mobiles Mahnmal aus eineinhalb Tonnen Stahl. Bis Dezember bleibt es in Heidenau, dann könnte es auf die Reise in eine andere Stadt gehen.

(Foto: Anja Hesse-Grunert/oh)

Rechte Randale haben den Ort in Verruf gebracht. Ein Wort aus Stahl soll zur Versöhnung beitragen.

Von Cornelius Pollmer, Heidenau

Am Montagnachmittag, kurz vor halb fünf, geht in Heidenau das Miteinander verloren. Das "R" ist gefallen, mit lautem Klonk. Auf dem "E" daneben spielt ein Junge nun Superman, er hat sich waagerecht auf den Mittelbalken gelegt. Ein anderer erkundet ausdauernd die Angebote des "A" weiter links. Von der Seite kann man sich an dieses "A" sehr gut schräg anlehnen. Darunter durchkrabbeln? Geht auch.

Gleich, zur Eröffnung dieses Kunstprojekts, soll das R wieder aufgerichtet werden. Zu sehen ist dann, auf dem Platz der Freiheit, ein 1,5 Tonnen schwerer Wunsch: MITEINANDER. 2,27 Meter hoch, 15 Meter lang, Stahl, auf Bodenplatten verschweißt. Warum? Und wozu? Die erste Frage führt zurück in den August, als das sächsische Heidenau zum Symbol wurde, zur Chiffre für eine neue Eskalationsstufe des Protests gegen die Unterbringung geflüchteter Menschen. Vor dem ehemaligen Praktiker-Baumarkt gab es zwei Nächte lang Ausschreitungen, die öffentliche Ordnung erlitt eine Niederlage nach Lehrbuch: zu wenig und überforderte Polizei, Randale wie im Rausch. Als der Qualm verweht war, reiste Vizekanzler Sigmar Gabriel nach Heidenau, danach auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ihre Besuche waren geprägt von einer gewissen Ratlosigkeit. Wenn es in diesen Tagen der hellen Aufregung doch einen Halt gab, dann in der Ruhe und Sachlichkeit, mit der Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz sich den vielen und oft gleichen Fragen von Journalisten stellte.

Wozu nun dieses Projekt? Opitz steht neben dem "R", man hat ihm ein Mikro gereicht, damit er den stählernen Buchstaben ein paar gesprochene hinzufügt, zum Zwecke der Erläuterung. Er habe den Eindruck, sagt Opitz, dass "seit ein paar Wochen ein tiefer Riss durch unsere Stadt geht". Das Wort aus Stahl solle "Diskussionen anregen", sagt Opitz, die Sprachlosigkeit überwinden und ein Miteinander im übertragenen Sinne wieder ermöglichen.

Zusammengeschweißt hat die Buchstaben der Künstler Hüseyin Arda. Er wirkt wie ausgedacht, so gut passt es, dass er genau an diesen Ort nun seine Kunst gebracht hat. Arda nutzt ein Netzwerk freier Ateliers in Berlin, Istanbul - und Dorfhain, einem Idyll in der Sächsischen Schweiz. Wenn Arda in der Türkei von seinem Atelier am Wald erzählt und vom Rauschen der Roten Weißeritz, dann muss er sich nicht groß mit der Lagebeschreibung aufhalten: "Dresden kennen dort die meisten, wegen Pegida, bei Heidenau ist das nicht ganz so", sagt Arda.

Das "Miteinander" in Heidenau soll ein Wanderwort sein, mindestens bis Dezember wird es in Heidenau an zentraler Stelle bleiben, danach kann es je nach Anfragen in andere Orte gebracht werden. Bald will Arda noch "Frieden" bringen, und zwar nach Freital. Für ihn sind die Buchstaben nicht nur Kunst, sie sind auch "ein Tag, ein 3-dimensionales Graffiti". Die Leute sollen es bemalen, Sachen draufschreiben, draufsprühen. "Deswegen mag ich Stahl. Man merkt, dass er weiterlebt", sagt Arda.

Weiterleben, darum geht es im Grunde ja auch Jürgen Opitz, dem Bürgermeister. Als die Medien seinen Ort wieder freigegeben hatten, begann er, Gesprächsrunden zu bilden. Die Menschen sollten nicht mehr auf der Straße schreien, sondern an Tischen diskutieren - nicht nur mit Einverständigen. Zur Präsentation des "Miteinander" ist allerdings der übliche Kreis an Wohlmeinenden zusammengekommen. Nur ganz am Rand stehen zwei grimmige Typen, die aber damit ausgelastet sind, möglichst hart auszusehen.

Zwei Jungs, ein Schüler und ein Azubi, geben dem "Miteinander" dennoch nicht viel Zeit. "Eine Woche, maximal, dann räumen die das hier ab", sagt der eine. "Und hier gibt es viele von denen", sagt der andere. Sie meinen die Rechten, die dem Kunstwerk bei Nacht wohl bald einen Besuch abstatten würden. Die beiden Jungs würden das selbst nie tun, aber der Gedanke scheint sie auch nicht zu stören, dass andere das "Miteinander" besudeln könnten. "So ein Ding bringt gar nichts", sagt der eine. Und der andere: "Unser Ruf ist doch eh' im Arsch."

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