Kundus-Untersuchungsausschuss:Der aufgeräumte Auftritt der Kanzlerin

Angela Merkel weist im Kundus-Untersuchungsausschuss alle Vorwürfe zurück. Die Kanzlerin zeigt sich einig mit Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier - und kritisiert den Guttenberg-Vorgänger Franz Josef Jung.

Peter Blechschmidt

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat alle Verdächtigungen zurückgewiesen, die Bundesregierung habe im Zusammenhang mit dem Luftschlag von Kundus Sachverhalte vertuschen wollen. Vielmehr habe sie von Beginn an auf eine umfassende Aufklärung gedrungen, sagte Merkel am Donnerstag als Zeugin vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Auch habe sie den damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) schon einen Tag nach dem Bombenangriff gemahnt, "die Möglichkeit ziviler Opfer nicht weiter auszuschließen".

Kundus-Untersuchungsausschuss

Bundeskanzlerin Angela Merkel im Kundus-Untersuchungsausschuss: Einigkeit mit Steinmeier, Kritik an Jung.

(Foto: dapd)

Merkel war die wohl letzte Zeugin in dem Ausschuss, der seit mehr als einem Jahr die Bombardierung von zwei von Taliban entführten Tanklastern am 4. September 2009 und ihre politischen Folgen untersucht. Bei dem vom deutschen Oberst Georg Klein angeordneten Luftschlag waren mehr als 100 Menschen getötet oder verletzt worden.

Daten, Uhrzeiten, Namen

In den anschließenden Wirren verlor Jung, der mit Bildung der schwarz-gelben Regierung Arbeitsminister wurde, sein Ministeramt. Verteidigungs-Staatssekretär Peter Wichert und Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan wurden von Jungs Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wegen angeblich unzureichender Information des Ministers entlassen.

Merkel präsentierte sich dem Ausschuss in aufgeräumter Stimmung. In einer 45-minütigen Erklärung zeichnete sie detailliert mit Angabe von Daten, Uhrzeiten und Namen ihrer Gesprächspartner ihre Aktivitäten im Gefolge des Luftschlags nach. Dabei machte sie klar, dass sie die Frage möglicher ziviler Opfer sehr früh anders eingeschätzt habe als Jung. Dieser hatte am Samstag in einem Interview mit Bild am Sonntag erklärt, dass "nach vorliegenden Informationen" bei dem Luftschlag nur terroristische Taliban getötet worden seien.

Merkel sagte, sie habe Jung am Sonntag darauf hingewiesen, dass er nach ihrer Meinung in dem Interview nicht den ganzen Sachstand dargelegt habe. Danach habe Jung eine "offenere Darstellung" gegeben.

Einvernehmen mit Steinmeier

Die Kanzlerin sagte, ihr sei schon am Morgen des 4. September klar gewesen, dass die Frage ziviler Opfer eine große Rolle spielen würde. Auf Fragen der SPD nach dem Grund für die unterschiedliche Sicht sagte Merkel, Jung habe offenbar Informationsquellen anders bewertet als sie. Seinen Rücktritt im Oktober habe er mit der unzureichenden Informationspolitik des Verteidigungsministeriums nach dem Luftschlag begründet. Die Entscheidung habe sie akzeptiert.

Einvernehmen bestand laut Merkel mit dem damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Der heutige Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion hatte vor Merkel als Zeuge ausgesagt. Er erklärte, auch ihm sei die Bedeutung des Luftschlags von Anfang an klar gewesen. Er betonte, schon am 4.September nachmittags darauf hingewiesen zu haben, dass man nichts über mögliche zivile Opfer wisse. Dies habe jedoch nicht daran gelegen, dass er gesicherte Informationen gehabt habe, sondern dass die Informationslage "diffus und teilweise widersprüchlich" gewesen sei. Angesichts dessen habe ihm seine Erfahrung gesagt, dass man mit Äußerungen zu möglichen Opfern vorsichtig sein müsse.

Unterstützung für Guttenberg

Merkel sagte, sie habe keine Veranlassung, den damaligen Außenminister zu kritisieren. Er habe die Tragweite des Geschehens erkannt, dies aber nicht im anlaufenden Bundestagswahlkampf gegen die CDU genutzt. Den Vorwurf der Opposition, sie habe ihre Zusage einer lückenlosen Aufklärung nicht eingehalten, wies Merkel zurück. Dies sei mit dem Abschlussbericht der Nato- Untersuchungskommission geschehen.

Nachdrücklich stützte die Kanzlerin den jetzigen Verteidigungsminister Guttenberg. Dessen Entschluss, im November seine ursprüngliche Bewertung des Luftschlags zu korrigieren und ihn als militärisch unangemessen zu bezeichnen, habe sie nachvollziehen können. Merkel blieb auch dabei, dass sie keine Einwände gegen die Entlassung von Wichert und Schneiderhan hätte durch Guttenberg erheben können. Dies habe in seinem Entscheidungsspielraum gelegen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: