Kundus-Affäre:Strafbar ist nur der Vorsatz

Oberst Klein, der Offizier, der den Bombenangriff von Kundus befohlen hat, muss wohl kaum mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Die Schuldfrage ist politisch.

Heribert Prantl

In Berlin steigt der Druck auf Verteidigungsminister Guttenberg. In Karlsruhe schwindet derweil der Druck auf Oberst Klein - genauer gesagt: Der Druck auf Klein ist praktisch nicht mehr vorhanden.

Es wird zwar noch gegen ihn ermittelt. Aber das Ergebnis der Ermittlungen steht praktisch schon fest: Dem Oberst und seinem Fliegerleitoffizier kann strafrechtlich kein Vorwurf gemacht werden - um es genau zu sagen: völkerstrafrechtlich. Denn nur das Völkerstrafrecht, nicht das allgemeine Strafrecht, kann nach Ansicht der Bundesanwaltschaft zur Anwendung kommen. Und das Völkerstrafrecht behandelt Täter großzügiger als das allgemeine Strafrecht.

Der Druck in Berlin ist ein politischer Druck; der Verteidigungsminister hat nämlich versucht, seine furchtbare Fehleinschätzung des furchtbaren Bombenangriffs von Kundus anderen in die Schuhe zu schieben. Oberst Klein ist derjenige, der diesen Angriff befohlen hat.

Während in Berlin noch über diese politische Schuld des Verteidigungsministers gestritten wird, ist über die juristische Schuld von Oberst Klein praktisch schon entschieden. Gegen den Oberst und seinen Fliegerleitoffizier wird zwar von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe noch ermittelt. Aber die Erklärung der Bundesanwaltschaft, dass sie wegen Paragraph 11 Völkerstrafgesetzbuch ermittelt, ist fast gleichbedeutend mit dem Spruch: "Die Soldaten trifft keine strafrechtliche Schuld."

Zur Anwendung kommt, nach ausdrücklicher und zutreffender Erklärung der Bundesanwaltschaft, das Völkerstrafgesetzbuch von 2002, und aus dieser Erklärung ergibt sich praktisch schon die Einstellung des Verfahrens.

Die einschlägigen Vorschriften im Völkerstrafgesetzbuch klingen zwar martialisch. Aber im Gegensatz zum allgemeinen Strafrecht wird nach dem Völkerstrafgsetzbuch nur der Täter bestraft, der vorsätzlich handelt. Fahrlässige Tötung wird nicht bestraft.

In Absatz 1 Ziffer 1 des Paragraphen 11 Völkerstrafgesetzbuch wird bestraft, wer "mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen die Zivilbevölkerung als solche" richtet. Dem Täter muss diesbezüglich direkter Vorsatz nachgewiesen werden. Nach den einschlägigen Kommentierungen liegt ein solcher Vorsatz nicht vor, wenn der Täter mit militärischen Mitteln gegen Personen vorgeht, von denen er nicht weiß, ob es sich um gegnerische Soldaten oder um Zivilpersonen handelt.

Vorsatz und Fahrlässigkeit

In Absatz 1 Ziffer 3 des Paragraphen 11 Völkerstrafgesetzbuch wird bestraft, "wer mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen . . . in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten . . . militärischen Vorteil steht": Der Täter muss also ein Ziel angreifen und dabei "als sicher erwarten", dass er unverhältnismäßige Kollateralschäden herbeiführt. Dieser direkte Vorsatz wird kaum nachzuweisen sein.

Die Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit im Völkerstrafrecht ist auch in den internationalen Tribunalen in Den Haag und Arusha noch umstritten. Eine einheitliche Position hat sich noch nicht herausgebildet.

Die Bundesanwaltschaft wird auch die Tötung von Zivilpersonen durch deutsche Soldaten an den Checkpoints in Afghanistan nach dem Völkerstrafgesetzbuch behandeln. Auch hier wird das Verfahren wohl eingestellt werden - weil vorsätzliche Tötung nicht nachweisbar und fahrlässige Tötung nicht strafbar ist.

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