Kulturelle Aneignung:Copyright auf Barfußgehen

Die Massai wehren sich gegen die Ausbeutung ihrer Kultur.

Von Bernd Dörries

Vor etwa zwanzig Jahren war der Moment gekommen, an dem Isaac ole Tialolo genug hatte von den Fotos, die Touristen von ihm und anderen Massai machten. Er nahm die Kamera eines Besuchers und warf sie auf den Boden. Es war der Beginn eines langen Kampfes, in dem es darum geht, wem die Kultur der Massai eigentlich gehört. Ein Foto raubt auch einen Teil des Blutes, glauben manche Angehörige der afrikanischen Volksgruppe. "Wir werden von Menschen ausgebeutet, die hierher kommen, Bilder machen und profitieren", sagt Isaac ole Tialolo. Als ob die Massai lebende Sehenswürdigkeiten wären.

Wohl kein anderes afrikanisches Volk wurde so oft fotografiert wie die Massai, eine Ethnie von etwa zwei Millionen Menschen, die in Kenia und Tansania leben. Es sind meist schöne Bilder, mit schönen Menschen, die ihren traditionellen Schmuck tragen und ihre karierten Stoffe um den Körper.

Es ist ein Bild von Afrika, das man in Europa und Amerika sehr gerne mag, das sich gut vermarkten lässt.

Mehr als 1000 Firmen weltweit nutzen etwa den Namen der Massai oder ihre Symbole und Kleidung, um eigene Produkte zu vermarkten. Vom Land Rover "Massai" über Bettwäsche von Calvin Klein bis zu Badetüchern von Louis Vuitton. In New Yorker Luxuskaufhäusern gibt es Massai-Badeanzüge für 400 Dollar. Die Konzerne machen Millionengewinne, die Massai sehen davon nichts, etwa 80 Prozent von ihnen leben unter der Armutsgrenze.

Isaac ole Tialolo will das nun ändern und hat zusammen mit anderen Massai Rechtsanwälte engagiert, die Firmen auf Tantiemen verklagen sollen. "Die Massai sind womöglich die größte Kulturmarke der Welt", sagt Ron Layton von Light Years, einer Firma, die bereits äthiopische Kaffeebauern im Kampf um Markenrechte gegen Starbucks verteidigte und den Massai dabei half, eine Treuhandorganisation zu gründen, die ihre Markenrechte verteidigen soll. Der britische Textilhändler Koy Clothing hat bereits zugesagt, fünf Prozent der Erlöse seiner Kollektion an die Massai zu überweisen. Nächstes Ziel ist der Schuhhersteller Masai Bare- foot Technology, der in seiner Werbung davon spricht, bei der Entwicklung der Produkte "das wunderbar agile Volk der Massai beim Barfußgehen" beobachtet zu haben.

Es ist ein Prinzip der Mode, aus verschiedenen Quellen etwas Neues zu schaffen. Es ist aber auch ein schmaler Grat zwischen einer breit gestreuten Inspiration und der Aneignung einer Kultur durch die wirtschaftlich Stärkeren. In den sozialen Netzwerken gibt es dann regelmäßig Empörung - so 2017, als der Wäschehersteller Victoria's Secret seine Models mit dem Perlenschmuck der Massai auf den Laufsteg schickte. Faktisch änderte sich aber wenig.

Der Kampf der Massai ist der bisher umfangreichste Versuch, eine Kultur in Afrika an der Vermarktung ihrer Symbole zu beteiligen. Auf mehrere Hundert Millionen Dollar schätzt Ron Layton den Markt der Produkte weltweit, bei einer Tantieme käme für die Ethnie in Ostafrika eine ordentliche Summe zusammen. Die Massai würden sich darüber freuen, sagt Isaac ole Tialolo. Ihm gehe es aber vor allem um Respekt.

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