Kultur virtuell:Bilder einer Ausstellung

Immer mehr bedeutende Sammlungen sind im Internet zu sehen - jetzt auch die des Deutschen Museums in München.

Von Johan Schloemann

In vielen Museen für Naturkunde oder Technik gibt es eine Mitmach-Abteilung für Kinder. Wer ungefähr so viel Stille und Kontemplation wie auf dem Rollfeld eines Großflughafens sucht, ist dort richtig aufgehoben. In München heißt diese Spiel-Etage "Kinderreich". Schon so manche Eltern werden sich, während die Kleinen einen Höllenspaß hatten, den Auszug aus diesem Reich gewünscht haben. Oder sonst, dass sich all die anderen lauten Kinder mit einer dieser großartigen Erfindungen, die in dem Museum gezeigt werden, wegbeamen oder stummschalten ließen.

Ist die Digitalisierung vielleicht die Rettung? Das Deutsche Museum, das größte Technik- und Naturwissenschaftsmuseum der Welt, hat gerade seine virtuelle Sammlung freigeschaltet. Man kann sich da von der Renaissance-Sonnenuhr über den ersten Wäschetrockner von Miele aus dem Jahr 1958 bis zur allerneuesten Computertechnik durchklicken.

Parallel zur Generalsanierung des großen Tankers auf der Münchner Museumsinsel bis zum Jahr 2025, einem Kraftakt für sich, werden immer mehr der mindestens 100 000 Objekte sowie einer Million Bücher in das Datenbank-Portal aufgenommen. Geholfen hat dabei das riesige Scan-Programm des "Google Cultural Institute", mit dem inzwischen mehr als Tausend Museen weltweit kooperieren. Zusätzlich zu den eher konventionellen Exponat-Katalogen im Netz sorgt Google für virtuelle Ausstellungsrundgänge und extrem hochaufgelöste Bilder. Das Deutsche Museum bietet auch ein paar Lern-Spiele und Filme für Kinder online an und eifert damit moderneren Häusern nach.

"Das Museum ist das letzte Massenmedium, das noch nicht ins Haus liefert", hat der Kunsthistoriker Walter Grasskamp neulich gesagt. Das ändert sich jetzt. Wer aber hofft, im Museum könnte es fortan ruhiger zugehen, weil alle es nur im Netz betrachten, täuscht sich. Bisher zeichnet sich nicht ab, dass die zum Teil fantastischen Internet-Ausstellungen die Besucherzahlen schrumpfen ließen. Das digitalisierte Museum wird für Recherche und Unterricht, für Vor- und Nachbereitung von Ausstellungsbesuchen genutzt; die Atmosphäre des Originals, zu der auch der Parkettboden, der Museumsladen und das Café gehören, verliert dadurch noch nicht ihren Reiz. Auch der Kontrast zwischen Sammlungen, in denen es ohnehin schon recht still ist, und überlaufenen Sonderausstellungen oder touristischen Publikumsmagneten verschwindet nicht durch die Online-Präsenz der Museen.

Das Metropolitan Museum in New York hatte zuletzt 6,5 Millionen Besucher im Jahr, aber auch 2,25 Millionen Twitter-Follower sowie 20 Millionen Besucher seiner "Heilbrunn Timeline of Art History", einer reich bestückten Online-Geschichte der Weltkunst nur aus eigenen Exponaten. Die Museen müssen heute Erlebnishunger und Wissensdurst gleichermaßen bedienen, Original und Reproduktion mit derselben Fürsorge behandeln. Für viele Häuser ist das eine gewaltige Anstrengung, aber ihnen bleibt gar keine Wahl, wenn sie das Publikum der Zukunft erreichen wollen. Und wem die ganze Erlebniswelt zu laut wird, der muss nächstes Mal eben einen schallschluckenden Kopfhörer mitnehmen.

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