Kubicki-Kritik an Parteichef Rösler:Putschisten mit Hemmungen

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Unbeliebter als Westerwelle, unter Feuer aus den eigenen Reihen: Der Druck auf Philipp Rösler an der Spitze der FDP wächst. Wolfgang Kubicki und Christian Lindner könnten die Partei noch vor der Bundestagswahl erneuern - doch noch zögern sie, den unbeliebten Vorsitzenden zu stürzen.

Sebastian Gierke

Es gibt sie noch, die guten Nachrichten für Philipp Rösler. Die niedersächsische FDP hat ihn offenbar noch nicht ganz abgeschrieben, versucht zumindest, den Parteichef durchzuschleppen. Sie will - nach heutigem Stand - mit dem aus Niedersachsen stammenden Rösler als Spitzenkandidat bei den Bundestagswahlen 2013 antreten und plant mehrere Auftritte des Bundesvorsitzenden im bevorstehenden Landtagswahlkampf. Wolfgang Kubicki dagegen ist raus. Nach seiner Kritik an Rösler soll der schleswig-holsteinische FDP-Vorsitzende im Wahlkampf keine Rolle spielen, berichtet die Rheinische Post unter Berufung auf Parteikreise.

FDP-Politiker Lindner (links) und Kubicki: In den Bundestagswahlkampf ohne Rösler? (Foto: dapd)

Doch vielleicht ist sogar das nur ein perfider Plan, um Rösler auf die Rolle des Sündenbocks vorzubereiten. In Niedersachsen nämlich gibt es keinen Christian Lindner, keinen Wolfgang Kubicki, die mit ihrer Bekanntheit und ihrem wahlkämpferischen Geschick für die nötigen Stimmen sorgen, um die Fünf-Prozent-Marke zu erreichen. Der Spitzenkandidat heißt Stefan Birkner und ihn kennen nur wenige.

Auch deshalb werden am 20. Januar 2013 von 18 Uhr an alle Augen auf Rösler gerichtet sein. Wenn die FDP den Wiedereinzug in den Landtag nicht schaffen sollte, "dann muss was passieren", hat Kubicki gesagt. Momentan liegt die FDP in Hannover in den Umfragen bei vier Prozent.

Etwas mehr als viereinhalb Monate hat die Partei Zeit, sich über die Fünf-Prozent-Hürde zu hieven. Doch selbst wenn das funktioniert, bleibt Rösler Parteichef auf Abruf. Die parteiinternen Kritiker des Vizekanzlers und Bundeswirtschaftsministers kennen kein Pardon mehr. Denn während in der norddeutschen Heimat "Parteikreise" mehr oder weniger tapfer zu Rösler halten, mehren sich die Berichte über andere Landesverbände, die ihre Wahlkämpfe ohne den Chef planen. Weil das im Moment besser ist so.

Unbeliebter als Westerwelle

Das unterstreichen auch aktuelle Umfragen. Zwar hat Schwarz-Gelb in der Wählergunst zugelegt: Im ARD-Deutschlandtrend verbesserte sich die Union um einen Punkt auf 36 Prozent. Und auch die Freien Demokraten steigerten sich von vier auf fünf Prozent. Doch die Arbeit der FDP in der Bundesregierung beurteilen die Wähler extrem schlecht. Nur zwölf Prozent zeigen sich zufrieden.

Und während Kanzlerin Angela Merkel im Vergleich zum Vormonat noch einmal an Zustimmung gewinnt und damit weiter an der Spitze der Beliebtheitsskala rangiert, liegt Philipp Rösler weit abgeschlagen auf dem letzten Platz der Politiker-Rangliste. Besonders bitter: Sogar seinen Vorgänger Guido Westerwelle, den Rösler einst wegen immens schlechter Beliebtheitswerte abgelöst hatte, mögen die Bürger mehr als den glücklosen Rösler.

Zwar stellte sich nach Kubickis spektakulärem Vorstoß die Führungsspitze der FDP öffentlich schützend vor Rösler. Die stellvertretende FDP-Vorsitzende Birgit Homburger hat in der SZ Kubicki scharf kritisiert. Diese ständige Selbstinszenierung schade der FDP. Doch welche Macht hat ein Parteichef, der immer wieder vor den Angriffen seiner Parteikollegen geschützt werden muss?

Schon jetzt werden in der FDP deshalb die Weichen für die Nach-Rösler-Zeit gestellt, eine Zeit, die mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dem Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr kommen wird.

Dann soll gerettet werden, was zu retten ist. Es wird darum gehen, die Partei personell, machtpolitisch und auch inhaltlich neu aufzustellen. Es wird darum gehen, die FDP komplett umzukrempeln. Sie wieder zu mehr als einer belächelten Splitterpartei zu machen. Das wird nicht leicht.

Was das Personal angeht, ist die Auswahl nicht besonders groß. In der FDP gibt es nur noch drei starke Männer - Kubicki, Christian Lindner und Fraktionschef Rainer Brüderle. Kubicki, das hat er jetzt im Stern noch einmal deutlich gemacht, will nach Berlin, will als Spitzenkandidat der Landespartei bei der Bundestagswahl für die FDP antreten, um - wie schon 1990 und 2002 - wieder in den Bundestag zu wechseln. Er gibt sich als Haudrauf, als liberaler Rebell, kann sich das mit dem 8,2-Prozent-Wahlerfolg im eigenen Bundesland im Rücken auch leisten.

Um seine Macht auszubauen, schreckt Kubicki auch vor politischem Meuchelmord nicht zurück - das ist nicht erst seit seinem Interview im Stern klar. Er will keinesfalls bis zur Bundestagswahl warten, um Rösler loszuwerden. Doch weder er noch Lindner haben aktuell Ambitionen auf den Parteivorsitz.

Kandidaten allerdings bringt Kubicki trotzdem ins Spiel: Lindner sei "der geborene Vorsitzende", aber da er vermutlich nicht antrete, kämen auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Rainer Brüderle in Frage. Am wahrscheinlichsten ist es tatsächlich, dass Brüderle übernimmt.

Wer allerdings der Richtige ist, um einen Putsch gegen den Parteichef anzuführen, in dieser Frage ist man sich parteiintern offenbar noch nicht einig. "Kubicki jedenfalls nicht", sagte ein Präsidiumsmitglied der Nachrichtenagentur dapd.

"Wir suchen den Kurs für die Zukunft"

Eine neue machtpolitische Option hat Kubicki auch schon ins Spiel gebracht: die Ampel-Koalition. Dafür erntet er offene Zustimmung. Es müsse "erlaubt sein, auch auf Bundesebene eine Ampelkoalition anzudenken", sagte der sachsen-anhaltische FDP-Vorsitzende Veit Wolpert. Auch Teile der SPD zeigen sich aufgeschlossen.

Christian Lindner allerdings dürfte dieser Vorschlag nicht besonders gefallen. Er setzt sich im Landtag von Nordrhein-Westfalen gerade mit einem Rot-Grünen-Bündnis auseinander. Auf Landesebene treten, auf Bundesebene flirten - eine fast unmögliche Aufgabe. Rainer Brüderle dagegen hat in Rheinland-Pfalz lange und erfolgreich mit der SPD regiert.

Und auch inhaltlich wird bereits an einer Erneuerung gearbeitet. Lindner und Kubicki gelten als Sozialliberale. Sie könnten versuchen, die FDP zu öffnen, weg von der Klientelpartei, der Partei der Steuersenker und Wachstums-Apologeten, hin zu einer Partei, die bürgerliche Grund- und Freiheitsrechte wieder stärker in den Mittelpunkt stellt.

Wohin es geht, könnte sich noch im August abzeichnen. Dann treffen sich Wahlgewinner Kubicki und Wahlgewinner Lindner für zwei Tage in Kiel. Dann werden sie wohl auch auf Kubickis Motorjacht Liberty und in Begleitung ihrer Ehefrauen über die Ostsee schippern. "Dabei suchen wir den Kurs der FDP für die Zukunft", hat Kubicki angekündigt.

Zwei Kapitäne, die ihr Boot vor dem Untergang retten und wieder in ruhigere Gewässer führen wollen. Für Philipp Rösler ist auf diesem Boot kein Platz.

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