Kuba:Flucht vor der Versöhnung

Kuba: Dieser Kubaner hat es bis Costa Rica geschafft. Jetzt sitzt er an der Grenze zu Nicaragua fest.

Dieser Kubaner hat es bis Costa Rica geschafft. Jetzt sitzt er an der Grenze zu Nicaragua fest.

(Foto: Ezequiel Becerra/AFP)

Jetzt oder nie: Viele Kubaner wollen schnell in die USA, bevor ein Relikt des Kalten Krieges gekippt wird.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Fluchtursachen zu bekämpfen ist schwer genug. Was aber, wenn Menschen gar nicht vor Terror und Krieg flüchten, sondern - wie derzeit in Kuba - vor der Aussicht auf Frieden und Versöhnung? Dann wird es erst recht kompliziert. Die einstigen Erzfeinde USA und Kuba nähern sich gerade an. Trotzdem, oder gerade deshalb laufen dem Staate der Castros aber so viele Leute wie lange nicht mehr davon. Sie haben Torschlusspanik.

Ein Relikt des Kalten Krieges in der Karibik ist, dass kubanische Flüchtlinge vom US-Einwanderungsrecht bevorzugt behandelt werden. Dahinter steckt die Idee, das Castro-Regime zu destabilisieren, indem man die Auswanderung fördert. Im Gegensatz zu Migranten aus anderen lateinamerikanischen Staaten erhalten Kubaner ein unbefristetes Bleiberecht, sofern sie US-amerikanisches Festland erreichen. Nur wer vorab auf einem Flüchtlingsboot abgegriffen wird, muss zurück nach Kuba. Diese sogenannte Nasse Füße, trockene Füße-Bestimmung gilt seit Jahrzehnten. Die Frage ist allerdings: Wie lange noch?

Spätestens dann, wenn das US-Embargo gegen Kuba fällt, dürfte Washington auch die Einwanderung normalisieren, sprich: verschärfen. Jetzt oder nie, heißt es deshalb für jene Kubaner, die insgeheim immer von einem Leben im gelobten Land geträumt haben. Im vergangen Jahrzehnt sind jährlich etwa 500 bis 2000 Kubaner als Flüchtlinge in die USA eingereist. Im Moment versuchen es mehrere Tausend pro Monat allein über der Grenze von Mexiko nach Texas. Offenbar war niemand auf diese Welle vorbereitet. Die zentralamerikanischen Staaten Costa Rica und Nicaragua streiten inzwischen auf höchster Ebene über den Umgang mit kubanischen Flüchtlingen.

Die Flüchtlingsrouten sind, wie in anderen Teilen der Welt, so verschlungen wie lebensgefährlich. Es sind nur 90 Seemeilen von Havanna nach Key West, aber viele Kubaner, die mit trockenen Füßen die USA betreten wollen, fliegen zunächst einmal Tausende Kilometer nach Süden, nach Ecuador. Das ist eines der wenigen Länder, das sie legal einreisen lässt. Von dort bringen sie Schlepperbanden nach Kolumbien und dann weiter per Boot nach Panama. Die klassische Route führt schließlich durch das halbwegs stabile Costa Rica sowie durch die Krisenstaaten Nicaragua, Honduras, Guatemala und Mexiko. Willkommen sind die kubanischen Flüchtlinge fast nirgendwo, am wenigsten in Nicaragua.

Auf Befehl von Präsident Daniel Ortega, einem engen Verbündeten der Castros, wurde am Wochenende der wichtigste Grenzübergang zu Costa Rica geschlossen. Bereits von dort eingereiste Kubaner, Männer, Frauen und Kinder, wurden von Nicaraguas Militär offenbar gewaltsam zurück ins Nachbarland gedrängt. Dabei kam nach Augenzeugenberichten auch Tränengas zum Einsatz.

Ortegas costa-ricanischer Kollege Luis Guillermo Solís hatte zuvor gut 1600 kubanischen Flüchtlingen Transitvisa ausgestellt. Die meisten von ihnen saßen seit Wochen unter unwürdigen Bedingungen an der südlichen Grenze nach Panama fest. Jetzt haben sie sieben Tage Zeit, um Costa Rica zu durchqueren und in Richtung Norden zu verlassen. Diese Menschen seien "Opfer eines Traums und eines Albtraums - des Traums des wirtschaftlichen Aufschwungs und des Albtraums des Menschenhandels", teilte Solís mit. Das klang recht einfühlsam. Der Albtraum der Flüchtlinge verlagert sich aber einstweilen nur an die Grenze zu Nicaragua.

Costa Rica habe mit seiner Politik "eine humanitäre Krise ausgelöst" sowie die "nationale Souveränität Nicaraguas verletzt", hieß von Seiten Ortegas. Auch Präsident Solís spricht von einer humanitären Krise, weist aber den Schuldvorwurf scharf zurück. Es sei "völlig unangemessen" mit Soldaten gegen Flüchtlingsfamilien vorzugehen. Costa Rica hat nun um internationale Vermittlung gebeten. Nach dem Verursacherprinzip dürften sich auch die USA angesprochen fühlen.

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