Kuba:Fidel Castro - der "Comandante" wird 90

Workers install a photograph of Cuba's former president Fidel Castro at the Expocuba exhibition center in preparation for his upcoming 90th birthday in Havana

Zum Geburtstag bekommt Fidel Castro eine Fotoausstellungen. Mit Bildern von sich selbst.

(Foto: REUTERS)

Der Revolutionsführer hat Feinde, Verklärer und die eigene Physis bezwungen. Er genießt fast grenzenlosen Respekt. Und garantiert mit seiner Präsenz, dass es in Kuba keinen Umsturz geben wird.

Von Sebastian Schoepp

Wohl kein Politiker der Welt ist so oft für tot erklärt worden wie Fidel Castro. Nicht erst, seit er schwer krank ist, gehen bald wöchentlich Meldungen um die Welt, es habe ihn erwischt. Manchmal liegt dem Wunschdenken zugrunde, vor allem bei der exilkubanischen Gemeinde in Miami; manchmal aber auch Verwechslungen wie nach dem Tod eines kenianischen Politikersohnes namens Fidel Castro Odinga 2015.

Der Nachname des Verstorbenen schaffte es nicht vollständig in alle sozialen Netzwerke, was beträchtliche Verwirrung bei eiligen Lesern auslöste. Den echten Fidel Castro haben all diese Todesnachrichten stets eher amüsiert. "Wenn ich mal wirklich sterbe", sagte er schon in den Neunzigerjahren bei einem Essen zu dem uruguayischen BBC-Journalisten Fernando Ravsberg, "wird euch niemand diese Meldung glauben."

An diesem Samstag wird Fidel Castro offiziell 90, obwohl es einige Ungereimtheiten bezüglich seines wahren Alters gibt. Und nicht mal er kann die Tatsache beiseitewischen, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Bei seinem bislang letzten öffentlichen Auftritt beim Kongress der kommunistischen Partei Kubas im April bereitete er die mehr als tausend Delegierten mit brüchiger Stimme und unter dem fahrigem Fuchteln darauf vor, dass dies ein Abschied sein könne: "Bald werde ich sein wie der Rest. Wir kommen alle an die Reihe", sagte Castro, der wie immer seinen Trainingsanzug des ewigen Rekonvaleszenten trug, gegen den er 2006 die Uniform des ewigen Revolutionärs getauscht hat.

Seinen Bruder Raúl lässt Fidel Castro machen

Dass er ein solcher geblieben ist, stellte Fidel Castro aber sogleich klar, einer sich verändernden Welt zum Trotz: "Die kommunistischen Ideen werden überleben", sagte er, "als Beweis dafür, dass Sie auf diesem Planeten, wenn Sie hart und würdevoll arbeiten, genau das herstellen können, was der Mensch zum Leben braucht." Und eben auch nicht mehr, könnte man hinzufügen.

Aber vielleicht ist es gerade diese Austerität, die dem greisen Revolutionär allen Verfehlungen zum Trotz einen fast irrealen Respekt eingetragen in der Welt, nicht nur bei den wenigen verbliebenden Kommunisten. Da ist romantische Verklärung im Spiel, aber auch Rest-Unbehagen darüber, dass außerhalb Kubas der Materialismus als einzige politische Religion überlebt hat.

Dass Fidel Castro so lange durchgehalten hat, ist nicht nur ein Sieg über all jene, die ihn ermorden wollten oder für tot erklärten. Es ist auch ein Sieg über die eigene Physis. Roberto Chile, Fotograf und Kameramann aus Havanna, der Fidel jahrzehntelang begleitet und nun eine Fotoausstellung zusammengestellt hat, die auch in Deutschland zu sehen ist, sagt: Fidel Castro sei ein Mann, "der das ganze Leben lang gekämpft hat, ohne sich vom Schicksal besiegen zu lassen".

Dieser Sieg ist sicher auch ein Sieg des Realismus. Dass Castro stets ein Verstandesmensch gewesen ist, das zeigt sich im Umgang mit der Krankheit wie der Politik. Der kubanische Schriftsteller Norberto Fuentes sagt in einem Dokumentarfilm der ARD: "Fidel ist nicht Tarzan oder Batman. Er ist sehr rational, pragmatisch." Wie könnte man sonst erklären, dass ein solcher Mann jahrzehntelang ein Land regiert hat, das direkt gegenüber den USA liege?

Draußen wartet eine ungeduldige Jugend

Diese Rationalität heben Leute hervor, die ihn kennengelernt haben, wie der frühere deutsche Botschafter auf Kuba, Bernd Wulffen. 2003 hatte Wulffen den Auftrag, Fidel Castro eine Reise nach Berlin zur Berlinale auszureden, wo Oliver Stones Film über ihn gezeigt werden sollte. Doch Berlin wollte die USA nicht verärgern.

Wulffen machte sich mit bangen Gefühlen auf den Weg. "Ich wurde immer unruhiger, nachdem ich die versteinerten Gesichter von Fidels Beratern gesehen hatte", erinnert er sich. Aber es kam anders. "Fidel Castro fasste mich freundschaftlich am Arm und bat mich, Platz zu nehmen.

Er erkundigte sich nach meiner Familie. Dann sah er mich an, legte seine Hand auf meinen Unterarm und sagte: Machen Sie sich keine Sorgen, Botschafter, ich reise nicht nach Berlin." Er wolle Bundeskanzler Schröder, den er wegen seiner Haltung in der Irak-Frage bewundere, keine zusätzlichen Probleme machen. "Mir fiel ein Stein vom Herzen", erinnert sich Wulffen.

Fidel, die Seele des kommunistischen Kuba

Dieser Pragmatismus hat Fidel Castro wohl dazu gebracht, seinen Bruder Raúl gewähren zu lassen, der seit 2006 Kuba umbaut, Fidels Erbe Stück für Stück demontiert. Obwohl er immer wieder Signale des Dissenses von sich gibt, lässt Fidel ihn machen - wohl aus dem Wissen heraus, dass die Revolution ihn eh nicht überleben wird.

Doch er hat auch immer wieder dazwischengeschossen in seinen Abhandlungen, die er in Parteiblättern wie Juventud Rebelde verbreitet, "rebellische Jugend", in Wahrheit längst ein gerontokratisches Organ. Fidel hat die USA scharf gerügt trotz Raúls Annäherungskurses, manchmal wirkt er wie der nörgelnde Muppets-Opa auf dem Balkon.

"Fidel ist unersetzlich", hat Raúl Castro trotzdem gesagt, er braucht seinen älteren Bruder, Fidel Castro bleibt Garant eines moribunden Systems, die Seele dieses kommunistischen Kuba. Oder eben "Bremse des Wandels" wie die Regimekritikerin Yoani Sánchez ihn kürzlich bei einem Besuch in Deutschland nannte.

Was bleibt?

Fidel Castro garantiert mit seiner Präsenz, dass es keinen Umsturz gibt, das würde man dem Patriarchen trotz aller Unzufriedenheit nicht antun, in einer Gesellschaft wie der kubanischen respektiert man das Alter - auch wenn eine ungeduldige Jugend auf Internet, Meinungsfreiheit und Konsum wartet, auf eine Zeit nach Lebensmittelkarten und dem monotonen Kulturangebot aus klapprigen Oldtimern und nostalgischen Buena-Vista-Songs, die alte Männer in Touristenlokalen trällern.

Was also wird bleiben von Fidel Castro, wenn dies wirklich sein letzter Geburtstag sein sollte? Ex-Botschafter Wulffen sagt, Castro habe "zwei Gesichter, "das des freundlich-galanten Charmeurs und das des unbarmherzigen Rächers und Vollstreckers, der seinen Feinden nichts verzieh.

Aber er ist ein Mann, der sich hohe Achtung erwarb, weltweit. Sein Ruf wird sich aus dem Kampf Davids gegen Goliath speisen und in die Geschichtsbücher eingehen." Und Roberto Chile meint: "Du kannst seine Ansichten teilen oder nicht, aber du kannst vor seinem Format nicht gleichgültig bleiben."

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