Kroatien:Zweite Wahl

Lesezeit: 2 min

Andrej Plenković führt in der Wahl die Konservativen. (Foto: oh)

Kroatien stimmt über ein neues Parlament ab, die letzte Koalition hielt nicht lange. Die Sozialdemokraten agieren polemisch, die Konservativen haben sich gemäßigt.

Von Nadia Pantel, München

Am Sonntag dürfen die Kroaten erneut versuchen, was sie schon vor zehn Monaten gerne geschafft hätten: eine Regierung zu wählen, die länger als ein halbes Jahr im Amt bleibt. An Problemen, die von ihr angegangen werden müssten, mangelt es nicht. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 20 Prozent, das Land ist hoch verschuldet. Doch ein Hoffnungsträger, der mit einem klaren Programm überzeugt, fehlt.

Am 8. November vergangenen Jahres hatte die konservative HDZ zwar die Wahl knapp für sich entschieden, sie scheiterte jedoch daran, eine tragfähige Koalition zu formen. Schuld daran war vor allen Dingen der damalige HDZ-Vorsitzende und mächtige Ex-Geheimdienstchef Tomislav Karamarko. Angetreten mit dem Versprechen, der kroatischen Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen, konzentrierte sich Karamarko dann doch eher auf politische Intrigen. Zwar holte er die selbsterklärte Reformpartei Most ("Brücke") in die Regierung und überließ dem parteilosen Pharma-Manager Tihomir Orešković den Posten des Premierministers. Doch statt zu tatsächlichen Reformen und Entscheidungen führte das nur zu Streit. Sowohl Most als auch Premier Oreskovic weigerten sich, Karamarko zu schützen, als Korruptionsvorwürfe gegen ihn immer lauter wurden. In einem verzweifelten Akt der Realitätsverweigerung initiierte Karamarko ein Misstrauensvotum gegen den von ihm selbst eingesetzten Premier. Am Ende stürzten beide, die Regierung und der konservative Parteivorsitzende.

Das politische Chaos der vergangenen Monate fasste der kroatische Schriftsteller Ante Tomić Ende Juni in der liberalen Zeitung Jutarnji list zusammen: "Der Staat wurde nun enthauptet, aber das spielt keine Rolle, denn dieser Kopf war ohnehin nicht von Bedeutung. Zum Glück hat diese Regierung weniger Schaden angerichtet als erwartet." Wenn Untätigkeit zum Politiker-Kompliment wird, ist die Desillusionierung weit fortgeschritten.

Dennoch stehen Kroatiens Wähler vor keinem reinen Scherbenhaufen. Der HDZ ist es gelungen, den rechtspopulistischen Ton wieder etwas herunter zu dimmen, den Karamarko und vor allem sein Kulturminister Zlatko Hasanbegović im vergangenen halben Jahr angeschlagen hatten. Der nun abgesetzte Hasanbegović hatte es in kürzester Zeit geschafft, die liberalen Medien, die jüdische und die serbische Minderheit und große Teile der Kulturschaffenden gegen sich aufzubringen. Er bekundete offen Sympathien für das von den Nazis unterstützte Ustascha-Regime.

Der neue HDZ-Spitzenkandidat Andrej Plenković ist nun der Gegenentwurf zu diesem schrillen Politikertypus. Der Jurist und ehemalige Diplomat ist seit Kroatiens EU-Beitritt 2013 Abgeordneter im Europäischen Parlament. Im Wahlkampf entschuldigte sich der 46-Jährige für vergangene Entgleisungen der HDZ und kündigte eine Politik der Mitte an.

Auffällig waren im Vergleich die polemischen Töne des sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Zoran Milanović. Der SDP-Mann hatte das Land von bis 2011 bis Anfang 2016 regiert und in die EU geführt, im Wahlkampf schien er nun zu versuchen, der HDZ rechtsnationale Wähler abzuwerben. So lästerte er im Gespräch mit Kriegsveteranen über die Nachbarländer Serbien sowie Bosnien und Herzegowina. Außerdem kündigte er an, die EU-Ambitionen Serbiens zu bremsen. In den Umfragen liegt Milanović knapp in Führung. Doch gemeinsam mit Most könnte die HDZ genug Stimmen zur Regierungsbildung sammeln.

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: