Kroatien:Ende nach einem halben Jahr

Finanzminister Zdravko Marić stand an der Spitze des größten Unternehmens in Kroatien, bevor er in die Regierung wechselte. Nun zerbricht die Regierungskoalition am Streit über die immensen Schulden des Unternehmens.

Nach nur sechs Monaten im Amt ist in Kroatien die Regierungskoalition geplatzt. Ministerpräsident Andrej Plenkovic von der konservativen HDZ entließ am Freitag den letzten Minister seines Koalitionspartners Most (Brücke), Bozo Petrov. "Wir sind nicht länger Teil dieser Regierung", sagte Petrov, der auch Parlamentspräsident ist, anschließend vor Journalisten. Bereits am Donnerstag hatte Plenkovic überraschend drei Minister der reformorientierten Partei aus ihren Ämtern entlassen.

Hintergrund der Regierungskrise in Kroatien ist ein Streit über den unter einer Milliarden-Schuldenlast ächzenden Lebensmittelriesen Agrokor. Finanzminister Zdravko Maric stand an der Spitze dieses größten kroatischen Unternehmens, bevor er in die Regierung wechselte. Die Most-Regierungsmitglieder hatten es vehement abgelehnt, den Minister gegen einen Misstrauensantrag in Schutz zu nehmen. Petrov warf Plenkovic und Maric vor, ihre schützende Hand über das "anhaltende Verbrechen bei Agrokor" zu halten. Zudem war dem Finanzminister seit Wochen vorgeworfen worden, er habe vor sieben Jahren von einer staatlichen Bank einen günstigen Privatkredit nur deswegen erhalten, weil er zu dieser Zeit in deren Aufsichtsgremium gesessen habe.

Erst im September vergangenen Jahres hatten in dem Mitgliedsland der Europäischen Union vorgezogene Neuwahlen stattgefunden. Dabei kam der als gemäßigt geltende 47-jährige Plenkovic an die Macht. Die Vorgängerregierung, an der ebenfalls die HDZ und die Most-Partei beteiligt waren, war im Juni 2016 nach nur fünf Monaten im Amt über einen Finanzskandal gestürzt.

Der ehemalige EU-Parlamentarier Plenkovic hatte bereits am Donnerstag gesagt, er sei - wenn nötig - bereit für Neuwahlen. Er könne aber auch eine neue Koalition bilden. Die HDZ verfügt in dem insgesamt 151 Abgeordnete umfassenden Parlament in Zagreb derzeit über 58 Mandate.

Die Schulden Agrokors belaufen sich laut Angaben vom September 2016 auf etwa sechs Milliarden Euro. Das entspricht fast dem Umsatz, der jährlich rund 6,7 Milliarden Euro beträgt - und fast 15 Prozent des kroatischen Bruttoinlandsprodukts.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: