Kritik an Merkels Atomplänen:Opposition droht mit Verfassungsklage

Für SPD-Chef Gabriel verstößt die geplante AKW-Laufzeitverlängerung von bis zu 15 Jahren gegen das Atomgesetz. Auch das Zustandekommen des Energiegutachtens sorgt für Kritik.

Zehn bis 15 Jahre Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke - dafür hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag ausgesprochen. Die Opposition kündigt harten Widerstand an.

Sollte der Bundesrat bei der Entscheidung umgangen werden, "dann werden wir vor das Bundesverfassungsgericht ziehen", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel im Bayerischen Rundfunk. Weil die Regierung aufgrund einer fehlenden Mehrheit den Bundesrat bei der Laufzeit-Entscheidung umgehen will, wollen mehrere Bundesländer in Karlsruhe klagen.

Nach den Worten von Gabriel verstößt die geplante Laufzeitverlängerung außerdem gegen das Gesetz. "Eine generelle Laufzeitverlängerung ist nach meinem festen Verständnis ein Bruch des Atomgesetzes", sagte der ehemalige Bundesumweltminister dem Deutschlandfunk. Gabriel verwies dabei besonders auf die älteren Reaktoren in Biblis, Krümmel, Neckarwestheim oder Brunsbüttel, "wo wir massive Probleme hatten in den vergangenen Jahren".

"Ich finde es unglaublich, dass die Bundesregierung sich festlegt, ohne mal Sicherheitsanalysen für alte Atomkraftwerke zu machen", sagte Gabriel und forderte Gutachten des TÜV oder internationaler Experten.

Der Oppositionschef kritisierte zudem die Rolle seines Nachfolgers Norbert Röttgen bei der Entscheidung. Der Bundesumweltminister sei für die Sicherheit der Atommeiler verantwortlich, aber nicht in die Verhandlungen eingeschaltet worden. "Dass Herr Röttgen nicht mal beteiligt wird, ist ein Verfassungsbruch, denn er ist zuständig dafür", sagte Gabriel.

Die Festlegung der Kanzlerin zeige, dass es nicht um ein zukunftsfähiges Energiekonzept gehe, "sondern um knallharte Lobby-Politik für die Atomkonzerne", hatte Gabriel schon am Sonntag gesagt.

Im Zentrum der Kritik steht das Gutachten, auf dessen Basis die Regierung die Laufzeiten verlängern will. Es empfiehlt laut Berichten zwischen zwölf und 20 Jahre längere Laufzeiten. Der erste Überblick über die Szenarien zeige: "Sowohl was die Versorgungssicherheit, den Strompreis als auch das Erreichen der Klimaziele anbelangt, ist die Kernenergie als Brückentechnologie wünschenswert", sagte Merkel.

Gekauftes Gutachten?

Die Linke wirft der Kanzlerin vor, das Ergebnis habe schon vorher festgestanden, deshalb soll der Bundesrechnungshof die Rechtmäßigkeit des mit Steuergeldern finanzierten Gutachtens prüfen. "Für die Arbeitnehmer gibt es Maßhalteappelle, für Atomkonzerne Profitgeschenke", kritisierte Parteichefin Gesine Lötzsch. Die Opposition kritisiert zudem, dass ein am Gutachten beteiligtes Institut mit Millionensummen von RWE und Eon unterstützt wird.

Die Diskussion um das Energiegutachten über die Auswirkungen längerer Atomlaufzeiten hat nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa am Wochenende auch für Missstimmungen in der Regierung gesorgt. Das Umweltministerium war überrascht über die rasche Interpretation von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, der aus dem Gutachten ein Votum für "eine klar zweistellige Verlängerung" herauslas.

Die Zusammenfassung der Gutachter war zudem aus Sicht von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) unannehmbar, berichtete das Handelsblatt. Diese kämen zu dem Ergebnis, dass bei einem frühzeitigen Aus für die Kernenergie in Deutschland der Import von Strom aus ausländischen Kernkraftwerken stark an Bedeutung gewinnen würde.

An diesem Montag sollen Ergebnisse aus dem Gutachten auch der Öffentlichkeit mitgeteilt werden. Zehn bis 15 Jahre längere Laufzeiten würden bedeuten, dass es bis mindestens 2035 Atomstrom geben würde.

Vor rund zehn Jahren hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung den Atomausstieg beschlossen. Durch Stillstand und Drosselung der Leistung würde gemäß der damals vereinbarten Reststrommengen der letzte Meiler etwa 2025 vom Netz gehen. Eigentlich war das Jahr 2022 als Enddatum anvisiert worden.

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