Kritik an Kraft-Vorstoß:"Schärfer als Hartz IV"

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Union und Linke sind empört: SPD-Vize Hannelore Kraft hält viele Hartz-IV-Empfänger für ohnehin chancenlos - und will sie deshalb zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten.

Die stellvertretende SPD-Chefin Hannelore Kraft hat mit einem Vorstoß Kritik ausgelöst, Langzeitarbeitslose zu gemeinnütziger Arbeit heranzuziehen. Auch ihre Einschätzung, wonach ein Viertel der Langzeitarbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt keine Chancen mehr habe, stieß auf Empörung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel machte unterdessen deutlich, dass sie als Konsequenz aus dem Verfassungsgerichtsurteil zu Hartz IV auf Sachleistungen und nicht nur auf finanzielle Hilfen setzt, um Kinder Langzeitarbeitsloser besser zu fördern.

"Wir müssen ehrlich sein: Rund ein Viertel unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen regulären Job finden", sagte Kraft dem Spiegel. Diese Menschen sollten auf Dauer gegen eine symbolische Bezahlung Straßen sauber halten, in Sportvereinen helfen oder in Altenheimen Bücher vorlesen, forderte die Spitzenkandidatin ihrer Partei bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai.

Kraft plädierte für einen "gemeinwohlorientierten Arbeitsmarkt" für Hartz-IV-Empfänger ohne Aussicht auf reguläre Arbeit. Anders als die bisherigen Ein-Euro-Jobs sollte die neue Beschäftigung langfristig angelegt sein.

Heftige Kritik

Mehrkosten für den Staat dürften jedoch nicht entstehen. "Die meisten Langzeitarbeitslosen werden sich über eine sinnvolle Beschäftigung freuen, selbst wenn sie dafür nur einen symbolischen Aufschlag auf die Hartz-IV-Sätze bekommen", betonte Kraft.

Scharfe Kritik erntete die SPD-Politikerin von Union und Linkspartei. Der Chef des CDU-Sozialflügels, Karl-Josef Laumann, nannte es nach einem Bericht von Spiegel Online unerträglich, dass Kraft jedem vierten der rund 570.000 Hartz-IV-Empfänger keine Chance mehr einräume.

Der stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, kritisierte, Kraft plane nichts anderes als eine Verschärfung von Hartz IV. Ein-Euro-Jobs gebe es schon heute, das Modell funktioniere nicht.

Im Streit über die vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Hartz-IV-Regelsätze für Kinder unterstrich Bundeskanzlerin Merkel, dass Abhilfe nicht allein durch höhere Transferzahlungen geschaffen werden könne. Die Bundesregierung werde prüfen, wie kinderspezifische Bedürfnisse am besten erfüllt werden können, sagte die Kanzlerin dem Kölner Stadt-Anzeiger.

Dabei gehe es nicht nur um finanzielle Hilfen, sondern auch um Sachleistungen wie schulische Angebote. Das oberste Gericht hatte die bisherige Berechnung der Hartz-IV-Sätze für Kinder für verfassungswidrig erklärt und eine Neuregelung gefordert.

SPD-Chef Sigmar Gabriel warf der Union dagegen Doppelzüngigkeit vor. "Überall dort, wo die CDU regiert, wurden die Sachleistungen, die Angela Merkel jetzt fordert, gestrichen", sagte er im Tagesspiegel am Sonntag. So hätten Hamburg und Niedersachsen die Lernmittelfreiheit für Schulbücher abgeschafft. Damit werde Kindern von Langzeitarbeitslosen der Zugang zu Bildung erschwert.

© SZ vom 08.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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