Kritik an Grenzkontrollen in Dänemark:"Eine Axt für die Europäische Idee"

Ausgerechnet zum Auftakt der Sommerferien beginnt Kopenhagen wieder mit permanenten Grenzkontrollen - und wird dafür heftig attackiert: Hessens Europaminister Hahn ruft deutsche Urlauber zum Dänemark-Boykott auf, der Europaabgeordnete Alvaro sieht den Zusammenhalt der ganzen EU gefährdet. Die dänische Regierung weist die Kritik als "schräg und hysterisch" zurück.

Die Dänen machen dicht: Ausgerechnet zum Auftakt der Sommerferien führt Kopenhagen an diesem Dienstag wieder permanente Zollkontrollen an seinen Grenzen ein - und ruft mit dieser Maßnahme harsche Kritik hervor. Nach Ansicht des FDP-Politikers Alexander Alvaro gefährdet die Änderung den Zusammenhalt der Europäischen Union als Ganzes: "Dänemark muss sich entscheiden, ob es noch Teil der Schengenzone und langfristig Teil der EU bleiben möchte", erklärte der Europaabgeordnete.

Danish custom officers stand at the Oeresund Bridge border contro

Begleitet von scharfen Protesten haben dänische Zöllner mit ihren umstrittenen neuen Grenzkontrollen begonnen - wie hier an der Grenze zu Schweden an der Öresund-Brücke.

(Foto: dpa)

"Die offenen Grenzen sind eine der Haupterrungenschaften der europäischen Politik der vergangenen Jahrzehnte", sagte Alvaro. "Die neuen Kontrollen gefährden die Reisefreiheit aller EU-Bürger und sollten von der dänischen Regierung überdacht werden." Das Land dürfe sich nicht von "unseren gemeinsamen Grundwerten verabschieden".

Die Regierung in Kopenhagen hatte die Wiederaufnahme der Kontrollen im Mai unter dem Druck der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DF) beschlossen, auf deren Stimmen sie im Parlament angewiesen ist. Sie begründete die international kritisierte Entscheidung damit, die grenzüberschreitende Kriminalität eindämmen zu wollen, versicherte aber, dass sie sich an den Schengen-Vertrag halten werde.

An Grenzübergängen zu Deutschland sollen zunächst 30 zusätzliche Zollbeamte stichprobenartig nach Drogen und Waffen suchen. Für dänisch-schwedische Übergänge sind 20 Beamte vorgesehen. Bis 2014 sollen neue Grenzanlagen sowie Fahrzeug-Scanner dazukommen. Die dänischen Beamten traten am Dienstagmorgen zunächst am Autobahn-Grenzübergang Frøslev-Ellund (deutsch Fröslee) bei Flensburg sowie an zwei Grenzübergängen zu Schweden in Aktion.

Zum Start der neuen Kontrollen kam der Präsident der Dänischen Europa-Bewegung, Erik Boel, aus Protest mit einer Europa-Flagge zu dem Grenzübergang. "Das ist ein Signal gegen die europäische Idee", sagte Boel. "Frühere Generationen haben für diese Idee gearbeitet. Was wir brauchen, ist ein grenzenloses Europa."

Zuvor hatte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) davor gewarnt, die Kontrollen könnten "zu einem Menetekel für die Freiheit in Europa werden". Allerdings betonte er auch, dass die deutsch-dänische Freundschaft stabil sei. Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Andreas Schockenhoff sagte, die Entscheidung der dänischen Regierung sei kein Beitrag zur inneren Sicherheit des Landes, sondern bediene allein nationalistische Strömungen.

Hahn ruft zum gemeinsamen Ministerprotest auf

Hessens Europaminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) forderte als Reaktion auf die Wiedereinführung der Kontrollen in der Bild-Zeitung einen Dänemark-Boykott. Zugleich rief er seine Länder-Kollegen zum gemeinsamen Ministerprotest auf.

In der dänischen Zeitung Jyllands-Posten kündigte Hahn einen Dringlichkeitsantrag Hessens für die nächste Europaminister-Konferenz der Bundesländer an. Die Konferenz solle das Vorgehen Dänemarks ausdrücklich missbilligen und die Bemühungen der Bundesregierung nach einem schnellen Sinneswandel der dänischen Regierung unterstützen, erklärte der Minister.

Hahn sagte in dem dänischen Blatt weiter, die europäischen Partner machten sich große Sorgen, ob Dänemark weiterhin ein verlässlicher Partner der Union sei. Der FDP-Politiker sagte: "Die Reisefreiheit gehört zu den sichtbarsten Errungenschaften Europas. Wer sich daran vergreift, insbesondere noch in der Urlaubszeit, legt die Axt an der Europäischen Idee an."

"Ein Aufruf zum Boykott ist hysterisch"

Dänemarks für den Zoll zuständiger Steuerminister Peter Christensen nannte Hahns Kritik "ziemlich schräg": "Ein Aufruf zum Urlauberboykott ist doch einfach hysterisch. Ich weiß nicht, ob deutsche Wähler so einem schrägen Politiker hinterherlaufen", sagte er. Man müsse den Verdacht haben, dass Hahn von der konkreten Ausformung der Grenzkontrollen keine Ahnung habe.

Auch Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Jost de Jager reagierte verärgert auf Hahns Appell: "Aus Gründen der guten Nachbarschaft zu Dänemark möchte ich mich gegen solchen Populismus verwahren", sagte der CDU-Politiker. Er habe beim Überfahren der Grenze keine Veränderung zu früheren Passagen festgestellt. "Auch wenn die Wiedereinführung der Kontrollen zweifellos unschön ist, man sollte die Kirche im Dorf lassen." Man müsse abzuwarten, inwieweit die Regelung zu tatsächlichen Veränderungen führe.

Die Linke im Bundestag nannte die Kritik am dänischen Vorgehen "heuchlerisch". Es handele sich um "die logische Konsequenz" aus dem Ausbau der "Festung Europa", sagte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke. "Wer sich wie die EU nach außen abschottet, wird auch die Freiheit nach innen nicht aufrechterhalten."

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