Kritik an China:"Amtlich verordneter Gedächtnisverlust"

Security forces deployed at Beijing railway station

Sicherheitsleute patrouillieren in Peking.

(Foto: dpa)

Festnahmen, Hausarrest und Einschüchterung: Von der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung vor 25 Jahren auf dem Tian'anmen will China noch immer nichts wissen. Und geht offenbar härter als je zuvor gegen Kritiker vor.

Soldaten und Polizisten dominieren Chinas Hauptstadt. Sicherheitsleute mit der Waffe im Anschlag patrouillieren seit Tagen an großen Kreuzungen von Peking. Kommende Woche ist der 25. Jahrestag des Massakers vom 4. Juni 1989. Die Sicherheitsbehörden haben zugleich ihre Kontrollen wegen des blutigen Anschlags mit 43 Toten in Chinas Unruheregion Xinjiang vergangene Woche verstärkt.

Mit einer "beispiellosen Verfolgungswelle" will die Regierung nach Ansicht von Menschenrechtsgruppen das Gedenken an das Tian'anmen-Massaker vom 4. Juni 1989 verhindern. Vor dem Jahrestag der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung beklagten Amnesty International und die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) viele Festnahmen, Hausarrest und Einschüchterung.

"Das Vorgehen ist sogar noch rigoroser als in den Vorjahren", kritisierte Verena Harpe, Asienexpertin von Amnesty International. Chinas Führung setze alles daran, die Erinnerung an das Pekinger Massaker aus dem kollektiven Gedächtnis zu löschen. "Der amtlich verordnete Gedächtnisverlust ist ein Armutszeugnis der Weltmacht China", sagte GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Sie vergebe eine Chance zur Versöhnung, die das traumatisierte Land so dringend brauche.

In einem Memorandum listete die Organisation Dutzende Festnahmen und Einschüchterungen von Menschenrechtsanwälten, Professoren, Autoren, Journalisten, Künstlern und Bürgerrechtlern auf, mit denen jedes Gedenken an die Opfer des Massakers verhindern werden soll.

Die brutale Niederschlagung der Demokratiebewegung sei "ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit" gewesen. Die dafür Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, sagte Delius. Chinas Führung müsse endlich eine "offene und unabhängige Untersuchung" des Militäreinsatzes einleiten, forderte Amnesty-Expertin Harpe.

Harte Urteile gegen vermeintliche Terroristen

In der westchinesischen Unruhe-Provinz Xinjiang sind indes in einem öffentlichen Prozess in einem Stadion Presseberichten zufolge 55 Menschen zu hohen Strafen verurteilt worden. Mindestens drei Personen hätten die Todesstrafe bekommen, berichteten staatliche Medien. Die Urteile seien in einem mit rund 7000 Besuchern besetzten Sportstadium in der Stadt Yining verkündet worden. Den Verurteilten seien Vergehen wie Mord, Separatismus und Mitgliedschaft in terroristischen Organisationen vorgeworfen worden.

Bereits in der vergangenen Woche waren in einem ähnlichen Verfahren in Xinjiang 39 Menschen wegen Terrorismus zu Haftstrafen verurteilt worden. Die Behörden gehen derzeit massiv gegen mutmaßliche islamistische Separatisten aus Xinjiang vor, die sie für eine Serie von Anschlägen verantwortlich machen und denen sie vorwerfen, dass sie die Gründung eines eigenen Staates planen. Bürgerrechtsgruppen machen dagegen Unterdrückungsmaßnahmen des Staates gegen die Kultur der muslimischen Uiguren in Xinjiang für die Gewalt verantwortlich. Diese fühlen sich gegenüber der Mehrheit der Han-Volksgruppe benachteiligt.

Kampagne gegen Blogger

Auch gegen Blogger geht die Regierung vor. In einer neuen Kampagne nehmen die Behörden die beliebten chinesischen Messenger-Apps von Smartphones ins Visier. Insgesamt sieben chinesische Kurztextdienste - vergleichbar mit Whats App - werden einen Monat nach Gerüchten, Terrorismus und Pornografie durchforstet. "Wir werden entschieden gegen die Infiltration von Kräften aus dem In- und Ausland kämpfen", zitiert die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua aus einer Behördenmitteilung.

Bei chinesischen Bloggern weckt die Nachricht finstere Erinnerungen. Vergangenes Jahr hatte die chinesische Regierung eine Kampagne gegen Gerüchte auf den Mikroblogs Weibo gestartet. Es gab jedoch nie eine Definition, was genau als Gerücht gilt. Dann wurden auch Journalisten verhaftet, die online Korruption von Parteikadern angeprangert hatten, oder Bürger, die zu Protesten gegen Fabriken in ihrer Nachbarschaft aufriefen. Hunderte Blogger wurden festgenommen. Im April wurde der erste Blogger zu drei Jahren Haft verurteilt.

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