Krisentreffen der EU-Außenminister:Irland will kein Mitglied zweiter Klasse sein

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Nach dem Nein der Iren zum "Vertrag von Lissabon" wollen die Außenminister der EU-Länder den Ratifizierungsprozess fortsetzen - und Irland so unter Druck setzen. Irland möchte zwar volles EU-Mitglied bleiben, hat aber keine Lösung für die Vertragskrise parat.

Nach dem Scheitern des EU-Referendums in Irland ist eine Diskussion entbrannt, mit welchem Tempo die europäische Integration weitergehen soll. Der irische Außenminister Micheál Martin Martin lehnt die Idee eines "Europas der zwei Geschwindigkeiten" ab, denn es gebe den aufrichtigen Wunsch in Irland, "ein volles, begeistertes Mitglied der Europäischen Union und im Herzen Europas" bleiben zu wollen.

Kommt es bald zu einem "Europa der zwei Geschwindigkeiten"? (Foto: Foto: dpa)

Am Wochenende hatten sich fast alle Mitgliedstaaten dafür ausgesprochen, mit dem Ratifizierungsprozess fortzufahren und Irland so unter Druck zu setzen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte den vorübergehenden Ausstieg Irlands aus der europäischen Integration ins Gespräch gebracht.

Am Montag ruderte das Auswärtige Amt zurück: Ein vorübergehender Ausstieg Irlands aus dem europäischen Integrationsprozess sei für Außenminister Steinmeier "kein Vorschlag" und auch "keine Zielvorgabe". Steinmeiers Sprecher Martin Jäger präzisierte damit Äußerungen des Ministers vom Wochenende, mit denen dieser Weg aus der EU-Krise nach dem gescheiterten EU-Referendum in Irland ins Spiel gekommen war.

Das sei nur die Beschreibung einer möglichen Option gewesen. Diese habe sich mit der Erklärung der Regierung in Dublin erledigt, im Integrationsprozess der EU bleiben zu wollen, sagte Jäger.

Auch Regierungssprecher Ulrich Wilhelm lehnte Spekulationen über ein "Europa der mehreren Geschwindigkeiten" ab. Dies würde bedeuten, dass nun einzelne EU-Länder, die es wollen, in der Zusammenarbeit weiter gehen als andere. Wilhelm sagte dazu, jetzt würden alle Anstrengungen darauf konzentriert, die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon doch noch zu erreichen.

Der slowenische Außenminister und Vorsitzende des EU-Außenministerrats Dimitrij Rupel äußerte seine Skepsis zu dem Vorschlag, die Ratifizierung des Lissabon-Vertrags fortzusetzen. Angesichts der Blockade der Iren sei es "riskant" zu sagen, der Vertrag könne noch gerettet werden, sagte er. "Es ist jetzt die Zeit des Nachdenkens und der Analyse gekommen." Nach dem Scheitern der EU-Verfassung bei Volksabstimmungen vor drei Jahren hatte sich die Gemeinschaft eine "Reflektionspause" verordnet, die die EU fast zwei Jahre lähmte. Zunächst sei es an Irland, eine Lösung vorzuschlagen, so Rupel.

"Es ist noch zu früh, Lösungen anzubieten"

Der irischen Regierung geht das zu schnell: "Es ist noch viel zu früh, Lösungen anzubieten", sagte der irische Außenminister Micheál Martin zu Beginn eines Krisentreffens der 27 EU-Außenminister in Luxemburg. "Die Entscheidung des Volkes muss respektiert werden, und wir müssen jetzt einen Weg aufzeigen", so Martin weiter.

Auf dem Krisentreffen bereiten die Minister eine Gipfelkonferenz der Staats- und Regierungschefs vor, die am Donnerstag in Brüssel beginnt. Bei den Beratungen wird es unter anderem um die Frage gehen, ob es künftig ein "Kerneuropa" von Staaten geben soll, die bei der europäischen Integration schneller als andere vorangehen.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn schlug vor dem Krisentreffen eine Erklärung der EU vor, mit der Sorgen der Iren entkräftet und ein erneutes Referendum gerechtfertigt werden könnte. Die EU-Partner müssten Irland "helfen, wieder zurück ins Boot zu kommen".

Frankreich will seine Pläne für die bevorstehende EU-Ratspräsidentschaft trotz des irischen Neins vorerst nicht ändern. "Wir müssen berücksichtigen, dass die Menschen (das europäische Projekt) nicht verstanden haben", sagte der französische Präsident Nicolas Sarkozy. Er hatte sich gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür ausgesprochen, den Ratifizierungsprozess fortzusetzen.

Bei dem Referendum hatten am Donnerstag 53,4 Prozent der Iren gegen den Vertrag gestimmt. Irland musste laut Verfassung als einziger der 27 EU-Staaten die Bürger um ihre Meinung fragen. Der Vertrag war im Dezember nach schwierigen Verhandlungen unterzeichnet worden und sollte 2009 in Kraft treten.

Außer Irland haben neun EU-Staaten den Reformvertrag noch nicht ratifiziert - darunter Deutschland, wo nach der Billigung durch Bundestag und Bundesrat noch Bundespräsident Horst Köhler unterzeichnen muss.

Nach dem Referendum in Irland gilt bis auf weiteres der 2003 in Kraft getretene Vertrag von Nizza als Rechtsgrundlage der EU. Er ist nach Ansicht der meisten Staats- und Regierungschefs auf Dauer für eine EU mit 27 Mitgliedern ungeeignet.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/rtr/ehr/bosw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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