Krisengebiete:Firma für Flüchtlinge

Krisengebiete: Kilian Kleinschmidt, Weil es um die Menschen geht, Econ Verlag 2015, 352 Seiten, 19,99 Euro. Als E-Book: 16,99 Euro.

Kilian Kleinschmidt, Weil es um die Menschen geht, Econ Verlag 2015, 352 Seiten, 19,99 Euro. Als E-Book: 16,99 Euro.

Kilian Kleinschmidt war 25 Jahre für die Vereinten Nationen unterwegs. In den Krisengebieten löste er logistische und sicherheitstechnische Probleme. Nun erklärt er sein neues Modell für humanitäre Hilfe.

Von Judith Raupp

Schule war ihm zu langweilig: "Ich wusste schon alles." Seinen Job unter Lebensgefahr hat er gemacht, weil er glaubte, es besser zu können als andere. Kilian Kleinschmidt versteht sich als Macher. Daran lässt seine Autobiografie keinen Zweifel. Sieht man vom selbstgefälligen Ton ab, ist das Buch "Weil es um die Menschen geht" lesenswert. Kleinschmidt, 25 Jahre im Dienst der Vereinten Nationen, erlaubt einen Blick in die Welt der humanitären Hilfe. Eine Welt, in der es um Leben und Tod, um Macht, Geld und Eitelkeit geht.

Der Autor hat in vielen Krisengebieten Flüchtlinge versorgt und beschreibt, mit welchen logistischen und sicherheitstechnischen Problemen er zu kämpfen hatte. Er zeigt, dass Geld und Güter allzu oft an den Bedürfnissen der Flüchtlinge vorbeigehen. Und er legt offen, dass Helfer auch mit Kriminellen kooperieren, teilweise aus humanitären Gründen, teilweise, um sich Zugang zu den Flüchtlingen zu erkaufen.

Im Kongo zum Beispiel haben Kleinschmidt und sein Team vom UN-Flüchtlingswerk auch Völkermörder aus Ruanda versorgt. Aber hätten sie zusehen sollen, wie sie ohne gerechten Prozess verhungern oder ermordet werden, fragt Kleinschmidt. Den Rachefeldzügen ruandischer Soldaten fielen damals zahlreiche Menschen zum Opfer, darunter viele Unschuldige. Die Flüchtlinge im Kongo waren mehrheitlich Angehörige der Hutu-Ethnie aus Ruanda. Sie flohen 1994 nach dem Genozid ins Nachbarland. Zuvor hatten Angehörige der Hutu innerhalb von drei Monaten 800 000 Tutsi und einige nicht regimetreue Hutu in Ruanda ermordet.

Internationale Schlagzeilen hat Kleinschmidt als Leiter des jordanischen Flüchtlingslagers Zataari gemacht. Er hat das Lager in eine Stadt verwandelt, in der die Menschen einkaufen können, statt Almosen zu empfangen. In seinem Buch erklärt Kleinschmidt, wie er aus Mafiabossen Geschäftsleute gemacht hat. Man müsse die Flüchtlinge ernst nehmen und zuhören, wie sie leben wollten, schreibt der 53 Jahre alte Nothelfer. Er plädiert für eine Kooperation von Hilfsorganisationen und Unternehmen. Er traut der Wirtschaft mehr Effizienz zu als den humanitären Helfern. Er hat inzwischen bei den UN gekündigt und eine eigene Firma gegründet. Er will Expertenwissen an Menschen in Not vermitteln. Kleinschmidt behauptet, nach seinem Konzept könnten Menschen "leicht" dem Elend entkommen.

Leicht, das ist allerdings reden pro domo eines Neu-Unternehmers. Auch Firmen treffen in Entwicklungsländern auf Korruption, Willkür und machthungrige Politiker. Und oft kungeln sie mit ihnen um des Geschäftes willen, zum Schaden der Bevölkerung.

Judith Raupp ist Journalistin und bildet im Ostkongo lokale Kollegen aus.

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