Krise in der Ukraine:Steinmeier fordert zweite Ukraine-Konferenz

Ukrainian Interior Ministry security forces members block participants of a rally outside a city police department in Odessa

Polizisten versuchen in Odessa prorussische Aktivisten davon abzuhalten, das Gebäude der Sicherheitskräfte zu stürmen.

(Foto: REUTERS)

+++ Außenminister Steinmeier wirbt für eine neue Ukraine-Konferenz in Genf +++ Russlands Präsident Putin fordert in Telefonat mit Kanzlerin Merkel Kontrahenten zum Dialog auf +++ OSZE-Chef Burkhalter reist am Mittwoch nach Moskau +++

Die Entwicklungen im Newsblog

  • Außenminister Steinmeier fordert zweite Ukraine-Konferenz
  • Kremltreue Anhänger haben die Zentrale der Polizei in der südukrainischen Stadt Odessa angegriffen. Die Sicherheitskräfte lassen daraufhin prorussische Separatisten frei, die nach Ausschreitungen am vergangenen Freitag festgenommen worden waren
  • Putin telefoniert erneut mit Kanzlerin Merkel und mahnt einen Dialog an
  • Jazenjuk beklagt russischen "Plan zur Zerstörung der Ukraine"
  • Russland befürchtet nach der Freilassung der OSZE-Militärbeobachter Großangriff gegen Separatisten
  • Kiew setzt "Anti-Terror-Einsatz" im Osten der Ukraine fort, Schusswechsel in Lugansk, Mariupol, Kramatorsk und Slawjansk

Steinmeier fordert zweite Ukraine-Konferenz: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) fordert eine zweite Genfer Konferenz zum Konflikt in der Ukraine. Er habe bereits in vielen Gesprächen unter anderem mit US-Außenminister John Kerry und seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow dafür geworben, "dass man dem ersten Genfer Treffen jetzt ein zweites Genfer Treffen folgen lässt", sagte Steinmeier in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Dort müssten "endlich klare Verabredungen getroffen werden", um eine politische Lösung des Konflikts zu erreichen. Als Vorschläge für eine Entschärfung der Krise in der Ukraine nannte er eine Stärkung der Vermittlungsrolle der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und lokale runde Tische.

Prorussische Aktivisten gehen gegen Polizei vor: Hunderte Demonstranten haben die Zentrale der Sicherheitskräfte in der südukrainischen Stadt Odessa angegriffen. Mehr als 2000 Demonstranten schlagen Fenster ein und durchbrechen ein Tor mit zwei Lastwagen. Die Polizisten kommen ihrer Forderung nach und lassen einige kremltreue Anhänger wieder frei, die nach Ausschreitungen festgenommen worden waren. Am vergangenen Freitag hatten sich Anhänger Kiews und Moskaus Straßenschlachten geliefert. Dabei starben mindestens vier Menschen, 38 weitere kamen bei einem Brand im Gewerkschaftshaus um, unter ihnen waren vor allem prorussische Aktivisten. Der ukrainische Übergangspremier Arsenij Jazenjuk hatte die Polizei für die Eskalation verantwortlich gemacht. Die Kritik am Verhalten der Sicherheitskräfte in dem aktuellen Konflikt ist im gesamten Land groß. Für ihr Versagen gibt es vielerlei Gründe: ihre oft schlechte Ausbildung und mangelnde Loyalität gegenüber Kiew, miserable Bezahlung und daraus resultierende hohe Korruption sowie auch die Angst, zu Sündenböcken gemacht zu werden, sollte etwas schiefgehen (ein ausführlicher Bericht über den Zustand der Polizei in der Ukraine von SZ-Autor Florian Hassel).

Putin fordert in Telefonat mit Merkel zu Dialog auf: In einem Krisentelefonat hat Russlands Präsident Wladimir Putin erneut mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gesprochen. Putin bekräftigte seine Haltung, wonach die prowestliche Führung in Kiew dringend das Gespräch mit den moskautreuen Protestführern im Südosten des Landes suchen müsse. Merkel habe sich indessen "erleichtert über die Freilassung der OSZE-Inspekteure" gezeigt, teilte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz mit. Schwerpunkt des Gesprächs war laut Wirtz die Vorbereitung des geplanten Besuchs des Schweizer Bundespräsidenten und OSZE-Vorsitzenden Didier Burkhalter am kommenden Mittwoch in Moskau. Dabei solle unter anderem die Einrichtung Runder Tische unter der Schirmherrschaft der OSZE erörtert werden.

Jazenjuk macht Russland für Ausschreitungen in Odessa verantwortlich: Der ukrainische Übergangspremier ist nach Odessa gereist und richtet scharfe Worte an Russland. Die tödliche Gewalt sei Teil eines russischen "Plans zu Zerstörung der Ukraine", sagt er während einer Pressekonferenz. Die Ausschreitungen seien sehr gut organisiert gewesen. "Russland hat Leute hierher geschickt, um für Chaos zu sorgen", sagt Jazenjuk. Er ruft seine Landsleute dazu auf, sich zu vereinen und zu versöhnen, um "die von Moskau unterstützten Terroristen" an der Spaltung der Ukraine zu hindern. Dabei ist die Informationslage in Odessa zu den Ausschreitungen derzeit unklar: Einem vorläufigen Bericht des Innenministeriums zufolge waren es prorussische Aktivisten, die das Gewerkschaftshaus in Brand steckten. So sollen sie vom Dach Molotowcocktails auf "Zivilisten" geworfen und dadurch das Feuer verursacht haben. Ein Video auf Youtube zeigt dagegen, wie Unbekannte von der Straße aus Brandsätze auf das Gebäude warfen. Die ukrainische Zeitung Kyiv Post hat versucht die Ereignisse zu rekonstruieren.

Russland befürchtet Großangriff gegen Separatisten: Nach dem Ende des Geiseldramas befürchtet Moskau eine Großoffensive der ukrainischen Sicherheitskräfte gegen die prorussischen Separatisten im Osten des Landes. Das sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow in einem Telefongespräch mit seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier, wie das russische Außenministerium mitteilte. Beide Minister hätten ihre Bereitschaft bekundet, gleichberechtigte Verhandlungen zwischen der Zentralmacht in Kiew und den "Repräsentanten" im Südosten des Landes zu ermöglichen, hieß es aus Moskau. Die Gespräche sollten unter Führung der OSZE geführt werden. In einem weiteren Telefongespräch mit US-Außenminister John Kerry forderte Lawrow zudem die USA auf, "das Regime in Kiew zu zwingen", den Militäreinsatz in der Ostukraine zu stoppen. Die ukrainische Regierung führe einen "Krieg gegen das eigene Volk".

Kiew setzt "Anti-Terror-Einsatz" fort: Mit Kampfhubschraubern und gepanzerten Fahrzeugen gehen ukrainische Sicherheitskräfte bei ihrem "Anti-Terror-Einsatz" gegen prorussische Separatisten vor. In der Großstadt Lugansk im Osten des Landes starb bei Schusswechseln laut dem ukrainischen Innenministerium mindestens ein Aktivist, zwei weitere wurden verletzt. In Mariupol begannen die Regierungseinheiten mit dem Sturm auf ein besetztes Verwaltungsgebäude. In Konstantinowka wurden mehrere Angehörige der Sicherheitskräfte beim Kampf um einen wichtigen Fernsehturm verletzt. "Die Terroristen verwenden schwere Waffen. Aber wir halten die Stellung", teilte Innenminister Arsen Awakow mit. Aus Kramatorsk und aus Slawjansk wurden vereinzelte Schüsse gemeldet.

Die ukrainische Armee hat ihre Präsenz in Slawjansk am Sonntag noch einmal verstärkt. Soldaten mit sieben gepanzerten Fahrzeugen errichteten außerhalb der 160 000-Einwohner-Stadt einen Kontrollposten auf der Hauptverbindungsstraße in die Regionalmetropole Donezk, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet. "Die Stadt ist vollkommen umstellt", sagte die Rebellen-Sprecherin Stella Choroschewa der AFP. In Slawjansk hatte es bereits in den vergangenen Tagen schwere Kämpfe gegeben. Bei den Zusammenstößen seien mindestens sechs Menschen umgekommen, heißt es aus Kiew. Nach Angaben von moskautreuen Aktivisten hätten ukrainische Soldaten 15 Menschen getötet, darunter elf Zivilisten.

Von der Leyen verteidigt heikle Mission: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen widerspricht dem Vorwurf, die OSZE-Militärbeobachter, die sich eine Woche in der Gewalt prorussischer Separatisten im Osten der Ukraine befunden hatten, seien in einer viel zu gefährlichen Mission unterwegs gewesen. "Die Entführung der Inspektoren ist ja der Anfang der Eskalation in der Region gewesen", sagt die Ministerin im ZDF. CSU-Vizechef Peter Gauweiler hatte zuvor den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Zivilkleidung kritisiert. Die sieben OSZE-Militärbeobachter sind derweil wohlbehalten in Berlin-Tegel gelandet. Sie waren am Samstag freigelassen worden, nachdem sich Wladimir Lukin, Sondergesandter des russischen Präsidenten Wladmir Putin, und Thorbjørn Jagland, Generalsekretär des Europarates, in die Verhandlungen eingeschaltet hatten. (Mehr zu ihrer Rolle in diesem Artikel von Cathrin Kahlweit.) Auch die fünf ukrainischen Soldaten, die die OSZE-Beobachter bei ihrer Mission begleitet hatten, sind wieder frei.

Außerdem kündigt von der Leyen an, die von der Bundeswehr geführte Mission nachträglich überprüfen lassen zu wollen. "Wir werden sicherlich die Situation - diese spezifische - nochmal analysieren müssen", sagt die Ministerin in der ZDF-Sendung "Berlin direkt" und ergänzt: "Vor allem müssen wir uns die Frage stellen, wie man stärker darauf pochen kann, dass das Gastland die Sicherheitsgarantien auch umsetzen kann."

OSZE-Militärbeobachter im Interview: Der Leiter der befreiten OSZE-Inspektoren, der deutsche Oberst Axel Schneider, hat sich erleichtert über das Ende der Geiselnahme in der Ostukraine geäußert. "Von uns fällt im Moment ein beträchtlicher Druck", sagte Schneider noch in Kiew. "Die Anspannung war enorm", berichtete er in einem vom Bundesverteidigungsministerium verbreiteten Audiomitschnitt. "Wir sind sehr froh, sehr glücklich, aber auch beträchtlich erschöpft." Schneider sagte weiter, in den vergangenen Tagen habe es für das OSZE-Team eine "ständig steigende Bedrohung" gegeben. Nach Beginn der Offensive von Regierungseinheiten gegen die prorussischen Separatisten "kam sprichwörtlich das Feuer von Handwaffen und von Artillerie immer näher. Und wir waren hier zur Untätigkeit verurteilt". Der Zusammenhalt im OSZE-Team sei "ausgesprochen diszipliniert" gewesen. "Das hat uns durch die Tage gebracht."

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