Krise in der Eurozone: Merkel vs. Barroso:"Die müssen sich hassen"

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Angela Merkel hat José Manuel Barroso einst zum Amt des EU-Kommissionspräsidenten verholfen. Der Portugiese sollte nach dem Willen der Kanzlerin nie zu stark sein. Jetzt ist er zu schwach geworden - und deshalb ein Problem für Merkel.

Nico Fried

Eine alte Weisheit besagt, dass Dankbarkeit in der Politik keine Kategorie sei. José Manuel Barroso ist dafür in gewisser Weise der Fleisch gewordene Beweis. Der Präsident der europäischen Kommission wäre nämlich niemals in dieses Amt gekommen, wenn Angela Merkel ihm nicht geholfen hätte. Dasselbe gilt für seine Wiederwahl vor eineinhalb Jahren.

José Manuel Barroso hat die Sympathien von Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy verloren. (Foto: REUTERS)

Merkel hat den früheren portugiesischen Ministerpräsidenten, der von Beginn an viele Gegner hatte und sich auch neue zu schaffen wusste, stets unterstützt. Der Kommissionspräsident hat sich dafür in immer kürzeren Abständen mit Vorstößen oder Äußerungen revanchiert, über die man in Berlin alles andere als begeistert war. Das Verhältnis zwischen Merkel und Barroso hat sich kontinuierlich abgekühlt. "Die müssen sich eigentlich inzwischen hassen", sagt einer, der beide gut kennt.

Am Mittwoch zündete Barroso einen weiteren kleinen Sprengsatz für die ohnehin schon brüchige Beziehung mit der Kanzlerin. In Brüssel verkündete er, offenbar ohne vorherige Abstimmung, seinen Vorschlag, den Rettungsschirm für klamme Euro-Staaten auszuweiten und die Bedingungen für den Erhalt von Kreditsicherheiten zu lockern. "Ich mache diesen Vorschlag, weil ich davon ausgehe, dass es einen Konsens unter den Mitgliedsstaaten gibt", sagte Barroso. Er hätte es besser wissen müssen.

Aus Berlin, aber auch aus Paris kam prompt Widerspruch. Die Kanzlerin und ihr Finanzminister erklärten den Vorstoß für überflüssig. Merkel sagte, der bestehende Rettungsschirm werde gerade mal von einem Staat - Irland - in Anspruch genommen, Wolfgang Schäuble monierte die fortwährende Diskussion, die immer neue Unruhe schaffe: "Was wir überhaupt nicht brauchen können, sind Ankündigungen von diesem und jenem", sagte der Minister, und meinte Barroso wohl mit diesem als auch mit jenem.

Mit dem renitenten Kommissionspräsidenten wird die Kanzlerin freilich auch das Opfer ihrer eigenen Machtpolitik in der Europäischen Union. Merkel wollte Barroso vor nunmehr bald sieben Jahren unbedingt durchsetzen. Dieser Wunsch hatte seinerzeit auch eine innenpolitische Komponente: Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder favorisierte gemeinsam mit Frankreichs Präsident Jacques Chirac den belgischen Premierminister Guy Verhofstadt als Chef der Kommission. Verhoefstadt hatte einst durch seine politische Opferbereitschaft den Vertragsabschluss von Nizza und damit auch Schröders und Chiracs Reputation als europäische Reformer gerettet. Die damalige Oppositionsführerin Merkel organisierte aber über Wochen mit Hilfe christdemokratischer Regierungschefs sowie von Barrosos Irak-Kriegs-Kombattant Tony Blair eine Mehrheit für Barroso. Es war der erste Erfolg Merkels auf europäischer Bühne.

Ein Jahr später wurde Merkel Kanzlerin. Das Duo harmonierte zunächst, wobei Barroso zunehmend dem Vorwurf ausgesetzt war, sich gegenüber den wichtigen Regierungschefs zu willfährig zu zeigen, während sich der Verdacht gegen Merkel erhärtete, ein eher mediokrer Kommissionschef sei durchaus in ihrem Interesse, um die Vormachtstellung der Staats- und Regierungschefs und mithin besonders derer Deutschlands und Frankreichs zu bewahren.

Im Jahr 2007 datiert der letzte Auftritt in Harmonie: Nach der Rettung des EU-Vertrags in einer 36-stündigen Verhandlungstortur überreichte Barroso der Kanzlerin einen dicken Blumenstrauß und tat damit kund, wem er die Einigung zuschrieb. Böse Zungen unterstellten Barroso alsbald, er habe bei dieser Geste auch Merkels Unterstützung für seine Wiederwahl im Hinterkopf gehabt.

Ähnliche Motive wurden ihm freilich auch einige Monate später nachgesagt, als die Kommission Pläne zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes bei Autos präsentierte, die in Deutschland auf Entsetzen stießen, aber wiederum im Sinne der Franzosen waren, die Barroso auch für die Verlängerung seiner Amtszeit brauchte. Damals aber verständigten sich Merkel und Sarkozy über Barroso hinweg auf einen Kompromiss.

Mittlerweile hat sich Barroso in eine schwierige Situation manövriert. Konnte er früher auch mal versuchen, Merkel und Sarkozy gegeneinander auszuspielen, so hat er heute beider Vertrauen aufgebraucht. Der Franzose verübelte ihm besonders die scharfe Kritik der EU-Kommission an der Abschiebung von Roma vor einigen Monaten. Auf einer Sitzung des EU-Rats kam es damals zu einem heftigen Disput zwischen Sarkozy und Barroso. Merkel wiederum nervt, dass der Kommissionspräsident immer wieder in Politikfelder drängt, in denen er keine Zuständigkeit hat. Zudem gilt der Portugiese als ein etwas anstrengender Gesprächspartner, der sich an seinen eigenen Ideen so berauscht, dass er sie ständig zu wiederholen pflegt.

Barroso glaubt offenbar nicht zu Unrecht, dass eine weitere Institutionalisierung des Euro-Rettungsschirms auf Kosten der Kommission gehen dürfte. Deshalb meldet er sich zu Wort, um für sich selbst zu retten, wo nicht mehr viel zu retten ist. Dieser Kommissionspräsident sollte nach dem Willen der Kanzlerin nie zu stark sein. Jetzt ist er zu schwach geworden - und deshalb ein Problem für Merkel, die ihm einst ins Amt verhalf.

© SZ vom 14.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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