Krise der US-Geheimdienste:Versagen im großem Stil

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Tribunal am Mahagoni-Tisch: Wegen des Weihnachtsbombers von Detroit stehen die US-Geheimdienste im Kreuzfeuer - am Dienstag müssen die Chefs zum Rapport im Weißen Haus antreten.

Reymer Klüver

Am Dienstag werden sie alle an dem langgezogenen Mahagoni-Tisch im abhörsicheren Situation Room in den Katakomben des Weißen Hauses sitzen: Leon Panetta wird da sein, der CIA-Chef, der nationale Geheimdienstkoordinator Dennis Blair, Justizminister Eric Holder, Heimatschutzministerin Janet Napolitano. Ein gutes Dutzend Frauen und Männer hat der Präsident zum Rapport einbestellt, die Crème de la Crème des amerikanischen Geheimdienst- und Sicherheitsapparats.

Saubermachen im CIA Hauptquartier: Der Geheimdienst muss sich wegen zahlreicher Pannen im Fall des Weihnachtsbombers von Detroit rechtfertigen. (Foto: Foto: dpa)

Und Barack Obama wird ihnen sagen, dass er weiß, wie schwierig es ist, an Informationen über Terroristen zu gelangen und über das, was sie im Schilde führen. Er wird Verständnis zeigen, dass selbst die besten Geheimdienste nicht alles herausfinden können.

Aber eines wird er allen Beteiligten auch klarmachen, unmissverständlich: Das im Fall des nur mit Glück gestoppten Weihnachtsbombers von Detroit bewiesene "Unvermögen", vorhandene Hinweise zu verknüpfen, werde er "nicht tolerieren". Das steckte einer von Obamas engsten Beratern noch an Silvester Reportern am Urlaubsort des Präsidenten auf Hawaii.

Im großen Stil versagt

Am Dienstag werden noch keine Köpfe rollen. Der Präsident ist ein überlegter Mann. Er will Strukturen verändern. Dass es in den kommenden Wochen aber personelle Konsequenzen geben wird, dürfte allen Beteiligten an dem Treffen klar sein. Denn das System, das die Aktivitäten der nicht weniger als 16 US-Geheimdienste verknüpfen soll, hat schlichtweg nicht funktioniert. Es soll gewährleisten, dass selbst kleinste Hinweise nicht übersehen werden. Das ist nicht geschehen.

"Da hat jemand im großen Stil versagt", sagte der republikanische Senator und Geheimdienstexperte Christopher Bond. Der Präsident dürfte mit ihm in dem Punkt übereinstimmen.

Im Feuer steht vor allem der von Obama vor einem Jahr eingesetzte Geheimdienstkoordinator Dennis Blair, ein ehemaliger Admiral. Das National Counterterrorism Center (NCTC), das unter seiner direkten Aufsicht steht und alle den einzelnen Geheimdiensten zur Verfügung stehenden Informationen verknüpfen soll, hat genau das im Falle des Weihnachtsbombers nicht getan: Es gab Hinweise auf einen Nigerianer, den al-Qaida in Jemen auf einen Anschlag vorbereitete.

Es gab Gerede in der Terrorszene über einen Anschlag zu Weihnachten. Es gab schließlich die Warnungen des Vaters. Vielleicht noch andere Hinweise, von denen die Öffentlichkeit noch gar nichts weiß. Und nichts ist geschehen.

Aber auch einzelne Geheimdienste stehen in der Kritik: Der elektronische Abhördienst hätte den abgefangenen E-Mails zwischen dem militanten jemenitischen Imam Anwar Al-Aulaki und dem mutmaßlichen Weihnachtsbomber, Umar Faruk Abdulmutallab, stärkere Beachtung schenken müssen. Die CIA wiederum schenkte den Warnungen seines Vaters nicht genug Beachtung. Und die Diplomaten des State Departments überprüften nach dem Gespräch mit Abdulmutallabs Vater nicht, ob Abdulmutallab über ein Visum für die USA verfügte, obwohl er wegen des Gesprächs in die Datei der Terrorverdächtigen beim National Counterterrorism Center aufgenommen wurde.

Das immerhin wird sich ändern: Die Konsularbeamten des Auswärtigen Amtes kämmen ihre Visa-Dateien ab sofort regelmäßig auf Namen durch, die in den Terrordateien des NCTC stehen.

Behördeninterner Machtkampf

Klagen über Kommunikationsmängel zwischen den einzelnen amerikanischen Geheimdiensten sind so alt wie die Dienste selbst. Bereits 1955 empfahl eine Kongresskommission, den CIA-Chef als obersten Geheimdienstler der Nation einzusetzen. Das scheiterte am Widerstand des Pentagon, das den Geheimdienstapparat des Militärs nicht den Zivilisten der CIA unterstellen wollte.

1985 sollten der zunehmend an Bedeutung gewinnende Kampf gegen Terroristen im Counter-Terrorism Center bei der CIA koordiniert werden - doch die Kommunikationsmängel zwischen den einzelnen Diensten wurden nicht beseitigt, wie die Anschläge vom 11.September 2001 unmissverständlich klar machten.

Eine neue Kongresskommission empfahl 2004 die Einsetzung eines Geheimdienstkoordinators, was der damalige Präsident George W. Bush auch machte. Seither aber führen der neue Geheimdienstkoordinator und der CIA-Chef vor allem einen behördeninternen Machtkampf um Kompetenzen und den Zugang zum Präsidenten - und das völlig unabhängig davon, wer die jeweiligen Posten innehat.

© SZ vom 02.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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