Krise auf dem Ausbildungsmarkt:Heftiger Widerstand gegen Lehrstellen-Abgabe

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Die SPD-Bundestagsfraktion hat mit ihrem Plan für die Abgabe starken Protest bei Opposition und Wirtschaftsverbänden ausgelöst. Auch Wirtschaftsminister Clement kritisierte das Vorhaben.

Von Robert Jacobi

(SZ vom 12.11.2003) - Am Dienstag wurde erwartet, dass die SPD-Abgeordneten noch am Abend ein Konzept beschließen, das Fraktionschef Franz Müntefering und seine Stellvertreterin Nicolette Kressl entwickelt hatten. "Wir werden nicht zulassen, dass eine große Anzahl junger Menschen den Anschluss an die Arbeitswelt und damit auch an das gesellschaftliche Leben verpasst", heißt es dort.

Ein "zentraler Fonds auf Bundesebene" solle bei jenen Unternehmen eine Strafzahlung einziehen, die "nicht oder nur unzureichend ausbilden". Nach Ansicht von SPD und Grünen müsste die Unionsmehrheit im Bundesrat einer solchen Lösung nicht zustimmen.

Erstmals greifen würde das Gesetz, wenn zu Beginn des nächsten Lehrjahres im kommenden Herbst eine noch nicht festgelegte Zahl von Jugendlichen unversorgt bleibt. In diesem Jahr liegt die Zahl der Betroffenen laut Bundesanstalt für Arbeit noch bei etwa 24000.

Schröder kontra Clement

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) war am Montag auf die Linie der Befürworter einer Zwangslösung eingeschwenkt. Damit bremste er Wirtschaftsminister Clement aus, der sich mehrmals gegen ein Gesetz ausgesprochen hatte und jetzt offenbar einen Gegenvorschlag erarbeiten will. "Ich habe bisher nichts erreicht", sagte Clement.

Bildungsministerin Edelgard Bulmahn verteidigte dagegen das Konzept der Fraktion, ebenso wie SPD-Generalsekretär Olaf Scholz und Fachpolitiker der Grünen. In Parteikreisen hieß es, dass die Aussicht auf eine Ausbildungsumlage die Reformkritiker vor dem SPD-Parteitag in der kommenden Woche beruhigen soll.

In der teils turbulenten SPD-Fraktionssitzung meldeten sich Abgeordnete beider Seiten zu Wort. Kressl und Müntefering verteidigten ihr Papier. "Wir wollen das Gesetz haben", sagte der Fraktionschef.

Westerwelle spricht von einem "bürokratischen Monstrum"

Der Bundestag solle sich schon im Februar damit befassen. Nach Clement warnte auch der Chef des Wirtschaftsausschusses, Rainer Wend, vor den Folgen einer Umlage, welche die Ursachen der Krise nicht bekämpfe. Angesichts der Stagnation sei es "ganz logisch", dass die Ausbildungsleistung der Wirtschaft zurückgehe.

Eine Umlage übertünche das Problem, dass viele Jugendliche nicht ausbildungsfähig seien. Ungeklärt sei, wie die Daten erfasst werden. "Bleibt zu hoffen, dass letztlich nichts daraus wird", sagte Wend. "Eine neue Bürokratie können wir natürlich nicht gebrauchen", sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Klaus Brandner.

Die Reaktionen von Wirtschaft und Opposition fielen ungewöhnlich heftig aus. Es handle sich bei der geplanten Ausbildungsplatzabgabe um ein "bürokratisches Monstrum", sagte FDP-Chef Guido Westerwelle. Stoiber sagte, die Abgabe werde nur dazu führen, dass sich Betriebe freikauften und gar nicht ausbildeten.

Gewerkschaften verteidigten das Gesetzesvorhaben

Die Wirtschaft werde mit bis zu zehn Milliarden Euro belastet. Ein Gesetz schrecke Investoren ab und vernichte Lehrstellen. Die Union werde zwar die Abgabe im Bundesrat nicht verhindern können, sie das Gesetz aber bei einem Regierungswechsel zurücknehmen.

"Eine Ausbildungsplatzabgabe geht an der Wirklichkeit und den tatsächlichen Problemen vorbei", sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Es handle sich um einen "Rückschritt zu weiterer Umverteilung und zusätzlicher Bürokratie". Widerspruch kam auch aus der Gastronomie, deren Ausbildungsquote traditionell hoch ist.

"Das wäre ein Hammerschlag für unsere fantastischen Ausbildungsleistungen", sagte der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands, Ernst Fischer. Industrie- und Handelskammern und das Handwerk werteten eine Abgabe ebenfalls als kontraproduktiv.

Die Gewerkschaften verteidigten dagegen das Gesetzesvorhaben. IG-Metall-Vorstandsmitglied Erwin Vitt sagte, die Regierung verspiele Glaubwürdigkeit, wenn sie angesichts des Mangels an Ausbildungsplätzen keine Abgabe einführe. Die deutsche Wirtschaft werde nicht "in den Ruin getrieben".

(sueddeutsche.de)

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