Krise an der Elbe:Der Fluch der großen Pötte

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Hamburg macht der Trend zu riesigen Containerschiffen zu schaffen. Seit Jahren wartet der Hafen auf Entscheidungen über die Elbvertiefung - doch das ist nicht das einzige Problem.

Von Peter Burghardt

Natürlich kommen noch immer die großen Schiffe nach Hamburg, trotz aller Engpässe. Am Dienstag zum Beispiel lief unter britischer Flagge die Hanjin Blue Ocean ein, sie kam über Singapur, den Suezkanal und Algeciras aus China: 366 Meter lang, 48 Meter breit, bepackt mit 13 000 Containern. Am Mittwoch wird die 400 Meter lange CSCL Globe erwartet, vier Fußballfelder passen hinein und bis zu 19 000 Container. Solche Besuche sind Routine an der Elbe, mehr als tausend dieser Großpötte aus dem Liniendienst erreichen jedes Jahr die Hamburger Kräne. Auch die Queen Mary 2 kehrt nach einem Atlantiktrip gerade aus New York zurück. Doch Deutschlands wichtigster Hafen war schon mal beliebter.

Unter Europas Häfen belegt die Hansestadt nur noch Platz drei, hinter Rotterdam und Antwerpen. 2015 war der Hamburger Containerumschlag um 9,3 Prozent auf 8,82 Millionen Stück zurückgegangen. Kürzlich meldete der Hafenkonzern HHLA auch für 2016 schwindende Zahlen. Die Statistik der Hafen Hamburg Marketing klang am Dienstag zwar nicht mehr so dramatisch: Im ersten Semester 2016 seien es 1,2 Prozent Container weniger gewesen als vor einem Jahr, bei den gesamten Hamburger Seegütern steht ein Minus von 0,9 Prozent. Das Geschäft stabilisiere sich - aber bisher geht es weiter abwärts. Die Gründe der Krise finden sich weit weg, die EU-Sanktionen gegen Russland und Chinas rückläufiger Außenhandel kosten Hamburg Hunderte Millionen Euro. Die russischen Verbindungen gingen um mehr als 30 Prozent zurück. Da ist allerdings auch diese Lage, die lange ein Vorteil war und nun auch zum Nachteil wird. "Die großen Schiffe", sagt Ulrich Malchow, Professor für Maritime Ökonomie an der Hochschule Bremen, "sind Gift für Hamburg."

Denn einerseits liegt dieser Hafen für seine Benutzer (und für Touristen) grandios günstig, mitten in der zweitgrößten Stadt eines führenden Industriestaates. Wo sonst fahren Frachtriesen und Kreuzfahrtdampfer so nah ans Zentrum, dass man sie zuweilen noch am Rathaus tuten hört und in der Kneipe bei der Globalisierung zusehen kann? Andererseits ist es auf der Elbe eng geworden und stickig. "Was da für Klimmzüge gemacht werden müssen, um die Schiffe rein- und rauszukriegen", sagt Malchow. "Wie mit dem Schuhanzieher." Ankunft und Abfahrt der Kolosse funktionieren ohnehin nur bei Flut. Auch landen Großfrachter auf ihren Touren hier nie voll beladen. Die Betreiber fordern einen Umbau, den Ökologen ebenso bestimmt ablehnen: die Elbvertiefung.

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(Foto: Jasper Juinen/Bloomberg)

Immer weniger Schiffe zu sehen: An den Container-Terminals wurde in den vergangenen Jahren seltener auf- und abgeladen.

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(Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

Ladekran im Einsatz: Obwohl die Wirtschaft in Deutschland boomte, ging der Containerumschlag in Hamburg zurück. Nun stabilisiere sich die Lage, heißt es.

Ein Problem für den Hafen ist seine Lage an der Elbe, 100 Kilometer vom Meer entfernt. Auf dem Fluss ist es zu eng für die modernen Riesenschiffe.

Um einen Ausbau der Elbe wird gestritten, seit Jahren schon. Und die Schiffe werden immer größer.

Hamburg will Global Player in Hafendingen bleiben. Doch fest steht: Deutschlands wichtigster Hafen war schon mal beliebter.

Und in Zukunft werden die Hafenarbeiter in den Containerterminals noch härter gegen die Konkurrenz kämpfen müssen.

Durch einen Ausbau würden Vögel und Fische sterben, befürchten Naturschützer

Ende Dezember wird das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wohl entscheiden, ob die Unterelbe ab Cuxhaven ausgebaggert werden darf. Wenn ja, dann wird die Fahrrinne tiefer und breiter - Fahrrinnenanpassung nennt man das. Auf diese Weise sollen Schiffe mit mehr Tiefgang leichter an den Kai gelangen und besser aneinander vorbeikommen. Gestritten wird darüber seit mehr als einem Jahrzehnt.

Naturschützer sind dagegen und haben geklagt. Sie fürchten Versalzung und Sauerstoffmangel im Wasser, sterbende Vögel und Fische. Bauern haben Angst um ihr Obst. Und im Hafen ist die Luft schon längst miserabel, obwohl der Treibstoff in Küstennähe inzwischen schwefelärmer sein muss. Der Europäische Gerichtshof verwies 2015 auf die Umweltrichtlinien der EU, überlässt das letzte Wort aber den Leipziger Richtern. Hamburgs Grüne, die Bürgermeister Olaf Scholz und seiner SPD beim Regieren helfen, wollen das Urteil der Justiz akzeptieren. Die Mächtigen der Stadt finden, dass ihr Hafen diesen Ausbau dringend braucht. "Wir warten seit zehn Jahren darauf", sagt HHLA-Sprecher Torsten Engelhardt in der Hamburger Speicherstadt. "Solche Wartezeiten können Sie international kaum jemandem vermitteln." HHLA-Kunden, also die wichtigsten Reedereien der Welt, würden immer wieder fragen, wieso das so lange dauere.

Wilhelmshaven bietet genug Tiefgang für die Riesen, doch das allein zählt nicht

Als diese Fahrrinnenanpassung alias Elbvertiefung 2002 geplant wurde, waren die größten Schiffe mit 14 000 Containern unterwegs. Inzwischen haben auf noch längeren und breiteren "Ultra Large Container Vessels" 20 000 Stahlboxen Platz. Das ist nach Ansicht von Experten zwar Unsinn, weil viele dieser Monster kaum mehr ausgelastet sind und sich die Reedereien in einem abstrusen Preiskampf verzetteln. Aber die Häfen machen mit. Rotterdam wurde um weitere Terminals erweitert. Auch der polnische Rivale Danzig wird für Hamburg zunehmend zum Konkurrenten.

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(Foto: N/A)

SZ-Grafik

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Dabei besitzt Deutschland seit 2012 einen Tiefwasserhafen, den JadeWeserPort in Wilhelmshaven. Werbespruch: "No Tide. No Limits." Wieso immer weiter in der Elbe graben, wenn Schiffe jeder Größe ihre Ladung auch dort an der Nordsee löschen und aufnehmen könnten? Weil viele Reedereien, Spediteure und Firmen ihre Fracht lieber 150 Kilometer die Elbe hinauf verschiffen, meinen Unterstützer der Hamburger Pläne. Der Transport auf dem Wasser ist billiger als auf Zug und Lkw. Hamburg wirbt mit Logistik, Schienen, Autobahnen und der nahen Ostsee. Außerdem bleibt ein Drittel der Waren im erweiterten Umland, Berlin eingeschlossen. Weitere Großabnehmer sitzen in Bayern, Baden-Württemberg, Österreich und Tschechien.

Es geht auch um die Tradition und das Selbstverständnis des Stadtstaates Hamburg. Das merkt bereits, wer Machtzentren wie den Backsteinbau der HHLA betritt. "Die Welt wächst zusammen", steht da auf dem Portal. Ein deutsches Hafenkonzept? "Sie können die internationalen Ladungsströme nicht national steuern, nicht einmal innerhalb der EU", sagt HHLA-Sprecher Engelhardt. "Wir reden hier von Welthandel und Weltwirtschaft."

Hamburg will Global Player bleiben. "Hamburg wird als wichtigster deutscher Exporthafen immer eine Rolle spielen", versichert Lutz Birke von der Hamburg Port Authority, die den schwächelnden Motor der Stadt steuert. "Ich habe keine Sorgen, dass wir zum Regionalhafen absteigen." Die Frage sei zudem, woran man den Erfolg eines Hafens bemesse. Es gehe außer um Containerzahlen auch um Jobs und Steuern. Von China will Hamburg künftig weniger abhängig sein und weitere Märkte wie Indien oder Indonesien stärken. "Am Ende des Tages", sagt Birke, "sucht sich immer die Ware ihren Weg."

© SZ vom 17.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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