Kriminelle Ausländer:Kochs rechtes Gebräu

Kurz vor der Landtagswahl: Hessens Ministerpräsident Roland Koch übt den maximalen Befreiungsschlag und greift dabei auf alte Rezepte zurück. Doch sein ausländerkritischer Populismus löst die Probleme nicht - im Gegenteil.

Hans-Jürgen Jakobs

Für einen Politiker drückt sich Not in schlechten Umfragewerten und schlechten Wahlergebnissen aus. Wenn die Not am größten ist, also die Gefahr einer Enttäuschung am Wahlsonntag am größten, dann gilt das Prinzip des maximalen Befreiungsschlags.

Kriminelle Ausländer: Roland Koch greift - wie schon 1999 - auf ausländerkritische Äußerungen im Wahlkampf zurück.

Roland Koch greift - wie schon 1999 - auf ausländerkritische Äußerungen im Wahlkampf zurück.

(Foto: Foto: AP)

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch, der am 27. Januar 2008 zum dritten Mal gewählt werden will, hat sich nun dieses Prinzips erinnert - und seines alten Rezepts des ausländerkritischen Populismus. Mit seiner Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft war der CDU-Politiker in Zeiten von Rot-Grün - und des Helmut-Kohl-Debakels - vor fast neun Jahren erfolgreich gewesen. Nun wagt er eine nächste Breitseite gegen vieles, was nicht deutsch ist.

"Wir haben zu viele junge kriminelle Ausländer!", stellt er in Bild nach dem brutalen U-Bahn-Angriff auf einen Münchner Rentner fest, was von dem Boulevardblatt mit der Feststellung verziert wird, hier spräche "der erste Politiker Klartext".

Im Interview äußert sich der Christdemokrat durchaus differenzierter, er sagt jedoch auch einen Satz wie: "Wir haben aber zu lange ein seltsames soziologisches Verständnis für Gruppen aufgebracht, die bewusst als ethnische Minderheiten Gewalt ausüben". Bis vor Kurzem seien "in multikultureller Verblendung" Verhaltensweisen toleriert worden, die inzwischen "zu hochexplosiven Gruppen-Aggressionen führen können". Dann redet Koch noch davon, dass Deutschland kein klassisches Einwanderungsland sei und preist die seit vielen Jahrhunderten existierende christlich-abendländische Kultur.

Mal ganz abgesehen davon, dass dazu einst etwa auch die Inquisition gehörte: In diesem Kochschen Gebräu ist alles enthalten, was die konservative Klientel, gerne auch richtig rechts von der Mitte - mobilisieren soll: Vorbehalte gegen "Multi-Kulti", Abrechnung mit der Integrationspolitik, Angst vor Überfremdung und Gewalt sowie das Preisen deutscher Lösungen.

Als ob es so einfach wäre. Als ob Deutsche in Deutschland systematisch gejagt würden. Einer der Täter bei dem gefährlichen Münchner Überfall ist als Grieche EU-Bürger und die Europäische Union gehört bekanntlich zu den Realitäten, die gerade auch Christdemokraten jahrzehntelang gefördert haben. Der andere Täter wiederum, ein Türke, stand schon wiederholt vor Gericht, ohne dass es zu adäquaten Maßnahmen kam. Warum soll nach der verabscheuungswürdigen Einzeltat in der U-Bahn eine neue Ausländerpolitik nötig sein?

Ja, es gibt zu viel Gewalt unter jungen Leuten, aber das betrifft Deutsche wie Nicht-Deutsche. Ja, es gibt im Besonderen übrigens zu viele junge kriminelle Ostdeutsche mit Nazi-Hintergrund, die Ausländer jagen.

Mit ein paar Sprüchen vor Wahlterminen sind solche Probleme jedoch nicht zu lösen. Solche Ausfälle der Kriminalität wie in München weisen vielmehr auf Risse in der Gesellschaft, auf große Zonen, in denen zu wenige hinschauen, was sich da entwickelt. Zu einer gelungenen Integraton gehören eben auch Arbeitsplätze, die vorhanden sein müssen, und gemeinsame kulturelle Projekte. Dafür muss Geld da sein.

Diejenigen, die einseitig hetzen, vertiefen die Kluft zwischen Kulturen nur, anstatt sie zu überbrücken. Roland Koch galt einmal als einer der ersten Anwärter auf das Kanzleramt, bevor Angela Merkel ihn und Christian Wulff aus Niedersachsen neutralisierte. Jetzt muss Koch in seinem Stammland kämpfen, und dass er dabei zu schweren Krachern aus dem Lager der Zündler greift, macht ihn nicht reifer für eine bundesdeutsche Verantwortung.

Hessen müsse "Erfolgsland" bleiben und dürfe nicht "zur Spielwiese von ideologischen Geisterfahrern werden" - diese Melodie gibt die CDU Hessen derzeit vor. Zum Zwecke des Wahlerfolgs scheint ihr jedes Mittel recht und auch größerer Kollateralschaden hinnehmbar zu sein. Die Frage ist, ob sich so die früheren Erfolge am Ende wiederholen lassen, ob also 2008 wirklich 1999 ist.

Die Not ist offenbar groß, gerade für Roland Koch.

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