Krim-Krise:Putin baut sich seine Welt

Vladimir Putin

Russlands Präsident Putin während der Pressekonferenz zur Lage in der Ukraine.

(Foto: AP)

Einblicke in einen anderen Gedanken-Kosmos: Russlands Präsident präsentiert auf einer Pressekonferenz seine Meinung zur Ukraine. Er behält sich vor, das Militär einzusetzen und wirft den USA vor, die Ukrainer wie Laborratten zu behandeln. Putins Auftritt zeigt, warum der Kampf um das Land noch nicht entschieden ist.

Von Hannah Beitzer

Wladimir Putin leidet an Realitätsverlust. Diese nicht sehr schmeichelhafte Diagnose des Seelenzustands des russischen Präsidenten wird Angela Merkel zugeschrieben. Die Kanzlerin soll in einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama gesagt haben, der Russe lebe "in einer anderen Welt". In diese Welt gibt Wladimir Putin nun Einblick - auf einer Pressekonferenz, die live vom russischen Fernsehen übertragen wird. Dabei geht es vor allem darum, was in der Ukraine und auf der Krim geschieht und welche Rolle Russland dabei spielt.

"Was in Kiew passiert ist, war ein verfassungswidriger Putsch, eine bewaffnete Machtübernahme", sagt Putin zu Beginn. "Das kann niemand abstreiten." Dabei habe der gestürzte Präsident Viktor Janukowitsch jenes Abkommen doch unterschrieben, das Neuwahlen und eine Rückkehr zur alten Verfassung vorsah. Der russische Präsident gibt sich erschüttert darüber, dass der mit Deutschland, Frankreich und Polen ausgehandelte Kompromiss dem Druck der Straße nur wenige Stunden standhalten konnte.

"Wozu das also alles?" fragt Putin nachdrücklich die auf der Pressekonferenz anwesenden Journalisten. Er spricht von vermummten Bewaffneten, die in Kiew die Kontrolle übernommen hätten. Damit folgt er der Argumentationslinie seiner Regierung und der staatlichen russischen Medien, laut denen die ukrainische Protestbewegung von rechten Faschisten kontrolliert wird.

Kein Mitleid mit Janukowitsch

Er könne ja verstehen, dass die einfachen Menschen auf dem Maidan sich einen Wandel wünschten - einen echten Wandel, so betont es Putin, nicht nur eine Änderung der Fassade der politischen Macht. Oft werde nur ein Schurke durch den anderen ersetzt - ein klarer Seitenhieb auf die ukrainische Übergangsregierung. Doch bei allem Verständnis: Ein solcher Umbruch dürfe nun einmal nicht mit Gewalt, gegen das Gesetz, geschehen.

Deswegen sei Viktor Janukowitsch für ihn immer noch der legitime Präsident der Ukraine - auch wenn dieser, so gibt es Putin zu, keine politische Zukunft mehr habe. Er hält ihn dennoch nicht für verantwortlich für die Dutzenden Toten der Proteste in der Ukraine. Janukowitsch habe in Kiew keinen Schießbefehl gegeben. Er habe im Gegenteil den Rückzug der Sicherheitskräfte vom Maidan angeordnet.

Wer ist dann schuld daran, dass Demonstranten mit gezielten Schüssen getötet wurden? Putin raunt, die Scharfschützen seien möglicherweise von der Opposition bezahlte Provokateure.

Ob er Mitleid mit Janukowitsch habe, wird Putin gefragt. "Nein", sagt er und grinst. "Wirklich nicht."

Derzeit kein Militäreinsatz nötig

Doch lieber als über den ukrainischen Ex-Präsidenten, der jetzt in Russland festsitzt, möchte Wladimir Putin über die neue Regierung in Kiew reden. Der Umsturz sei ja wirklich sehr gut vorbereitet gewesen, sagt er spitz. "Da haben die westlichen Instrukteure ganze Arbeit geleistet." Dennoch sehe er derzeit keine Notwendigkeit, Truppen in die Ukraine zu schicken. Mit Betonung auf "derzeit". "Wenn wir sehen, dass im Osten und Süden der Umsturz ethnische Russen gefährdet, werden wir ihnen helfen", sagt er. "Das ist absolut legal."

Legal ist es das bestenfalls nach russischem Recht, das einen solchen Einsatz zum Schutz von Russen im Ausland tatsächlich vorsieht. Experten hingegen meinen, er verstoße bereits jetzt auf der Krim klar gegen das Völkerrecht.

Zuletzt hatten ukrainische Medien, aber auch westliche Reporter immer wieder von russischen Soldaten berichtet, die auf der Halbinsel faktisch die Kontrolle übernommen hätten. Putin winkt ab. Diese Soldaten "ohne Kennzeichen" seien keine Russen, sagt Putin, sondern: "einheimische Selbstverteidiger". Uniformen gäbe es schließlich in jedem Laden zu kaufen. Russland soll gegen das Völkerrecht verstoßen haben? Das weist mir erst mal nach! So in etwa ist die Botschaft des Präsidenten.

USA behandeln die Ukraine wie eine Laborratte

Hinter der Kritik aus dem Westen vermutet er einen altbekannten Feind: die USA. "Unsere Partner formulieren ihre Interessen immer sehr klar und deutlich", sagt der russische Präsident spitz. "Und dann schleppen sie die ganze restliche Welt hinter sich her, und wer nicht folgt - auf den zeigen sie mit dem Finger." Auf ihn wirkten die USA, als behandelten sie die Ukrainer wie Laborratten, an denen sie politische Experimente durchführten - ohne Rücksicht auf die Menschen. Zu den Sanktionen, mit dem der Westen seinem Land immer offener droht, sagt er: "Wer Sanktionen einführt, muss ihre Folgen bedenken. Sie werden beiden Seiten schaden."

Er wirkt fast trotzig, als Wladimir Putin erklärt, sein Land bereite sich selbstverständlich weiter auf den Gipfel der G 8 in Sotschi vor. "Wenn die anderen nicht anreisen wollen, müssen sie das nicht tun", sagt Putin. Zuvor hatten die sieben führenden Industrienationen der Welt (G 7) alle Vorbereitungstreffen für den G-8-Gipfel mit Russland im Juni ausgesetzt.

Wladimir Putin, das wird überdeutlich, lebt tatsächlich in einer anderen Welt als seine politischen Gegenpole im Westen. Doch diese Welt folgt ebenso ihrer eigenen Logik wie es auch die des Westens tut. Was davon nun die vielbeschworene Realität ist, ist reine Interpretationssache. Dieser Eindruck bleibt von der Pressekonferenz.

Putin ist jedenfalls entschlossen, dass die Ukraine Teil seiner Welt bleibt und nicht in Richtung Europa verschwindet. Er will den Kampf um das Nachbarland nicht aufgeben. Und der ist, so zeigen es nicht zuletzt die Geschehnisse auf der Krim, alles andere als entschieden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: