Mutmaßlicher Kriegsverbrecher:Mladic auf dem Weg nach Den Haag

Die Auslieferung begann nur wenige Stunden, nachdem ein Gericht einen Revisionsantrag abgelehnt hatte: Der mutmaßliche Kriegsverbrecher Ratko Mladic ist dem UN-Tribunal in Den Haag überstellt worden - nachdem er am Morgen noch das Grab seiner Tochter besuchen durfte.

Am Vormittag wies ein serbisches Gericht einen Einspruch gegen die Auslieferung Ratko Mladics an das UN-Tribunal zurück, jetzt ist der mutmaßliche serbische Kriegsverbrecher schon auf dem Weg nach Den Haag. "Mladic ist ausgeliefert", sagte Serbiens Justizministerin Snezana Malovic in Belgrad.

Zuvor deuteten mehrere Anzeichen auf eine schnelle Auslieferung Mladics hin: Nach Medienberichten hatte am Nachmittag eine Kolonne von Polizei-Jeeps das Gebäude des Gerichts verlassen, in dem der 69-Jährige seit seiner Verhaftung am letzten Donnerstag saß. Die Autobahn von der Innenstadt in Richtung Flughafen sei von der Polizei gesperrt worden. Es wurde erwartet, dass Mladic mit einer Sondermaschine der Regierung nach Rotterdam geflogen wird.

Der Ex-General hatte sich in den letzten Stunden vor seiner Abreise in seiner Gerichtszelle mit seinen engsten Verwandten getroffen. Seine Frau Bosiljka hatte ihm einen großen Koffer mit Kleidung und persönlichen Gegenständen mitgebracht.

Vergangenen Montag hatte Mladics Anwalt einen Antrag auf Berufung eingereicht. Sein Mandant sei gesundheitlich nicht in der Lage, an einem Prozess teilzunehmen, lautete die Begründung. Diesen Einspruch wies der Hohe Gerichtshof in Belgrad zurück, sagte eine Sprecherin des Gerichts und kündigte an, den früheren serbischen General und Vertraute des Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic so schnell wie möglich an das Haager UN-Kriegsverbrechertribunal auszuliefern. "Binnen weniger Stunden" könne die serbische Justizministerin die Anordnung der Überstellung unterzeichnen, hieß es nach dem Urteil aus Kreisen der serbischen Justiz - und so kam es.

Der meistgesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher Europas war in der vergangenen Woche nach fast 16 Jahren auf der Flucht in einer Ortschaft nördlich von Belgrad festgenommen worden. Dem früheren militärischen Führer der bosnischen Serben im Bürgerkrieg von 1992 bis 1995 werden Völkermord und Kriegsverbrechen vorgeworfen.

Das am Vormittag ergangene Urteil löste Demonstrationen von Anhängern Mladics aus: In Banja Luka, der Hauptstadt des serbischen Landesteils Bosnien-Heregowinas, gingen etwa 10.000 Menschen auf die Straße. Sie trugen Transparente mit Aufschriften wie "Für uns alle bist Du ein Heiliger" und "Mladic ist ein serbischer Held". Alle Serben in Bosnien seien aufgerufen, "die Errungenschaften des vaterländischen Verteidigungskrieges zu bewahren", sagten die Redner.

Bevor seine Revision zurückgewiesen wurde, durfte der 69-jährige Mladic das Grab seiner Tochter Ana in Belgrad besuchen. Mladic sei am Dienstagmorgen unter Polizeibewachung zum Friedhof Topcidersko in der serbischen Hauptstadt und anschließend wieder in seine Zelle gebracht worden, sagte der Sprecher der serbischen Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen, Bruno Vekaric. Nach dem Besuch Mladics auf dem Friedhof zierten Rosen und eine Kerze das Grab.

Mladics Tochter hatte sich 1994 im Alter von 23 Jahren im Haus ihrer Eltern erschossen. Medienberichten zufolge hielt die Medizinstudentin die bereits damals bekannten Anschuldigungen gegen ihren Vater nicht aus. Mladic selbst hatte stets behauptet, seine Tochter sei umgebracht worden. Seit seiner Festnahme hatte Mladic darauf bestanden, vor seiner Überstellung nach Den Haag das Grab noch einmal besuchen zu können.

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