Kriegsverbrecher-Prozess in Den Haag:Stratege, Schlächter, Angeklagter

Ratko Mladic hat sich selbst gern als ehrbarer General, als Diener seines Volkes präsentiert. Jetzt muss er sich für die Ermordung von rund 8000 muslimischen Jungen und Männern, Tausende Tote in Lagern und Misshandlungen vor Gericht verantworten. Seinen Opfern bleibt nur die Erinnerung - und die Hoffnung auf das Urteil.

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Ratko Mladic

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Ratko Mladic hat sich selbst gern als ehrbarer General, als Diener seines Volkes präsentiert. Jetzt muss er sich für die Ermordung von rund 8000 muslimischen Jungen und Männern, Tausende Tote in Gefangenenlagern und Misshandlungen vor Gericht verantworten. Seinen Opfern bleibt nur die Erinnerung - und die Hoffnung auf das Urteil.

Graffiti wie dieses finden sich in der serbischen Hauptstadt Belgrad oft. Serbenführer Ratko Mladic blickt auf einem von Sympathisanten erschaffenen Wandbild auf die Passanten hinab - doch ist es von Gegnern mit dem Schriftzug "Smrt", Tod, entstellt worden. Er war einer der meistgesuchten Kriegsverbrecher weltweit - bis er am 26. Mai 2011 gefasst wurde. Nur wenige Tage später wurde er dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag überstellt. Nun beginnt der Prozess gegen den 70-jährigen Ex-General (Das Kriegsverbrechertribunal gibt Mladics Geburtstag mit dem 12. März 1942 an; er selbst nennt als sein Geburtsjahr allerdings 1943).

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Ratko Mladic war während des Bürgerkrieges in Bosnien Oberkommandierender der bosnischen Serben. 1992 wurde er zum Kommandeur der Armee der Republika Srpska (VRS) ernannt, 1994 zum Generaloberst. 1992 begann der General einen Feldzug gegen die Zivilbevölkerung von Sarajevo, mit dem Ziel, Terror zu verbreiten. Mladic war es auch, der sich an einer gemeinsamen Aktion mit Kriegsverbrechern wie Radovan Karadzic und Slobodan Milosevic beteiligte, um bosnische Muslime und bosnische Kroaten langfristig aus dem Staatsgebiet Bosnien-Herzegowinas zu vertreiben beziehungsweise zu vernichten.

Prozess gegen Serben-General Mladic

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Mladic präsentierte sich selbst gerne als ehrbarer General, der seinem Volk diene. Vor Gericht wird er sich jedoch für grausame Taten verantworten müssen. Dazu gehören die Ermordung von 8000 muslimischen Jungen und Männern im ostbosnischen Srebrenica im Juli 1995, die jahrelange Belagerung Sarajevos mit Tausenden Toten, die Errichtung von Straflagern mit schweren Misshandlungen und Ermordungen, Massenvergewaltigungen und die Vertreibung Hunderttausender aus ihren angestammten Wohnorten.

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Lange hat es gedauert, bis Mladic gefasst werden konnte. Auf ihn und Karadzic wurde ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar ausgesetzt. Dennoch gelang es ihm, sich 16 Jahre lang vor der Justiz zu verstecken. Karadzic wurde dagegen bereits 2008 gefasst und vor Gericht gestellt. Er wird für das Massaker in Srebrenica mitverantwortlich gemacht.

A general view of the house where General Ratko Mladic was arrested on Thursday in the village of Lazarevo near the northeastern town of Zrenjanin

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Festgenommen wurde Mladic am 26. Mai 2011 in diesem Haus in Lazarevo, einem Dorf in der Nähe der Stadt Zrenjanin, etwa 100 Kilometer nördlich der Hauptstadt Belgrad. Mit seiner Verhaftung war auch der Weg für Beitrittsverhandlungen zwischen Serbien und der EU frei. Seit März 2012 ist Serbien offizieller EU-Beitrittskandidat.

Jahreswechsel - Mladic verhaftet

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Ohne pompöse Uniform, sondern in einfacher Jacke und mit Schildkappe wurde der einst so mächtige Mladic in Lazarevo verhaftet. Seine Leibwache, die ihn im Falle einer Verhaftung erschießen sollte, war nicht bei ihm. Mladic selbst soll bei der Verhaftung zwar bewaffnet gewesen sein, aber keinen Widerstand geleistet haben.

Former Bosnian Serb Military Leader Ratko Mladic Appears At The Hague Accused Of War Crimes

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Schon kurz nach seiner Verhaftung, am 3. Juni 2011, saß Mladic in der ersten Anhörung vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Mladic gab sich immer noch als großer Mann des Militärs und salutierte, während er seinen Sitz im Gerichtssaal einnahm.

Prozess gegen Serben-General Mladic

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Mladic, der als einer der größten Kriegsverbrecher seit 1945 in Europa gilt, präsentierte sich bei seinen ersten Auftritten vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag als unbeugsam. Er glaube weiter an die "gerechte nationale Sache"; er sei ein Führer "seines Volkes" gewesen, der lediglich dessen "legitime Rechte" habe durchsetzen wollen.

Auf dem Bild betrachten Passanten Poster mit dem Abbild des früheren Armeechefs der bosnischen Serben Ratko Mladic 2006 in Belgrad.

Pro-Mladic Supporters Demonstrate In Belgrade

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Mladics Sohn Darko verteidigte seinen Vater in einer emotionalen Rede am 29. Mai 2011. Journalisten sagte er zuvor, er glaube nicht, dass Mladic schuldig sei. Er fürchte aber um dessen Möglichkeiten, dies zu beweisen. Durch seinen sehr ernsten Gesundheitszustand sei es fraglich, ob er die erforderlichen Beweise erbringen könne. Zu der Kundgebung in Belgrad versammelten sich rund 7000 Mladic-Anhänger.

Mahmnal für Srebrenica-Opfer

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In Deutschland sorgten die Taten Mladics für Entsetzen. Am Brandenburger Tor in Berlin wurde im Juli 2010 ein Mahnmal errichtet. Ein Berg aus 16.744 zumeist aus Bosnien stammenden Schuhen sollte an die 8372 Opfer des Srebrenica-Massakers erinnern. Das Massaker gilt als schwerstes Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und wurde durch UN-Gerichte als Völkermord klassifiziert.

Serbs Mourn Bosnia War Dead

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Während in Europa Mahnmale errichtet werden, fehlt es in der Heimat nicht an radikalen Anhängern Mladics: Auf dem Bild schwenkt ein Sympathisant der Serbischen Radikalen Partei am Rande einer Zeremonie im Juli 2011 in Bratunac eine Flagge mit einem Porträt des Generals. Dabei wurde bosnischer Serben gedacht, die im Bosnienkrieg zwischen 1992 und 1995 gefallen waren. Viele Serben waren der bosnischen Serbenarmee beigetreten, die für ethnische Säuberungen, Massenvergewaltigungen und Mord an lokalen bosnischen Muslimen verantwortlich ist.

Preparations For Mass Burial Of Srebrenica Massacre Victims

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Den Hinterbliebenen der Opfer bleibt nur die Hoffnung, dass sie ihre verlorenen Angehörigen doch noch beisetzen können. Die Identifizierung der in Massengräbern verscharrten Leichname der bosnischen Muslime, die beim Massaker von Srebrenica ihr Leben verloren, geht nur langsam voran. Jedes Jahr am 11. Juli - dem Jahrestag des Genozids - wird eine Zeremonie abgehalten, bei der die neu identifizierten Opfer ihre letzte Ruhestätte finden sollen.

Prozess gegen Serben-General Mladic

Quelle: dpa

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Während Hinterbliebene der Opfer trauern, wirkt der für das Leid Verantwortliche gelassen. Bei der Anhörung im Juli 2011 winkt der ehemalige Militärchef lächelnd in die Kamera.

Im Bosnienkrieg galt Mladic als begnadeter Stratege. Eine strategische Leistung war auch seine jahrelange Flucht. Jetzt will der "Schlächter vom Balkan" im Gerichtssaal die Kontrolle behalten. Das dürfte vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal nicht leicht werden. Hier kann er sich nur mit Worten verteidigen.

© Süddeutsche.de/momi/rus/ehr
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