Kriegsverbrecher-Prozess:Der Herr der Schlächter

Grausamkeiten ohne Grenzen: In Den Haag beginnt der Prozess gegen Charles Taylor. Erstmals steht mit dem Ex-Diktator Liberias einer der größten Brandstifter Afrikas vor Gericht - die Chancen steigen, dass andere Despoten folgen.

Stefan Klein

Freetown, Ende Mai - Der Angeklagte kommt aus Liberia. Die Richterin, die über ihn urteilen wird, kommt aus Uganda. Die beiden Beisitzer sind aus Samoa und Nordirland, der Ersatzrichter ist Senegalese. Der Ankläger ist aus Amerika, und der Gerichtssaal, in dem verhandelt wird, befindet sich in Den Haag. Das Verbrechen schließlich, um das es geht in diesem Prozess, hat in Sierra Leone stattgefunden.

Klingt verrückt, aber es ist ein Stück globalisierte Justiz, ein Versuch, Gerechtigkeit zu schaffen, ohne alte Wunden aufzureißen. Am Montag geht es los. Charles Taylor, der Angeklagte, wird, wie man es gewohnt ist von ihm, gekleidet sein wie ein Dressman, wird vornehme Zurückhaltung üben und seinen Anwalt machen lassen. Der 57-Jährige war schließlich mal Präsident.

Ankläger Stephen Rapp wird sein Eröffnungsplädoyer halten, und dann wird das Verfahren vertagt werden auf den 25. Juni. Die Verteidigung soll noch ein bisschen mehr Zeit zur Vorbereitung haben.

Es wird ein großer und wahrscheinlich langer Prozess werden, mit 139 Zeugen, und am Ende könnte zum ersten Mal ein ehemaliger afrikanischer Staatschef wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt werden. In Sierra Leone, dem Land an der dampfenden, schwitzenden Westküste Afrikas, da, wo alles geschah, werden die Menschen freilich nicht viel mitbekommen von den Geschehnissen in Den Haag.

Mag sein, dass es eine Videoverbindung geben wird in die Hauptstadt Freetown, aber wer wird sich für die Videobilder schon interessieren in einer Stadt, wo sie ums tägliche Brot kämpfen müssen? Vielleicht Memunatu Pratt, die Dozentin, und für ihre Studenten wird Zuschauen womöglich sogar Pflicht sein. Aber Kaidatu Fofanaah? Und Abdulai? Grund hätten sie, sehr persönlichen Grund, aber die eine muss ihre Betteltouren im Rollstuhl machen, und der andere ist nach allem, was ihm widerfahren ist damals, noch gar nicht wieder angekommen im richtigen Leben.

Damals: neunziger Jahre, Bürgerkrieg in Sierra Leone, aber der Drahtzieher des selbst für afrikanische Verhältnisse besonders grausamen Blutvergießens saß im Nachbarland Liberia. Töten per Fernbedienung, das will die Anklage jetzt beweisen.

Charles Taylor, Nachfahre eines aus Amerika eingewanderten ehemaligen Sklaven, hatte sich in den neunziger Jahren erst mit Gewalt und schließlich mit dem Stimmzettel in Liberia an die Macht gekämpft. 75 Prozent Zustimmung in einer weitgehend freien und fairen Wahl, es schien, als wollten die Leute sagen: Ein Taylor an der Spitze des Staates macht uns weniger Angst als ein Taylor im Busch. Die Rechnung aber ging nicht auf.

Taylor, der Präsident, wurde Brandstifter einer ganzen Region, vor allem aber schürte er den Bürgerkrieg beim Nachbarn Sierra Leone. Von dort hatte eine afrikanische Eingreiftruppe Taylors Vormarsch in Liberia zu stoppen versucht, als Rache dafür rüstete Taylor die sierraleonischen Rebellen auf, die ihm den Zugriff auf die reichen Diamantenfelder des Landes sichern sollten.

Verfolgt und verstümmelt

Die Rebellen kämpften als ,,Revolutionary United Front'' (RUF) unter dem ehemaligen Hochzeitsfotografen Foday Sankoh, einem alten Bekannten Taylors. Beide hatten im Libyen des Colonels Muammar al-Gaddafi das Guerillahandwerk gelernt, und diese Beziehung sollte nun zu beiderseitigem Nutzen aufblühen. Taylor bekam Diamanten, im Gegenzug verschaffte er den RUF-Rebellen Geld, Waffen, Munition, Fahrzeuge, Benzin, Nahrungs- und Kommunikationsmittel. Er stellte ihnen Rückzugsgebiete zur Verfügung und, wenn nötig, sogar Spezialtruppen für bestimmte Operationen.

So kam es zu einer schier endlosen Terrorkampagne gegen die Zivilbevölkerung mit all den für sie typischen Scheußlichkeiten: Vergewaltigungen, Verstümmelungen, Entführungen, Plünderungen, Zwangsarbeit und sexuelle Sklaverei. Ein verbrecherischer Krieg, und zwar auch deshalb, weil an vorderster Front Kinder mitkämpfen mussten - kleine Jungs wie Abdulai.

Es war im Süden des Landes, in der Stadt Bo. Als die Rebellen kamen, war Abdulai ein elternloses Straßenkind, elf, zwölf Jahre alt. Heute ist er um die zwanzig, aber er sieht viel jünger aus, so als sei die Zeit stehengeblieben an dem Tag, als die Rebellen ihn und andere Kinder aus Bo mitnahmen. Erst war er Lastenträger, dann bekam er eine Waffe und ein kurzes militärisches Training.

Irgendwann gab es die Drogen. Es wurde geschnüffelt, es wurde gespritzt, und danach, sagt Abdulai, sei es leicht gewesen zu töten. Er hat Menschen getötet, aber er weiß nicht wie viele. Vielleicht hat er es vergessen, vielleicht konnte er so weit nicht zählen. Man sagte ihm, es ginge darum, aus Sierra Leone ein besseres Land zu machen, und Abdulai glaubte es. Ein besseres Land, getränkt in Blut und übersät mit abgeschlagenen Gliedmaßen. Er selber habe nicht zu den Schlächtern gehört, sagt Abdulai, der ein schmächtiger Junge ist, das sei Sache der kräftigen Burschen gewesen.

Zuschlagen mussten die können, mit einem Streich Arme durchtrennen. Short-sleeved, fragten sie, kurzärmelig? Dann wurde der komplette Unterarm abgehackt. Long-sleeved, langer Arm? Dann ging das Haumesser an der Handwurzel nieder. In Reihen mussten sich die Opfer aufstellen und warten, bis sie an der Reihe waren.

Kaidatu Fofanaah stand in so einer Reihe an einem Januartag 1999 in Freetown, ihr sieben Monate altes Baby Abraham auf dem Arm. Ihr Mann und die anderen acht Kinder hatten sich in Sicherheit bringen können, aber sie selber war in der Falle und sah sich den Haumessern immer näher rücken. Kaidatu hörte, wie einer von den aufgeputschten Kerlen seinen Opfern höhnisch hinterherrief: Geht doch zum Präsidenten und holt euch einen neuen Arm! Immer näher den Messern, und dann rannte sie. Aber Kaidatu kam nicht weit. Sie fiel hin, und dann sauste auch schon ein Messer durch die Luft, einmal, zweimal, und danach hatte Kaidatu keine Beine mehr. Abgetrennt unterhalb ihrer Knie. Zur Strafe, weil sie fliehen wollte.

Grafton, ein kleiner Ort etwas außerhalb von Freetown. Wer hier angesiedelt wurde, hat keinen intakten Körper mehr. Kaidatu sitzt im Rollstuhl und pult kleine Fische von den Gräten. Ihre Hände sind feucht und glitzern, von den Schuppen. Zur Begrüßung reckt sie ihren Unterarm vor. Es könnte der sein, den es eigentlich hätte treffen sollen. Ihren Torso hat sie in ein rosafarbenes Tuch gewickelt, aber man sieht auch so, dass ihr mehr fehlt als Unterschenkel und Füße.

Es war unvermeidlich. Eine Nacht lag Kaidatu auf der Straße, blutend, das Baby neben sich, um sie herum lauter Leichen. War sie bei Bewusstsein, dann betete sie, Gott möge sie sterben lassen. Irgendwann landete Kaidatu im Krankenhaus, aber dort gab es kein Personal. Es dauerte über eine Woche, bis sich ein französisches Ärzteteam ihrer annahm, aber da hatten sich die Stümpfe infiziert, Wundbrand, und es musste erneut geschnitten werden. Diesmal fachmännisch und ein Stück oberhalb der Knie.

Kaidatu hat eine tiefe Stimme und spricht Englisch mit einem kreolischen Akzent. Sie muss bis zu jenem Tag vor acht Jahren eine stattliche, stolze Frau gewesen sein, die Königin der Ross Street im Armeleuteviertel East End. Da verkaufte sie Essen und verdiente gut. Was der Ehemann als Lastwagenfahrer heimbrachte, kam noch dazu. Kein schlechtes Leben. Vorbei.

Schuld an ihrem Unglück, sagt sie, sei Charles Taylor, und wie so viele andere Menschen in Freetown zitiert auch sie den Satz, den der Liberianer einst unvorsichtigerweise in einem BBC-Interview gesprochen hat. Sierra Leone, sagte er da, und klarer kann eine Kampfansage eigentlich gar nicht klingen, Sierra Leone werde ,,die Bitterkeit des Krieges'' zu schmecken bekommen. Für Zigtausende hat sich das bewahrheitet. Den Überlebenden blieb nur die Genugtuung, dass Taylors Weg am Ende in die Zelle führte. Kaidatu sagt, das sei ein glücklicher Tag gewesen.

Selbstverständlich war es nicht. Afrikas Autokraten pflegen einander Asyl zu geben, wenn der eine oder andere mal herunterfällt von seinem Thron, und so schien es auch im Fall Taylor zu laufen. Das Ende seiner Herrschaft in Liberia war abzusehen, als im Juni 2003 ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt wurde, und zwar von jenem Sondergericht, das mit Hilfe der Vereinten Nationen in Freetown eingesetzt worden war zur juristischen Aufarbeitung des Bürgerkriegs in Sierra Leone.

Das war bemerkenswert, denn bisher glaubten amtierende Staatschefs immun zu sein gegen Strafverfolgung. Taylor reichte eine entsprechende Beschwerde ein, aber die wurde abgewiesen: keine Immunität vor einem internationalen Gericht. Zunächst freilich ließ sich der Haftbefehl nicht vollstrecken, und als Taylor schließlich unter amerikanischem Druck aufgab, da wartete auf ihn eine großzügige Villa in der nigerianischen Hafenstadt Calabar.

Musterhäftling in Zelle 7B

Das hätte das Ende der Geschichte sein können, der Schurke im sicheren Exil, doch dann trat eine Frau auf den Plan. Ellen Johnson-Sirleaf, gewählte Präsidentin Liberias, die erste weibliche Staatschefin Afrikas, wandte sich an ihren nigerianischen Kollegen Olusegun Obasanjo mit der Bitte um Auslieferung Taylors an das Sondergericht in Freetown.

Dieser Bitte konnte sich Obasanjo, der in der Sache Taylor ohnehin unter großem internationalen Druck stand, nicht entziehen. Allerdings ging er so zögerlich vor, dass der prominente Exilant flüchten konnte. An der Grenze zu Kamerun wurde er jedoch erwischt. Mit einem Regierungsflugzeug flog man ihn in die liberianische Hauptstadt Monrovia und von dort mit einem UN-Helikopter umgehend weiter nach Sierra Leone. Am 29.März 2006 kam er abends in der Dämmerung in Freetown an, in Handschellen, und wurde in seine neue Unterkunft gebracht: Zelle 7B auf dem Gelände des Sondergerichtshofs.

Ein paar Tage später saß Taylor im Gerichtssaal, bestens gekleidet, hörte die Anklage und sprach die beiden Worte ,,not guilty'' - nicht schuldig. Bis Mitte vorigen Jahres blieb er in Freetown, aber wenn man die Zelle heute besichtigt, ist es, als hätte ihr Bewohner sie erst gestern verlassen. Das Bett mit dem Moskitonetz darüber, der Trinkwasserbehälter, die Milchpulverdose, die Lotion gegen Sonnenbrand, das Zimmerspray, alles sieht aus, als sei es gerade noch benutzt worden.

Paul Wright, Nordire und stellvertretender Leiter des Gefängnisses, hat nur die besten Erinnerungen an Taylor - ,,ein Musterhäftling''. Er sieht ihn noch vor sich, wie er im Hof Tennisbälle an die Wand drischt oder still da sitzt und in der Bibel liest. Ach ja, der charismatische Baptistenprediger Taylor, es war seine zugkräftigste Nummer: Bei Massengebeten pflegte er sich schon mal, ganz in Weiß, auf den Boden zu werfen und um Vergebung zu bitten für seine Sünden (die lässlichen, seine Verbrechen hat Taylor stets abgestritten), und einmal erklärte er kurzerhand Jesus zum Präsidenten Liberias.

Das abschreckende Beispiel

Geholfen hat es ihm nichts. 30000 Seiten Beweismaterial hat die Anklage gegen Taylor in Stellung gebracht, und vermutlich wären es noch viel mehr, wenn auch die Untaten Taylors in Liberia zur Verhandlung stünden. Aber es geht nur um den Krieg im Nachbarland. Allerdings war schnell klar, dass man den Prozess nicht in Freetown würde führen können.

Sierra Leone und Liberia sind auch in Zeiten des Friedens äußerst fragile Gebilde, leicht entflammbar, und an all den Schrecklichkeiten, die im Taylor-Prozess zur Sprache kommen werden, könnten sich die alten Konflikte sehr leicht neu entzünden. Für viele in der Region ist er eine Hassfigur, für viele andere aber immer noch ein Idol. Deshalb Den Haag, deshalb das Gefängnis in Scheveningen, wo Taylor seit Ende Juni vergangenen Jahres auf seinen Prozess wartet. Es gibt freilich auch Bedauern über diese Sicherheitsmaßnahme.

Wer einem Hund Angst machen will, sagt Memunatu Pratt, muss einen anderen Hund in dessen Beisein töten. Etwas drastisch vielleicht, das Bild, aber der Sinn ist klar: Wenn du abschrecken willst, dann müssen die Taten vor den Augen potentieller Nachahmer verhandelt werden.

Memunatu Pratt ist an der Universität von Freetown zuständig für Konflikt- und Friedensforschung. Der Campus liegt auf einem Hügel über der Stadt, von hier oben sind die Nöte und das Elend Freetowns weit weg. Memunatu Pratt ist eine Frau voller Leben, sie lacht gerne und laut. Als Spezialistin für Konflikte in aller Welt dachte sie, dass sie nichts mehr überraschen könnte. Doch dann, als sie sich selber mittendrin befand, war alles viel schlimmer, viel traumatischer, als sie je gedacht hatte.

Drei Cousins hat sie verloren, Freundinnen wurden vergewaltigt und verstümmelt, zwei Häuser ihres Vaters in Schutt und Asche gelegt. Sie hätte es lieber gesehen, wenn man Taylor in Freetown den Prozess machen würde, aber allein dass dieser Prozess nun stattfindet und der Mann sich endlich verantworten muss, erfüllt sie mit Befriedigung. Das Verfahren werde deutlich machen, sagt Memunatu Pratt, dass die Welt solche Figuren nicht länger straflos davonkommen lassen will.

In der Tat gibt es einen neuen Trend im internationalen Recht, der genau dies zu belegen scheint. Immunität und Staatssouveränität, das waren früher die Barrieren, hinter denen es sich Völkermörder und Staatsterroristen gemütlich machen konnten - jetzt nicht mehr. Durch die Wiederentdeckung des Weltrechtsprinzips sind erstaunliche Dinge möglich geworden. Da wird ein Augusto Pinochet aufgrund eines spanischen Haftbefehls in London festgenommen. Da wird der ehemalige argentinische Folterer Ricardo Miguel Cavallo, wiederum mit Hilfe eines spanischen Haftbefehls, in Mexiko inhaftiert.

Schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht im ehemaligen Jugoslawien werden nicht nur in dem dafür eigens geschaffenen Internationalen Strafgerichtshof aufgearbeitet, sondern in einer Vielzahl von anderen Strafverfahren - in Dänemark, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz und in Deutschland. Nicht anders im Fall Ruanda. Eigentlich war der Genozid an den Tutsi ein interner Konflikt, doch heute gilt, dass jeder Staat seine Justiz für Verbrechen dieser Art einzusetzen hat.

Für so manchen Staatschef sind das ungute Nachrichten. Speziell in Afrika gibt es einige, die neuerdings Grund zur Unruhe haben. Omar Hassan al-Bashir etwa, der Präsident des Sudan und Hauptverantwortliche für das Morden in Darfur. Oder die Staatschefs von Uganda und Ruanda, Yoweri Museveni und Paul Kagame, die das Schlachten im Ostkongo mitzuverantworten haben.

Hissene Habre, der für Völkermord und Folter bekannte frühere Präsident des Tschad, hat sich zwar der Auslieferung nach Belgien entziehen können, aber dafür droht ihm jetzt ein Prozess im Senegal. Mengistu Haile Mariam, der langjährige Diktator Äthiopiens, hält sich zwar seit Jahren in Simbabwe versteckt, doch wenn sein Gastgeber Robert Mugabe demnächst stürzen sollte, könnte er in die Heimat ausgeliefert werden, wo man ihn im Januar zu lebenslanger Haft verurteilt hat. Noch hat es keinen von ihnen getroffen - keinen außer Taylor.

Ein Sieg für die Würde

Egal, wie mächtig du bist, du bist nicht mächtiger als Recht und Gesetz - das sei die Botschaft, die vom Taylor-Prozess ausgehe, sagt der stellvertretende Ankläger Christopher Staker. Der finanzielle und organisatorische Aufwand, der dafür getrieben wird, ist enorm. Allein der Transfer so vieler Zeugen nach Den Haag: Die müssen nicht nur geimpft und mit Pässen und Visa und Flugtickets versorgt, sondern auch betreut werden, von Psychologen, Ärzten und Aufpassern.

In Den Haag waren sichere Unterkünfte, Köche und Dolmetscher zu besorgen, und überdies ist sicherzustellen, dass keiner die Gelegenheit nutzt, im reichen Holland als Illegaler unterzutauchen. An die 2500 Dollar kostet das pro Zeugen und treibt die ohnehin schon beträchtlichen Kosten des Sondergerichts in die Höhe. Aber es geht ja auch um viel - um einen Etappensieg für die Würde der Afrikaner, Kinder eingeschlossen. Angeklagt wird im Taylor-Verfahren auch die Rekrutierung von Kindersoldaten, und zwar als Kriegsverbrechen.

Abdulai wird es nichts mehr nützen. Das Töten, immerhin, liegt hinter ihm, die Drogenabhängigkeit auch, doch das Trauma und die Scham für das, was er getan hat, werden bleiben. Er hat kein Zuhause, nachts schläft er auf der Straße, so wie vor dem Krieg. Abdulai sagt, er würde gerne in die Schule gehen, aber er hat das Geld nicht. Auch Kaidatu Fofanaah hat es nicht. Was sie an kleinen Geschäften macht, ,,small, small'', reicht nicht zum Leben. Freitags lässt sie sich vor die Moschee von Freetown schieben - zum Betteln.

Neun Kinder, wie gesagt, neun Mägen, die gefüllt werden wollen. Andererseits sind es diese Kinder, die ihr Mut und Kraft geben. Es sei doch gut, dass Gott sie habe leben lassen in jener Nacht, sagt Kaidatu heute, und sei es auch nur für das Baby Abraham, das sie im Arm hielt, als das Messer ihre Beine traf. Das Baby von damals ist heute ein achtjähriger Junge, schlank, schüchtern, freundlich. Vielleicht hat man ihm erzählt von dem, was war. Vielleicht auch nicht. Man könnte fragen. Man kann es aber auch lassen.

(SZ vom 1.6.2007)

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