Kriegsserie (3): Globaler Rüstungsmarkt:Das Bombengeschäft

Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und mageren Jahren für Rüstungskonzerne steigen die Militärausgaben wieder an. Auch deutsche Firmen mischen kräftig mit. Doch mit den Merkmalen des Krieges haben sich auch die Wünsche an die Industrie gewandelt.

Steffen Heinzelmann

Es sind anspruchsvolle Händler, die ihre Ware alle zwei Jahre in Abu Dhabi ausstellen.

Waffen, Konflikte, Bomben, israelische Soldaten

Israelische Soldaten im Einsatz: Nach vergleichsweise mageren Jahren freuen sich die Rüstungskonzerne wieder über steigende Umsätze.

(Foto: Foto: AFP)

Einen kleinen Hafen lassen sie für ihre Schau errichten, dazu eine Tribüne für Paraden und ein Schießgelände mit künstlichen Sanddünen. Ausreichend Platz für Korvetten und Kampfpanzer, denn in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate trifft sich alle zwei Jahre die internationale Waffenindustrie.

Auf einer ihrer größten Messen, der Idex, finden Besucher das Rüstzeug für einen Landkrieg und Seegefechte. Die wertvollen Geschäftskontakte locken auch deutsche Unternehmen und Vertreter der Bundesregierung an den Golf.

Denn die säbelrasselnd aufrüstenden Herrscher im Nahen und Fernen Osten, die Fehden in Nigeria und auf den Philippinen, vor allem aber die Kriegseinsätze in Afghanistan und im Irak sorgen für ein grausames Bombengeschäft. Wissenschaftler des renommierten Sipri-Instituts in Stockholm schätzen, dass global allein im vergangenen Jahr 1,2 Billionen US-Dollar für den Kauf konventioneller Waffen wie Kampfjets und Streubomben ausgegeben wurden.

Und der Congressional Research Service (CRS), die wissenschaftliche Abteilung des US-Kongresses, berichtet, dass weltweit in den vergangenen drei Jahren Verträge über Rüstungsexporte im Wert von 160 Milliarden Dollar unterzeichnet wurden.

Die vergleichsweise mageren Jahre für Rüstungskonzerne nach Ende des Ost-West-Konflikts scheinen vorüber: "Nach einem Jahrzehnt der Abrüstung steigen die Militärausgaben seit 1998, 1999 wieder deutlich an", erklärt Michael Brzoska, Professor am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg. In den vergangenen zehn Jahren hätten die weltweiten Ausgaben für Kriegsgerät um 37 Prozent zugenommen, meldet Sipri.

Vor allem seit den Anschlägen vom 11. September 2001 wirken die USA wieder bis an die Zähne bewaffnet, 500 Milliarden Dollar investierte das Land im vorigen Jahr in seine Armee.

Berührungsängste vor Despoten und Feldherren haben die Waffenhändler keineswegs: Spendabelster Käufer der vergangenen fünf Jahre ist China - ein Staat, an den die Europäische Union seit 1989 Waffenverkäufe verbietet. Dem CRS-Bericht zufolge schlossen 2006 Pakistan, Indien und Saudi-Arabien die lukrativsten Kaufverträge ab, dahinter folgten Venezuela, Algerien und Israel.

Auch Deutschland, drittgrößter Waffenexporteur hinter den USA und Russland, liefert Torpedos an Pakistan und Waffen an die algerische Marine. Im Jahr 2005 exportierte die Bundesrepublik Kriegswaffen im Wert von 1,6 Milliarden Euro, heißt es im Rüstungsexportbericht. Hinzu kamen Ausfuhrgenehmigungen für militärische Ausrüstung für 4,2 Milliarden Euro - Tendenz steigend.

Mit den Merkmalen des Krieges haben sich auch die Wünsche an die Rüstungsindustrie gewandelt. Statt bunt uniformiert in Feldschlachten zu exerzieren wie zu Zeiten Clausewitz', belauern sich in den "neuen Kriegen" multinationale Armeeverbünde und Rebellen in abgelegenen Tälern. Soldaten und Terroristen liefern sich aufreibende Häuserkämpfe. Das Militär setzt zunehmend kleine Gruppen technisch hoch gerüsteter Soldaten in Marsch. Außerdem versuchen westliche Staaten, den Feindkontakt und damit Verluste auf eigener Seiten zu vermeiden.

Notwendig dafür sind flexiblere Waffen und moderne Ortungs- und Kommunikationstechnik. Militärs schwärmen von ferngesteuerten, präzisen Bomben, die im richtigen Stockwerk eines Hauses explodieren können. Der Krieg der Zukunft findet scheinbar fast ohne Beteiligung von Menschen statt: Opfer unter den eigenen Kämpfern und Zivilisten werden angeblich verhindert, sogar den Akt des Tötens sollen irgendwann einmal Kampfroboter übernehmen.

Das Bombengeschäft

Exporteure und Importeure konventioneller Waffen

Deutschland ist unter den fünf größten Exporteuren der Welt. Nur Russland und die USA verkaufen mehr Waffen.

(Foto: Foto: SZ-Grafik)

Ein weiterer Trend auf dem globalen Rüstungsmarkt sind als "nichttödlich" bezeichnete Waffen. Vor allem amerikanische Unternehmen wie Raytheon oder Taser verdienen an Laser- und Elektroschockpistolen, die angeblich keine dauerhaften Schäden für den Körper hinterlassen. Mit auf Jeeps montierten Mikrowellenstrahlern könnten Soldaten dann beispielsweise in eine aufgebrachte Menge schießen. Die Strahlungsfrequenz stimuliert die Nervenenden der Haut, werben Hersteller. Die Opfer haben angeblich das Gefühl, bei lebendigem Leib zu verbrennen.

Menschenrechtler befürchten, dass bei diesen Kampfgeräten schneller abgedrückt wird als bei herkömmlichen Schusswaffen - und dass sie wie geschaffen sind für Folter ohne Spuren. In Deutschland entwickeln die Firmen Diehl und Rheinmetall Prototypen nichttödlicher Waffen für Polizei und Militär.

"Die Staaten sagen: Wir müssen unsere Ausrüstung Bedrohungen wie der durch al-Qaida anpassen", so Alexander Reinhardt, Konzernsprecher bei EADS in Ottobrunn. "Dazu sind allerdings nicht nur Panzerplatten an den Fahrzeugen notwendig, sondern auch Informationsüberlegenheit." Der internationale Luft- und Raumfahrtkonzern EADS, der mit dem Militär-Airbus und dem Hubschrauber Eurocopter zu den führenden Rüstungsfirmen gehört, hat deshalb neue Schwerpunkte im Bereich Hightech gelegt: Der Konzern bietet auch Technologie für Kommunikation, Aufklärung und Information im Krieg an.

Deutschland verdient an Fregatten, U-Booten - und den Panzern

Auch wegen ihres technologischen Vorsprungs gelten die Konzerne aus den USA im Geschäft mit dem Kriegsgerät als übermächtig. Mit der US-Regierung in Washington als bestem Kunden und Förderer nehmen Boeing, Lockheed Martin und Northrop Grumman für Kampfjets und Tarnkappenbombern fast 30 Milliarden Dollar jährlich ein. Die Aufsteiger in der Rangliste der größten Rüstungskonzerne erinnern allerdings eher an den Elektronikmarkt: US-amerikanische und japanische Unternehmen wie ITT Industries, General Electric, Samsung und NEC verdienen prächtig mit der Kriegselektronik.

Aus Europa sind neben dem Konglomerat EADS mit BAE Systems (Großbritannien), Finmeccanica (Italien) und Thales (Frankreich) vor allem Firmen aus den Branchen Raumfahrt und Informationstechnologie vorne dabei. "Das ist ein riesiger Markt, an dem deutsche Firmen bisher allerdings nur marginal beteiligt sind", sagt Brzoska.

In Deutschland verdienen die Unternehmen bislang in erster Linie mit Fregatten, U-Booten und dem ganzen Tierpark an Panzern: Fuchs, Luchs, Leopard und Wiesel.

Als Zauberwort gilt derzeit der Begriff "dual use", also Technik, die militärisch wie zivil genutzt und deshalb mit Unterstützung der Armeen erforscht werden kann. "Der Verteidigungsbereich hat für unseren Konzern eine hohe finanzielle Bedeutung, weil wir damit schlechte Zeiten wie während konjunktureller Schwächen abfedern können", sagt EADS-Sprecher Reinhardt. Der Anteil dieser Sparte in seinem Unternehmen hat ein Viertel des Gesamtumsatzes von 39 Milliarden Euro im vergangenen Jahr ausgemacht. Vorbild sei in dieser Hinsicht der konkurrierende Flugzeughersteller Boeing, bei dem der militärische Bereich etwa die Hälfte des Umsatzes ausmacht.

Neben Schwärmereien der Kriegsindustrie und Uniformierter von Hightechwaffen und angeblich "chirurgisch" genauen Präzisionsbomben bieten die vermeintlich "neuen Kriege" ein Wiedersehen mit der Vergangenheit: In Afghanistan und in Zentralafrika sterben ungezählte Opfer an Geschossen aus alten, gebrauchten Kalaschnikows, Uzis oder G3-Gewehren. "Kleinwaffen sind die wahren Massenvernichtungswaffen", warnt Simone Wisotzki, Wissenschaftlerin an der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HFSK) in Frankfurt. "Nach Schätzungen werden jedes Jahr eine halbe Millionen Menschen durch Kleinwaffen getötet, davon 300.000 in bewaffneten Konflikten vor allem im Afrika südlich der Sahara und in Asien."

Jedes Jahr werden mehrere Millionen Kleinwaffen hergestellt, heißt es im Jahresbericht des Schweizer Projekts Small Arms Survey. Mindestens 875 Millionen Kleinwaffen, also Pistolen, Gewehre und auch tragbare Panzerfäuste seien im Umlauf. Waffen, die nach der Auflösung der sowjetischen und anderen Armeen nach 1989 in Massen verschwunden sind.

Jahrelang sei allerdings auch das deutsche G3 in großem Umfang in Pakistan gebaut worden, sagt Wisotzki. Deutschland habe zudem Anfang der neunziger Jahre 300.000 Kalaschnikows aus NVA-Beständen an die Türkei verkauft. Die Waffen, mit denen weltweit Warlords, Terroristen und Kindersoldaten bewaffnet sind, stammen meist aus überschüssigen Beständen und illegalem Handel.

Im Vierten Weltkrieg werde wieder mit Keulen und Steinen gekämpft, antwortete Albert Einstein seinerzeit auf die Frage, mit welchen Waffen ein Dritter Weltkrieg geführt würde. Doch bereits in den "neuen Kriegen" heute wird in Afrika und Asien mit Waffen aus dem vergangenen Jahrhundert getötet: mit jahrzehntealten Pistolen und Macheten.

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