Johannes Heesters erinnert sich an 1945:"Kinder, der Krieg ist aus!"

Johannes Heesters erinnert sich an 1945: Marte Harell und Johannes Heesters in der "Fledermaus"

Marte Harell und Johannes Heesters in der "Fledermaus"

(Foto: Foto: dpa)

Johannes Heesters (1903-2011) war der wohl letzte lebende Prominente aus der Zeit des Dritten Reichs, der Schauspieler war ein Filmstar und arrangierte sich mit dem NS-Regime, Hitlers Chef-Propagandist Goebbels attestierte ihm "verdammten Charme". 2005 schilderte der Niederländer der SZ, wie er das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt hat.

Protokoll von Oliver Das Gupta

"Meine damalige Frau Wiesje und unsere beiden Töchter lebten in einem Hotel in Prag, wo ich seit 1942 regelmäßig gedreht habe. Unsere Berliner Wohnung war bei einem Bombardement zerstört worden, darum bat ich den Bürgermeister von Bad Aussee im oberösterreichischen Salzkammergut, mir ein Haus zu vermitteln.

Dorthin - das Anwesen lag etwas abgelegen vom steirischen Örtchen Grundlsee - habe ich meine Familie im Januar 1944 gebracht. Dann bin ich wieder zurückgefahren nach Prag, wo ich meinen letzten Film (während der Kriegszeit) gedreht habe. Das war Die Fledermaus. Danach habe ich gesagt: "Jetzt ist Schluss." Und bin nach Grundlsee, zu meiner Familie.

Als im Frühjahr ein benachbarter Bauer zum Volkssturm eingezogen wurde, habe ich seinen Hof weitergeführt. Das bedeutete: Um fünf Uhr aufstehen, den Stall ausmisten, mit der Sense mähen. Der Bauer kehrte übrigens zurück, das Kriegsende feierten wir mit einem Rehbraten und ein paar Flaschen Rotwein.

Das Haus, in dem wir lebten, war höher gelegen. Von dort aus konnte man auf den Grundlsee schauen und hatte den Weg gut im Blick, der zum Dorf führte.

Auf diesem Weg kam unmittelbar vor Kriegsende Anfang Mai ein Autobus oder großer Reisewagen mit versprengten deutschen Soldaten entlang. Sie wirkten sehr nervös, sprangen von ihrem Wagen und fragten:

"Bitte, sagen sie, wo kommen wir hin, wenn wir geradeaus fahren?"

Ich antwortete: "Ja, Freunde, das geht nicht, der Weg endet, da kann man nicht weiter fahren. Sie müssen wieder zurück."

"Wir müssen zurück? Ja, wo kommen wir denn da hin?"

"Nach Russland oder nach Amerika. Von der einen Seite kommen die Russen und von der anderen Seite die Amerikaner. Sie müssen also aufpassen."

Die Armen saßen da und wussten nicht, was sie tun sollten. Sie wussten nur, dass sie in fremde Hände kommen, vermutlich in russische. Das war eine sehr traurige Sache. Sie fuhren zurück.

Die Russen engagierten Heesters - und zahlten in Dollar

Kurze Zeit später, den Tag kann ich nicht mehr genau nennen, kam die Frau des Bürgermeisters herauf. Mit ihren Händen schwenkte sie einen Stock, an dem ein weißes Tuch befestigt war. Sie schrie: "Der Krieg ist aus, der Krieg ist aus! Kinder, hört mir zu: Der Krieg ist aus!"

Natürlich strömten die Leute sofort auf den Weg - ich war mittendrin. Die Menschen freuten sich, dass es vorbei war. Allerdings war die Freude etwas verhalten, weil man ja nicht wusste, was nachher kommt.

Johannes Heesters im Jahre 2005

Johannes Heesters im Jahre 2005

(Foto: Getty Images)

Ein paar Tage später kamen amerikanische Soldaten - keine Panzer, nur Infanterie. Auf der Wiese vor meinem Haus schlugen sie ein Zelt auf und hielten Wache.

In dieser Zeit haben übrigens viele Künstler in der Gegend um Bad Ischl gewohnt, darunter auch mein Schauspieler-Kollege Theo Lingen. Nach Kriegsende haben sie im Theater in Ischl Vorstellungen veranstaltet, da waren einige Berühmtheiten versammelt. Mich haben sie auch gefragt, ich sagte natürlich Ja. Ich sang Lieder aus Filmen und Operetten, die ersten Male hatte ich sogar keinen Frack an, sondern trug einen Trachtenanzug.

Der Erfolg war überwältigend, die Leute sind aufgestanden, haben mitgesungen und geweint. Wir haben so manchen großen Abend verbracht.

Das war zwar sehr schön, auch wenn wir uns immer noch die Frage stellten: Was passiert nun, wie geht es weiter?

Schließlich hatte ich durch den Krieg, wie Millionen anderer Menschen auch, sehr viel verloren. Und unsere Ersparnisse schmolzen zusammen.

Ende 1945 reiste ich zusammen mit meinen Kollegen Hans Moser und Theo Lingen nach Budapest für eine russische Produktion. Der geplante Film kam zwar nicht zustande, aber bezahlt wurden wir trotzdem - erstaunlicherweise in US-Dollar.

Später konnte ich in Wien arbeiten. Die Familie blieb aber in Grundlsee. Nach neuen festen Engagements und Filmverträgen holte ich meine Familie 1948 nach Wien."

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