Krieg in Syrien:EU schwächt Sanktionsdrohungen gegen Russland ab

EU-Gipfel Brüssel Russland Sanktionen Putin

Beim Gruppenfoto steht Matteo Renzi in der zweiten Reihe. In der Frage, der möglichen Sanktionen gegen Russland hat er sich jedoch durchgesetzt.

(Foto: Jack Taylor)
  • Auf dem EU-Gipfel ringen die Staats- und Regierungschefs um die richtige Position zu Russland wegen seiner Angriffe im Syrien-Krieg.
  • Heraus kommt eine abgeschwächte Erklärung, in der Assads Verbündetem nicht mehr explizit Sanktionen angedroht werden.
  • UN-Generalsekretär Ban greift den Sicherheitsrat in der Syrien-Frage scharf an.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Bis in die Nacht rangen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Brüssel um den richtigen Umgang mit Russland. Sollen dem Land explizit Sanktionen angedroht werden, weil Präsident Wladimir Putin in der nordsyrischen Stadt Aleppo auch Zivilisten angreifen lässt? Bisher hat die EU lediglich wegen des russischen Vorgehens in der Ukraine Sanktionen ausgesprochen.

Um ein Ende der Gräuel in Aleppo zu erreichen, sollen auch nach dem EU-Gipfel noch alle Optionen auf dem Tisch liegen, notfalls Sanktionen. Das war beim Abendessen die Position von Bundeskanzlerin Angela Merkel, des französischen Präsidenten François Hollande und der britischen Premierministerin Theresa May.

Es gab allerdings auch Widerstand - angeführt vom italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi, der Sanktionen gegen Russland grundsätzlich skeptisch sieht. Der Italiener erreichte schließlich eine Abschwächung des Gipfelentwurfes, in dem ursprünglich ausdrücklich von "restriktiven Maßnahmen" (die EU-Fachvokabel für Sanktionen) gegen Unterstützer des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad die Rede gewesen war.

Beschlossen wurde eine weichere Formulierung. "Die EU erwägt alle verfügbaren Optionen, sollten die derzeitigen Gräuel anhalten", heißt es jetzt. Das schließt Sanktionen ein, wie Merkel nach dem Abendessen versicherte. "Alle möglichen Maßnahmen" blieben auf der Tagesordnung, sagte sie, "darüber waren wir uns einig". Nun gehe es aber erst einmal darum, den Menschen in Aleppo zu helfen. Der EU-Gipfel geht am heutigen Freitag zu Ende.

Die Vereinten Nationen veröffentlichten am Donnerstagabend (Ortszeit) in New York erschütternde Zahlen über die Luftangriffe der syrischen und russischen Streitkräfte auf Aleppo. Demnach sind seit Beginn der jüngsten Offensive im September fast 500 Menschen ums Leben gekommen. Ein Viertel davon Kinder, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auf einer Syrien-Sondersitzung der UN-Vollversammlung. Fast 2000 Menschen seien verletzt worden. Ban nannte die Attacken "entsetzlich". Seit Anfang Juli habe kein UN-Konvoi mehr den Osten Aleppos erreicht, der von Assads Truppen belagert wird. Ban verurteilte die Abriegelung der Stadtteile mit mehr als 250 000 notleidenden Menschen als "mittelalterliche" Strategie.

Ban attackiert den UN-Sicherheitsrat

Ban übte auch heftige Kritik am Sicherheitsrat. Das mächtigste Gremium der UN sei seiner Verantwortung, Sicherheit und Frieden zu schaffen, nicht nachgekommen. Dutzende Staaten hatten die Syrien-Sondersitzung der Vollversammlung verlangt, um gegen die Passivität des Sicherheitsrates zu protestieren. Russland hatte Anfang des Monats zum fünften Mal seit Beginn des Krieges vor fünf Jahren sein Veto gegen eine Resolution eingelegt, in der ein sofortiges Ende der Luftangriffe auf Aleppo gefordert wurde.

Russland will UN-Angaben zufolge die Feuerpause in Aleppo bis Samstag einhalten. Dies teilte das UN-Büro für humanitäre Hilfe mit. Zuvor hatte bereits die syrische Armee angekündigt, die Waffenruhe von jeweils elf Stunden pro Tag bis Samstag zu verlängern.

An diesem Freitag wollen die UN versuchen, erstmals Verwundete und Kranke aus dem belagerten Osten Aleppos herauszuholen. Die Sicherheitsgarantien für humanitäre Helfer seien von allen Konfliktgegnern zugesagt worden, teilte der UN-Koordinator für Syrien, Jan Egeland, in Genf mit.

Mit Material der Agenturen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: