Krieg in Syrien:Das Vertrauen zwischen den USA und Russland ist zerrüttet

71st Session of the United Nations General Assembly

Am Rande der UN-Vollversammlung haben sich US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow getroffen.

(Foto: dpa)
  • Auch nach dem Treffen der Außenminister der Vereinigten Staaten und Russland in New York rückt ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien nicht in die nahe Zukunft.
  • Einen Waffenstillstand mit einer Angriffserlaubnis gegen Terroristen zu verbinden, erschwert die Lösung des Konflikts.
  • Sogenannte "Spoiler" sind Gewinner der Auseinandersetzung und torpedieren den Frieden.

Analyse von Stefan Braun, New York

In Syrien toben die schärfsten Kämpfe seit Monaten, und in New York schaffen es Amerikaner und Russen nicht, ihre vor wenigen Tagen noch ausgehandelte Waffenruhe wieder in Kraft zu setzen. Am Ende einer für die Menschen in Syrien wie für die Friedensbemühungen schwarzen Woche sieht wenig danach aus, als könnte der fünfjährige Bürgerkrieg in absehbarer Zeit gestoppt werden.

Das heißt nicht, dass es keine weiteren Versuche geben wird, dem ruinierten Friedensprozess noch mal Leben einzuhauchen. Doch selbst wenn das gelingen sollte, beispielsweise mit einem gegenseitigen Versprechen, für einige Tage alle Flugbewegungen einzustellen - an dem zerrütteten Vertrauen zwischen den USA und Russland wird das so schnell nichts ändern. Selbst ein letztes Treffen von US-Außeneminister John Kerry und dem russischen Außenminister Sergej Lawrow am Rande der UN-Vollversammlung hat wenig gebracht. Kerry sprach danach von einem "kleinen Fortschritt" im Ringen um die Waffenruhe in Syrien

Parteien verfolgen unterschiedliche Ziele

Seit dem Angriff auf einen UN-Hilfskonvoi Anfang der Woche, dem Streit darum und der danach gestarteten Offensive der Regime-Truppen scheint der Graben so groß zu sein, dass selbst notorische Berufsoptimisten wie Frank-Walter Steinmeier erklären, man sei ,,am Tiefpunkt'' angekommen.

Die Attacke auf die humanitären Helfer und der Streit über die Verantwortlichkeiten sind indes nicht die alleinige Ursache für das nahende Ende aller Hoffnungen. Dahinter werden größere Baustellen sichtbar, die eine Lösung dramatisch erschweren. Da ist zum ersten der Versuch, einen Waffenstillstand mit einer Art Angriffserlaubnis gegen die Terrorgruppen von IS und al-nusra zu verbinden.

Diplomaten, die mit allem vertraut sind, sagen, dass sich diese Ziele immer reiben werden. Allenfalls in einer perfekt statischen Situation, die mit der eines Bürgerkriegs nichts zu tun hat, könne man für einen Straßenzug eine Waffenruhe ausrufen und im nächsten Straßenzug Terroristen bekämpfen. Gefährlichste Krisen seien vorprogrammiert, daran werde sich nix ändern. Wie das gelöst werden könnte? Ist vollkommen offen.

Veränderte Kräfteverhältnisse

Zweites Problem sind die ,,Spoiler'', wie US-Außenminister John Kerry alle jene nennt, die vom Konflikt leben und bislang alle Friedensbemühungen erfolgreich torpediert haben. Das gilt für die Truppen und das Regime in Damaskus. Aber es gibt auch auf Seiten der Opposition nach wie vor rund zwanzig kleine Gruppen, die sich zwar zur anerkannten Opposition zählen, aber sich von den Terrororganisationen al-Nusra und IS nicht eindeutig abgrenzen. Und das auch, weil sie eher von Katar oder Saudi-Arabien unterstützt werden und sich an amerikanische Zusagen nicht gebunden fühlen. Eine fatale Situation, in der die USA, aber auch Russland zunehmend machtlos wirken.

Und dann gibt es ein drittes Problem, es ist das Größte. Die Kräfteverhältnisse zwischen der von den USA und den arabischen Staaten gestützten Opposition und der russisch-iranisch-syrischen Seite haben sich massiv verschoben. Zugunsten von Damaskus.

Das mag niemand öffentlich sagen. Aber die Weigerung der Amerikaner, die vor der Krise erzielte Vereinbarung mit Moskau komplett offen zu legen, hat hier ihre Ursache. Der Kartenteil mit einer Definition der Frontverläufe zeigt offenbar, wie viele Gebiete Regime-treue Truppen seit Jahresanfang erobert haben. Man braucht nicht viel Phantasie, um zu ahnen, wie schwer das für die Opposition sein muss.

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