Krieg in Libyen:Rebellen wettern gegen Nato-Strategie

Wie stark ist Gaddafi noch? Die Nato fliegt Angriffe am hellichten Tag. In einer Erklärung zeigt sie sich entschlossen, den Einsatz bis auf Weiteres fortzusetzen. Jetzt wollen die Aufständischen zum finalen Marsch auf Tripolis blasen. Doch das verbiete ihnen der Westen bislang, klagen sie.

"Working lunch", stand in der Tagesordnung, ein Arbeitsessen sollte es sein. Die Menüfolge war nicht bekannt, das Tischgespräch aber schon: Die Verteidigungsminister der Nato-Länder tauschten sich in Brüssel über den Kriegseinsatz in Libyen aus. Die Schlagkraft ihrer Angriffe hat sich zuletzt erhöht.

Rebel fighters drive back for the battle at the frontline outside the Bir Ayyad gate

Rebellenkämpfer südwestlich von Tripolis (Archivfoto): "Gaddafi hat sich eine blutige Nase geholt."

(Foto: REUTERS)

Und das Militärbündnis ist entschlossen, ihre Angriffe auf Ziele in Libyen bis auf Weiteres fortzusetzen. "Wir sind entschlossen, unseren Einsatz zum Schutz der libyschen Bevölkerung so lange wie nötig fortzuführen", heißt es in einer Erklärung der Nato-Verteidigungsminister. Die Staaten rufen Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi erneut auf, die Macht abzugeben, da er "jede Legitimität verloren" habe. Sie erklären, dass "die Zeit gegen Muammar al-Gaddafi spielt".

Doch Gaddafi zeigt sich weiterhin trotzig. Die Rebellen wiederum geben sich ungeduldig und beklagen einen zu vorsichtigen Kurs der Militärallianz.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatte vor dem zweitägigen Treffen gefordert, dass sich mehr Länder als bisher am Einsatz gegen Gaddafis Truppen beteiligen sollten. Bislang nehmen neun Nato-Staaten an den seit zwei Monaten andauernden Kampfhandlungen teil - zu wenige für Rasmussens Geschmack.

Bezüglich dieser Forderung bleibt die Erklärung der Minister sehr vage. Darin heißt es nur, sie seien "entschlossen, die nötigen Mittel und die größtmögliche Flexibilität innerhalb unseres Mandats" zur Verfügung zu stellen. Die Minister begrüßten "zusätzliche Beiträge zu unseren Anstrengungen".

Dabei scheint es dem Bündnis an Feuerkraft bislang nicht zu mangeln: Augenzeugen berichteten am Dienstag von 25 Luftangriffen auf den Stützpunkt Bab al-Asisija in Tripolis, wo Gaddafi seinen Wohnsitz hat. Auf dem Gelände sei ein Feuer ausgebrochen, eine riesige schwarze Rauchwolke sei aufgestiegen. Libysche Quellen sprachen von einem der schwersten Bombardements seit Beginn des Einsatzes. Dem arabischen TV-Sender al-Dschasira zufolge ging der Angriff auch in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch weiter.

Wie zum Trotz meldete sich am Dienstagabend Gaddafi in einer neuen Tonbandaufzeichnung zu Wort: "Ich bleibe in Tripolis, tot oder lebendig", sagte er in der knapp fünfminütigen Ansprache, die das libysche Staatsfernsehen. "Eine Viertelmillion Libyer kämpfen für die Freiheit des Landes", sagte der Machthaber. "Wir haben keine Angst und wir sind stärker als eure Raketen und eure Artillerie."

Die Rebellen bezweifeln genau das - sie wollen zum Schlag gegen Gaddafi ausholen, fühlen sich aber offenbar durch die Nato gebremst. "Die Zerstörung der Mauern von Bab al-Asisija bedeutet, dass sich Gaddafi eine blutige Nase geholt hat. Den K.-o.-Schlag werden ihm schon sehr bald die Libyer selbst versetzen", schrieb ein Sprecher der Aufständischen beim Internetdienst Twitter.

Streit um rote Linien

Angeblich haben Rebellenkämpfer in der Stadt Yefren, etwa 100 Kilometer südwestlich von Tripolis, zahlreiche Waffen Gaddafi-treuer Truppen erbeutet, die sie für eine Schlacht um die Hauptstadt nutzen wollen. Das berichtet die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf libysche Medien. Die Aufständischen rechnen demnach in vier Stadtvierteln von Tripolis mit Unterstützung durch Anhänger der Revolution.

Die Nato scheint einen solchen Schlag jedoch nicht zu unterstützen, im Gegenteil. Wie die Online-Ausgabe der Londoner Zeitung The Guardian berichtet, beklagen sich mehrere Rebellenführer über Grenzen, die ihnen die Militärallianz gesetzt habe.

"Es gibt rote Linien, die wir nicht überschreiten dürfen", wird der Kommandeur einer Rebelleneinheit in der Stadt Misrata zitiert. Ein anderer Anführer habe das bestätigt: "Wir sollten vorrücken, wir wollen vorrücken. Aber die Nato hat uns befohlen, hier zu bleiben."

Das Militärbündnis widersprach den Aussagen der Kämpfer gegenüber dem Guardian nicht - zumindest nicht direkt. Zwar gebe es formell keine "roten Linien", wird ein Nato-Sprecher zitiert. Man habe den Aufständischen jedoch klargemacht, dass es gefährlich sei, in Zonen einzudringen, die von Nato-Kräften unter Beschuss genommen werden könnten: "Die Nato hat die klare Verpflichtung, sicherzustellen, dass in den Kämpfen keine Zivilisten zu Schaden kommen."

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