Krieg in Libyen:Gefechte um Grenzort - Tunesien protestiert

Aufständische und Truppen des libyschen Machthabers Gaddafi haben sich in der Nacht schwere Gefechte an der Grenze zu Tunesien geliefert. Durch mehrere Raketen sollen Flüchtlinge getötet worden sein - auf tunesischem Territorium.

Einheiten des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi haben Augenzeugen zufolge die tunesische Grenzstadt Dehiba unter Beschuss genommen. Im Zentrum der Stadt sei es zu heftigen Gefechten zwischen Gaddafi-Truppen und libyschen Aufständischen gekommen, berichteten Anwohner der Nachrichtenagentur Reuters. Mindestens eine Tunesierin sei getötet worden.

Tunisian army soldiers and rescuers transport a  wounded rebel fighter at hospital in Dehiba

Tunesische Soldaten und Rettungskräfte bringen einen verletzten libyschen Rebellen ins Krankenhaus in Dehiba - zuvor hatten die Gaddafi-Truppen den nahe gelegenen libyschen Grenzort Wassin überrannt.

(Foto: REUTERS)

Bereits bis in die Nacht zum Freitag hatten sich Rebellen und Gaddafi-Truppen schwere Kämpfe entlang der Grenze zu Tunesien geliefert. Nach Angaben eines tunesischen Augenzeugen wurden dabei 20 Menschen getötet.

Wie der arabische Nachrichtensender al-Dschasira berichtete, brachten die Gaddafi-Truppen Wassin wieder unter ihre Kontrolle. Die libysche Ortschaft Wassin, die nahe des tunesischen Grenzübergangs Dehiba liegt, war vor eiiner Woche von den Rebellen erobert worden. Die tunesische Regierung habe protestiert, da bei den Kämpfen auch Geschosse auf tunesischem Territorium eingeschlagen seien.

Der staatlichen tunesischen Nachrichtenagentur TAP zufolge wurden auf tunesischem Territorium Flüchtlinge getötet. Bei den Kämpfen um den Grenzposten seien Raketen abgefeuert worden, Zeugen hätten von Verwundeten und Toten berichtet, hieß es in der Meldung. Tausend Libyer seien zudem vor den Kämpfen in die tunesische Wüste geflüchtet.

In einer Erklärung beklagte das tunesische Außenministerium am Donnerstagabend eine "Verletzung der territorialen tunesischen Integrität". In der Erklärung war zudem von "großer Besorgnis" angesichts der "gefährlichen militärischen Eskalation" bei Wassin die Rede. Die Sicherheit der Menschen in dem Gebiet sei gefährdet.

Einige Rebellen seien aus Wassin vor den besser ausgerüsteten Gaddafi-Truppen nach Tunesien geflohen, berichtete eine Al-Dschasira-Korrespondentin aus dem Grenzgebiet. Allerdings würden sich die Aufständischen sammeln und auf einen gemeinsamen Schlag gegen die Regierungstruppen vorbereiten.

Wassin ist für die Rebellen von strategischer Bedeutung. Seit der Einnahme des Ortes konnten viele Menschen über den Grenzübergang vor den Kämpfen im Westen Libyens nach Tunesien fliehen. Außerdem hatten die Rebellen dort besseren Zugang zu Hilfs- und Nachschublieferungen.

Weitere Nato-Bombardements auf Tripolis

Nach Angaben der Aufständischen beschossen die Truppen Gaddafis am Donnerstag auch die Stadt Zintan mit Dutzenden Grad-Raketen. Außerdem seien weitere Rebellenstellungen entlang der Grenze angegriffen worden. Gaddafi-Truppen beschossen unterdessen erneut die umkämpfte libysche Stadt Misrata, dabei kamen zehn Menschen ums Leben.

Die libysche Hauptstadt Tripolis wurde am Donnerstagabend von mindestens fünf Explosionen erschüttert. Zuvor hatten Nato-Kampfflugzeuge die Stadt überflogen, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP und Augenzeugen berichteten. Gegen 23 Uhr seien zunächst drei Detonationen im Stadtzentrum zu hören gewesen, wenige Minuten später folgten zwei weitere. Augenzeugen berichteten von Rauch über dem Viertel Ain Sara im Südosten der Stadt.

Nach Angaben von Ärzten soll die Nato nahe der libyschen Stadt Misrata versehentlich mehrere Rebellen getötet haben. Zehn bis 13 Aufständische seien bei einem Luftangriff am Mittwoch in der Nähe des Hafens der Stadt ums Leben gekommen, sagte Chalid Abu Falra vom medizinischen Komitee in Misrata. Rebellen-Militärchef Ibrahim Bet Almal widersprach den Angaben.

Die Nato teilte mit, keine Informationen über den Vorfall zu haben. Ein Natovertreter bestätigte lediglich, dass ein Nato-Kampfflugzeug am Mittwoch eine "gewisse Anzahl von Kampf-Fahrzeugen 16 Kilometer südöstlich des Hafens von Misrata angegriffen hat", in einer Zone, in der am Tag zuvor eine "bedeutende Menge" von Soldaten des Machthabers Gaddafi attackiert worden seien. Die Nato könne jedoch nicht auf unabhängige Weise überprüfen, ob diese Fahrzeuge von den Aufständischen genutzt worden seien.

Nach dem Willen Italiens soll der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) die Rolle Gaddafis bezüglich des Flüchtlingsstroms nach Italien untersuchen. Außenminister Franco Frattini sagte im italienischen Fernsehen am Donnerstagabend, der IStGH solle urteilen, ob Gaddafi absichtlich das Leben von Tausenden Flüchtlingen riskiert habe, indem er sie nach Italien geschickt habe. Das wäre ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Gaddafi müsse die Macht abgeben, forderte Frattini. Zwar wolle "niemand, dass er getötet werde", doch müsse ihm der Prozess gemacht werden. Seit Beginn der Proteste gegen Gaddafi sind Tausende illegale Einwanderer in Schmugglerbooten nach Italien gekommen, viele von ihnen arbeiteten in Libyen.

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