Krieg in Libyen:Rebellen sollen Öllieferungen wieder aufnehmen

Es wäre das erste Schiff mit Öl aus Libyen seit Wochen: Gaddafis Gegner, die den Osten des Landes kontrollieren, stehen offenbar kurz vor ihrem ersten Öl-Export. Beobachter sprechen von einem "riskanten Geschäft". Im Kampf um den Ölhafen Brega bekommen die Rebellen Unterstützung aus der Luft.

Seit mehr als zwei Wochen hat Libyen kein Öl mehr exportiert - Grund sind die anhaltenden Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen. Jetzt soll die libysche Opposition kurz vor der Wiederaufnahme des Öl-Exports stehen: Ein Tanker mit einem Fassungsvermögen von einer Million Barrel sollte am Dienstag im Hafen Tobruk im Osten des Landes ankommen, meldete der auf Schifffahrt spezialisierte Nachrichtendienste Lloyd's List Intelligence in London.

Libyans loyal to leader Muammar Gaddafi demonstrate during a prot

Ein Anhänger Gaddafis zeigt bei einer Demonstration in Tripolis ein Porträt des libyschen Machthabers. Das Regime des selbst ernannten Revolutionsführers bemüht sich um eine diplomatische Lösung.

(Foto: dpa)

Es wäre das erste Mal seit dem 18. März, dass ein Schiff mit Öl aus Libyen ablege, sagte eine Lloyd's-List-Expertin. Sei das Vorhaben erfolgreich, so würde dies als starkes Signal gewertet, dass die internationalen Lieferungen wieder aufgenommen würden, fügte sie hinzu. Ein Sprecher der Aufständischen in Bengasi wollte das Vorhaben aus Sicherheitsgründen nicht kommentieren.

In Libyen kämpfen seit Wochen Aufständische gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi. Eine internationale Koalition fliegt unter einem UN-Mandat zum Schutz von Zivilisten Angriffe gegen Gaddafis Truppen. Im Kampf um den wichtigen Ölhafen Brega haben Flugzeuge der internationalen Koalition am Dienstag einen Konvoi der libyschen Streitkräfte angegriffen. Das teilten Aufständische mit, die ihre Einheiten vor der Stadt neu gruppierten. Die Rebellen konnten in den vergangenen Tagen im Osten des Landes verlorenes Terrain wieder gutmachen. So nahmen sie am Montag Teile von Brega ein. Die Herrschaft über die Stadt wechselte seit Beginn der Kämpfe im vergangenen Monat schon mehrmals.

Gaddafi setzt derweil seine diplomatische Offensive zur Beendigung des blutigen Konflikts mit den Aufständischen fort. Ein echter Kompromiss zeichnet sich aber nicht ab.

Allerdings scheint der Machthaber militärisch immer stärker unter Druck zu geraten: Die internationalen Truppen haben nach Ansicht der Nato bisher 30 Prozent der militärischen Kapazität der Regierung zerstört. Dies sagte der Leiter der Nato-Operationen, Brigadegeneral Mark van Uhm, in Brüssel. Van Uhm warf Gaddafi vor, Menschen als "Schutzschilde" zu benutzen, um Nato-Angriffe auf schwere Waffen wie beispielsweise Panzer zu verhindern. Dies habe die Luftangriffe in den vergangenen Tagen erschwert.

Libyens Vize-Außenminister Abdul Latif al-Obeidi traf am Montag in Ankara den türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu. Dabei wurde nach Angaben des arabischen Nachrichtensenders al-Dschasira ausgelotet, wie sich das Regime und der Nationale Übergangsrat der Rebellen über eine Lösung verständigen könnten. Die Gaddafi-Regierung wünsche ein schnelles Ende der Kämpfe, hieß es. Einzelheiten wurden zunächst nicht genannt. Auf einer weiteren Station in der maltesischen Hauptstadt Valletta sagte Ministerpäsident Lawrence Gonzi Al-Obeidi, dass Gaddafi und seine Familie die Macht abgeben müssten.

Wahlen ja, Rückzug nein

Das Regime in Tripolis ist nach eigenen Angaben zu einer Diskussion über politische Reformen bereit. Regierungssprecher Mussa Ibrahim sagte vor Journalisten am frühen Dienstagmorgen in Tripolis, dass jedoch das libysche Volk entscheiden müsse, ob Gaddafi als Führer bleiben solle oder nicht. Von außen könnten Libyen keine Bedingungen aufgezwungen werden.

Es könnten innenpolitisch Vorschläge diskutiert werden, die zu mehr Demokratie, Transparenz, Pressefreiheit und einer Anti-Korruptionsgesetzgebung führten. Gaddafi sei aber das "Sicherheitsventil" für die Einheit des Landes. Er sei sehr wichtig, um jeden Übergang zu einem demokratischen und transparenten Modell anzuführen. Gaddafi habe keine offizielle Position, er sei jedoch von symbolischer Bedeutung für das libysche Volk. Das Ausland wolle Gaddafi aus eigenem oder wirtschaftlichem Interesse stürzen, sagte Ibrahim.

USA heben Sanktionen gegen Kussa auf

Die USA haben ihre Luftangriffe auf Libyen vorerst beendet: Die amerikanischen Kampfflugzeuge seien in der Nacht zum Dienstag aus dem internationalen Lufteinsatz zurückgezogen worden, teilte das Verteidigungsministerium in Washington mit. Die Jets blieben aber in erhöhter Bereitschaft für etwaige Anfragen der Nato.

Die US-Regierung hob außerdem ihre Strafmaßnahmen gegen den geflohenen libyschen Außenminister Mussa Kussa auf: Kussa habe mit dem Gaddafi-Regime gebrochen und sei deshalb "nicht mehr Gegenstand von Santkionen", teilte das US-Finanzministerium mit. Kussa darf somit wieder in die USA einreisen, dort eingefrorene etwaige Vermögenswerte sind wieder frei. Der Außenminister hatte sich in der vergangenen Woche nach Großbritannien gesetzt. Die Allierten hoffen darauf, dass weitere Mitglieder des Regimes seinem Beispiel folgen.

Der libysche Vize-Außenminister Al-Obeidi hatte seine Mission in Athen begonnen. Dort hatte er den griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou getroffen. Der griechische Außenminister Dimitris Droutsas sagte: "Aus dem, was uns der Gesandte Libyens gesagt hat, geht hervor, dass das Regime auf der Suche nach einer Lösung zu sein scheint", erklärte Droutsas.

Italien erkennt Übergangsregierung an

Unterdessen will Italien die Übergangsregierung der Gaddafi-Gegner in Bengasi anerkennen. Damit ist Italien nach Frankreich und dem Golfemirat Katar das dritte Land, das diesen Schritt unternimmt. "Wir haben beschlossen, den Übergangsrat der libyschen Regimegegner auf bilateraler Ebene als einzig legitimen Gesprächspartner in Libyen anzuerkennen", sagte Außenminister Franco Frattini in Rom. Selbst Waffenlieferungen an die Aufständischen seien nicht ausgeschlossen, wenn auch nur "als letzte Lösung".

Frattini hatte schon vor einer Woche erklärt, es sei unvermeidbar, dass Gaddafi abtrete. Auch Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi wandte sich gegen seinen langjährigen Freund Gaddafi, dieser habe die Kontrolle über das Land verloren. Italien hatte im vergangenen Monat nach Attacken der Gaddafi-Streitkräfte auf die Zivilbevölkerung den bilateralen Freundschaftsvertrag mit Tripolis von 2008 offiziell ausgesetzt.

Die Regimegegner in Bengasi versuchen nun, den Export des Erdöls wieder anzukurbeln. Ihre Experten hoffen, in den kommenden Tagen wieder Öl verschiffen zu können, berichtete ein Korrespondent der Nachrichtenagentur dpa aus dem Verladehafen Al-Suweitina nahe Adschdabija. Konten für die Abwicklung der Geschäfte seien eingerichtet. Als Vermarkter habe sich Katar zur Verfügung gestellt, erklärte ein Sprecher der Übergangsregierung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: