Krieg in der Ukraine:Tote in Mariupol trotz Feuerpause

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Die Folgen der nächtlichen Angriffe: Ein Junge im ostukrainischen Mariupol läuft an einem ausgebrannten Auto vorbei.

(Foto: AFP)

Die Hafenstadt Mariupol in der Ostukraine wird von Artillerieeinschlägen erschüttert, auch aus Donezk werden Gefechte gemeldet. Amnesty International wirft beiden Seiten Kriegsverbrechen vor.

  • Trotz der Waffenruhe werden aus Donezk und Mariupol Artillerieeinschläge gemeldet. In der Hafenstadt Mariupol stirbt eine Frau, drei Menschen werden verletzt.
  • Amnesty International wirft den Konfliktparteien in der Ostukraine Kriegsverbrechen vor und fordert ein Ende der russischen Einmischung.
  • Seit Samstag werden erste Gefangene freigelassen. Hunderte Soldaten sollen sich auf beiden Seiten in Gefangenschaft befinden.

Tote trotz Waffenruhe in Mariupol

Die nach monatelangen Kämpfen vereinbarte Feuerpause in der Ostukraine erweist sich als brüchig. Beim Einschlag von Granaten kam in Mariupol eine Frau ums Leben. Drei weitere Bewohner der strategisch wichtigen Hafenstadt am Asowschen Meer erlitten schwere Verletzungen, wie die Stadtverwaltung mitteilte. Es waren die ersten bestätigten Opfer seit Beginn der beidseitigen Waffenruhe am Freitag.

Bereits in der Nacht zu Sontag gab es Berichte über Gefechte. Ein Offizier der ukrainischen Armee erklärte vor Ort: "Es gab einen Artillerieangriff. Wir haben eine Reihe von Einschlägen abbekommen, aber noch keine Informationen über Opfer." Lastwagen transportierten Freiwillige der regierungstreuen Miliz nach Osten. Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge brachen in gleicher Richtung auf.

Die Separatisten warfen den Regierungseinheiten ihrerseits einen Verstoß gegen die Feuerpause vor. Ihre Stellungen nahe Mariupol seien unter Feuer genommen worden, teilten die Aufständischen am späten Samstagabend mit.

Gefechte auch in Donezk

Auch aus der Separatistenhochburg Donezk wurden Gefechte gemeldet. Am Flughafen seien am Sonntagmorgen Explosionen und Schüsse zu hören gewesen, teilte die Verwaltung der Großstadt mit. Die Aufständischen vor Ort berichteten von vier getöteten Zivilisten. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.

Freilassung von Kriegsgefangenen

Die prorussischen Aufständischen haben der Regierung zufolge am Samstag mit der Freilassung von Gefangenen begonnen. Mehrere Soldaten seien in der Nähe der Separatistenhochburg Lugansk übergeben worden, sagte ein Sprecher Poroschenkos.

Kiew will seinerseits vermutlich am Montag erste Gefangene freilassen. Die Aufständischen haben Schätzungen zufolge etwa 1000 Soldaten in ihrer Hand, die Regierungstruppen demnach etwa 200 prorussische Kämpfer.

Schwere Vorwürfe von Amnesty International

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft den Konfliktparteien im Osten der Ukraine Kriegsverbrechen vor. "Alle Konfliktparteien haben sich gleichgültig gegenüber dem Leben von Zivilisten gezeigt und ihre internationalen Verpflichtungen in unverhohlener Form vernachlässigt", erklärte Generalsekretär Salil Shetty.

Die Organisation legt den kriegführenden Parteien unter anderem Folter und Entführungen zur Last. Amnesty lägen "glaubwürdige Informationen" über Entführungen und Prügel vor, für die Angehörige von Freiwilligenverbänden, die an der Seite der ukrainischen Armee kämpfen, verantwortlich seien. Der ukrainischen Armee werden "blinde" Bombardierungen vorgeworfen. Amnesty-Mitarbeiter vor Ort hätten zudem Informationen über Folter und Morde gesammelt, die von prorussischen Separatisten verübt worden seien.

Amnesty warf Russland Einmischung in den Konflikt vor. Dies legten unter anderem Satellitenfotos nahe. Es sei offensichtlich, dass Russland den Konflikt befeuere sowohl durch "direkte Einflussnahme" als auch durch "Unterstützung, die sie den Separatisten im Osten der Ukraine gewährt". Russland müsse den dauerhaften "Zufluss von Waffen und anderen Hilfsmitteln" für die Rebellen stoppen.

Bevölkerung leidet unter den Gefechten

Auch das Rote Kreuz beklagt die instabile Waffenruhe. Die Organisation habe am Morgen Lastwagen mit humanitärer Hilfe in die Separatistenhochburg Lugansk geschickt, wegen Granateneinschlags hätten die Fahrzeuge aber umdrehen müssen, teilte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) mit.

Das IKRK rief die Konfliktparteien zur strikten Einhaltung der Waffenruhe auf. "Hilfe ist sehr nötig in der Ostukraine. Wir müssen sie in Sicherheit liefern können, sobald wie möglich", hieß es. Zehntausende Einwohner von Lugansk müssen seit einem Monat ohne fließendes Wasser auskommen.

Nato setzt auf Abschreckung

Als Konsequenz aus der Krise setzt die Nato erstmals seit Ende des Kalten Krieges wieder auf das Prinzip Abschreckung. Die 28 Nato-Staats- und Regierungschefs beschlossen auf ihrem Gipfel den sogenannten Readyness Action Plan (sinngemäß Plan für höhere Bereitschaft). Er soll die Sicherheit der Partner in Ost- und Mitteleuropa stärken, die sich von Russland bedroht fühlen.

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