Krieg im Herzen Afrikas:Kongos mörderisches Muster

Im Osten der Demokratischen Republik Kongo hat sich eine neue Rebellengruppe formiert. In der rohstoffreichen Grenzregion droht nun wieder Krieg. Auch die UN-Friedenstruppe gerät unter Beschuss.

Arne Perras

Angst kriecht wieder durch die schlammigen Straßen von Bunia, frohe Gesichter sind nirgends zu sehen. Nicht einmal die munteren kongolesischen Popsongs, die aus den Lautsprechern in der schummrigen Eckkneipe scheppern, können die Stimmung heben. Wenige Kilometer südlich, in den Hügeln von Ituri, toben seit Tagen heftige Kämpfe. Die Milizen einer neu formierten Rebellengruppe "Front Populaire pour la Justice au Congo" (FPJC) haben zur Offensive geblasen, sie sind bis auf wenige Kilometer an die Stadt herangerückt. Am Freitag glaubten die Menschen sogar, dass die Rebellen Bunia nun überrennen würden.

Krieg im Herzen Afrikas: Nach heftigen Kämpfen zwischen Rebellen und Regierungstruppen sind in Nordkivu Hundertausende auf der Flucht.

Nach heftigen Kämpfen zwischen Rebellen und Regierungstruppen sind in Nordkivu Hundertausende auf der Flucht.

(Foto: Foto: AFP)

Panik brach aus, Menschen stolperten wild durcheinander, Geschäftsleute schlossen ihre Läden und machten sich davon. Die Leute wissen, was ihnen die Buschkämpfer antun können, sie haben schon früher viel gelitten. Wo immer Gefechte aufflammen, sind Menschen ohne Waffen Freiwild. Häuser werden geplündert, Frauen vergewaltigt, Männer erschossen. Das ist das mörderische Muster, das den Ostkongo seit Jahren durchzieht. Hier rebellieren noch immer Milizen gegen den Staat von Joseph Kabila, der 2006 zum Präsidenten gewählt wurde.

An diesem Wochenende hatten die Bewohner von Bunia noch einmal Glück. Die UN-Friedenstruppe Monuc, die hier mehrere tausend Soldaten stationiert hat, verstärkte ihre Stellungen am Rande der Stadt, die befürchtete Attacke der Rebellen blieb aus. Doch außerhalb gehen die Kämpfe weiter, dort bekriegen sich Einheiten der kongolesischen Armee mit den Milizen der FPJC. Die Aufständischen zielen auch immer wieder auf die Friedenstruppe Monuc.

Erst vor ein paar Tagen ist der UN-Kommandeur in Bunia, Brigade-General L.B. Thapa, selbst unter Beschuss geraten. Der Nepalese war auf Erkundungsflug, als sein UN-Helikopter vom Boden aus unter Feuer geriet. Der Hubschrauber kam davon, der Kommandant und seine Soldaten erreichten ihren Stützpunkt hinter hohem Stacheldraht. Thapa hat sich seine asiatische Ruhe bewahrt, er lächelt viel. Doch es ist offenkundig, dass die Friedenstruppe stärker unter Druck gerät.

In den beiden vergangenen Jahren war es recht still geworden in Ituri, eine europäische Eingreiftruppe hatte 2003 die Gewalt vorläufig beendet, 25.000 Milizionäre wurden mit Hilfe der UN entwaffnet. Doch gewaltbereite Splittergruppen haben sich gehalten, und nun ist wieder eine Front aufgebrochen, ohne dass man schon viel über das Ziel der Rebellen oder deren Hintermänner wüsste. Eine weitere, schon ältere Front liegt weiter südlich, in der Provinz Nordkivu. Auch dort verschärfen sich nun wieder die Gefechte.

Nordwestlich von Goma liegt das kleine Reich des Tutsi-Generals Laurent Nkunda, der Präsident Joseph Kabila und dessen Truppen hartnäckig die Stirn bietet. Nkunda betrachtet sich als Schutzmacht für die Tutsis im Kongo. Er wirft Kabila vor, mit Hutu-Rebellen aus Ruanda zusammenzuarbeiten, die dort 1994 am Völkermord beteiligt waren und seither im Kongo operieren. Manche glauben jedoch, dass Nkunda diese Bedrohung übertreibt und als Vorwand nutzt, um seine Stellung im Ostkongo zu festigen und Bodenschätze auszubeuten.

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Kongos mörderisches Muster

Die Rebellionen in Kivu und Ituri haben genügend Sprengkraft, um die gesamte Region an der Grenze zu Ruanda und Uganda erneut in einen Krieg zu stürzen. Der Friedensprozess ist weitgehend zusammengebrochen, seitdem General Nkunda seinen Ausstieg aus dem Abkommen vom Januar erklärt hat. Er wolle nun den ganzen Kongo befreien, ließ er kürzlich verkünden. Und auch Präsident Joseph Kabila feuert in Kinshasa nun mit rhetorischen Salven, um den Aufmarsch seiner Armee zu unterstützen. Das ganze Volk müsse sich jetzt hinter seinen Soldaten scharen, um Nkunda zu bekämpfen, forderte Kabila.

Krieg im Herzen Afrikas: Regierungstruppen haben ein von den Milizen des Rebellengenerals Laurent Nkunda beseztes Militärlager nahe Goma zurückerobert.

Regierungstruppen haben ein von den Milizen des Rebellengenerals Laurent Nkunda beseztes Militärlager nahe Goma zurückerobert.

(Foto: Foto: AFP)

Nkundas Militärchef Bosco Ntanganda hat früher in Ituri gekämpft. Arbeiten Nkunda und die Ituri-Rebellen also nun Hand in Hand? "Alles ist möglich. Wir wissen, dass Bosco hier sehr bekannt ist", sagt Olamide Adedeji, Direktorin des Monuc-Büros in Bunia. Aber sie könne nicht bestätigen, dass sie tatsächlich zusammenarbeiten. "Sicher aber sind sie von Leuten von außen aufgerüstet worden", sagt die Nigerianerin Adedeji.

Einer der neuen Anführer der Ituri-Rebellen, ein Mann namens Sharif Manda, beklagt am Telefon, dass seine Leute nicht in den Friedensprozess einbezogen worden seien. Die Strukturen der neuen Bewegung sind unübersichtlich. Alte und neue Akteure sind hier vereint. Der Aufständische Sharif soll sich länger in Kampala aufgehalten haben, was im Kongo den Verdacht schürt, dass ugandische Kräfte in den Konflikt verstrickt sind. Falls es Nkunda gelingt, seinen Aufstand mit der Rebellion in Ituri zu verknüpfen, dürfte die Gewalt weiter zunehmen - mit verheerenden Folgen für die Bewohner.

Schon jetzt sind mehr als hunderttausend Menschen auf der Flucht. "Der Krieg hat schon begonnen, jetzt müssen wir ihn stoppen", erklärt der kongolesische Außenminister Antipas Mbusa Nyamwisi mit Blick auf Nordkivu. Kabilas Regierung wirft hier dem Nachbarstaat Ruanda vor, Truppen zur Verstärkung Nkundas über die Grenze geschickt zu haben. Kigali weist die Vorwürfe als "lächerlich" zurück. Die UN können das Eindringen fremder Truppen bislang nicht bestätigen, doch die Grenze ist schwer zu überwachen.

Die Geschichte der Verstrickung Ruandas und auch Ugandas in die Konflikte des Kongo reicht weit zurück. In den beiden Kriegen von 1996 bis 2003 hatten die Armeen beider Länder interveniert, Geschäftsleute und Soldaten haben seither lukrative Netzwerke über die Grenzen aufgebaut, die auch heute, Jahre nach dem Abzug, noch oft intakt sind. Der Ostkongo ist reich an Tropenholz, Gold und Mineralien wie Coltan, das für die Mobilfunkindustrie gebraucht wird.

Die Ausbeutung der Bodenschätze, nach denen der Weltmarkt schreit, schwemmt Millionen Dollar in den Ostkongo - genug Geld für Kriegstreiber, um Milizen wieder aufzurüsten. Solange der Konflikt weitergeht, können Bodenschätze weiter illegal ausgebeutet werden. Am Albertsee, durch dessen Mitte die ugandisch-kongolesische Grenze verläuft, wecken nun Erdölfunde neue Begehrlichkeiten. Der Reichtum unter dem See schürt Spannungen zwischen Uganda und dem Kongo. Ob die neue Rebellion in Ituri dadurch mit befeuert wird, lässt sich noch schwer sagen, doch die neue Rebellengruppe operiert nicht weit von den Ufern des Sees.

Solange entlang der Grenze Chaos herrscht, kann der Kongo mit Erölbohrungen kaum beginnen. In Uganda aber soll die irische Erdölfirma Tullow Oil schon von 2009 an das schwarze Gold herauspumpen. Sie teilt sich das Fördergebiet mit dem kanadischen Unternehmen Heritage. Die Reserven auf ugandischer Seite werden auf 500 Millionen Barrel geschätzt. Die Ölbohrungen schüren unter Kongolesen die Sorge, dass sich Uganda den Löwenanteil des Öls sichern könnte, bevor die Förderung im Kongo überhaupt beginnt. Chaos in Ituri wäre demnach vor allem zum Nutzen Ugandas, ein Nachbar, den Kabila genauso wie Ruanda mit größtem Misstrauen betrachtet.

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