Krieg im Gaza-Streifen:Erneut Tote bei Kämpfen

Berichten zufolge sind aus dem Libanon erneut Raketen auf Israel abgefeuert worden. Die israelische Armee hat ihre Angriffe im Gaza-Streifen fortgesetzt.

In Nordisrael sind nach Angaben israelischer Sicherheitskräfte drei Raketen aus dem Libanon eingeschlagen. Die Geschosse seien außerhalb der Stadt Kirjat niedergegangen, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. Berichte über Opfer lägen nicht vor. Die Feuerwehr bestätigte die Angaben.

Krieg im Gaza-Streifen: Israelische Truppen rücken immer weiter auf die Stadt Gaza vor.

Israelische Truppen rücken immer weiter auf die Stadt Gaza vor.

(Foto: Foto: AP)

Aus libanesischen Sicherheitskreisen verlautete, insgesamt seien fünf Raketen abgefeuert worden, aber zwei seien noch im Libanon niedergegangen. Zu dem Angriff bekannte sich zunächst niemand.

Die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA meldete, eine Katjuscha-Rakete sei am Mittwochmorgen von der Region Al-Arkub aus abgefeuert worden.

Der "israelische Feind" habe rund eine halbe Stunde später mit vier Artilleriegranaten auf den Beschuss reagiert. Die Granaten seien in mehreren grenznahen libanesischen Dörfern eingeschlagen. Verletzt wurde nach ersten Informationen niemand.

Am 8. Januar waren bereits drei Katjuscha-Raketen in Israel eingeschlagen. Die pro-iranische Hisbollah-Miliz bestritt, für die Angriffe verantwortlich zu sein. Sie hatte während des Libanonkriegs vor zweieinhalb Jahren tausende von Raketen auf Israel abgefeuert.

Indes hat Israel seine Angriffe auf Ziele im Gaza-Streifen auch in der Nacht zum Mittwoch fortgesetzt. Wie der arabische Nachrichtensender al-Dschasira berichtete, kam es im Zentrum des Gaza-Streifens zu schweren Explosionen. Auch im Norden des Palästinensergebiets habe es Luftangriffe und andauernden Beschuss gegeben, berichtete eine Korrespondentin am frühen Morgen von der israelischen Grenze zum Gaza-Streifen. Im Vergleich zur vorangegangenen Nacht sei die Intensität der Angriffe aber geringer.

Am Dienstag, dem 18. Tag des Militäreinsatzes, hatte die israelische Armee ihre Angriffe gegen die im Gaza-Streifen herrschende Hamas deutlich ausgeweitet. Erstmals seit Beginn der Offensive drangen Soldaten tief in die Vororte der Stadt Gaza vor und lieferten sich nach Augenzeugenberichten stundenlange schwere Gefechte mit bewaffneten Palästinensern. Erneut waren am Abend auch Schmugglertunnel im Süden des Gaza-Streifens Ziel heftiger Luftangriffe. Die Zahl der seit dem 27. Dezember getöteten Palästinenser stieg auf 975. Mindestens 4300 Menschen wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza verletzt.

Ungeachtet der hohen Opferzahlen und der großen Zerstörung im Gaza-Streifen ist ein Ende der Kämpfe vorerst nicht abzusehen. Zwar führen beide Seiten mit Ägypten Gespräche über eine mögliche Waffenruhe. Jedoch kündigten sowohl die israelische Regierung als auch die Hamas an, weiterkämpfen zu wollen, solange die jeweils andere Seite ihren Forderungen für eine Feuerpause nicht zustimmt.

Zahlreiche Forderungen

Während Israel in erster Linie den Stopp der Raketenangriffe militanter Palästinenser und die Unterbindung des Waffenschmuggels in den Gaza-Streifen zur Bedingung macht, fordert die Hamas den Abzug der israelischen Soldaten aus dem Palästinensergebiet und die Öffnung aller Grenzübergänge nach Israel und Ägypten.

Wie die israelische Tageszeitung Haaretz berichtete, gibt es innerhalb der Regierung in Jerusalem Differenzen über den Zeitpunkt für den Beginn einer Waffenruhe. Ministerpräsidenten Ehud Olmert lehne eine rasche Feuerpause ab und stelle sich damit gegen Verteidigungsminister Ehud Barak und Außenministerin Zipi Livni, berichtet das Blatt in seiner Onlineausgabe. Barak strebe eine einwöchige "humanitäre Waffenruhe" zur Versorgung der Menschen im Gaza-Streifen an. Dagegen sehe Olmert die militärischen Ziele noch nicht erreicht und verhindere deshalb eine entsprechende Abstimmung im Kabinett. Auch Livni befürworte eine Waffenruhe, hieß es weiter.

Moon will Waffenruhe

Am Mittwoch wollte auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sich in der Region in die Verhandlungen um ein Ende der Gewalt einschalten. Der UN-Chef wurde zunächst in Kairo erwartet, wo er sich über Einzelheiten der ägyptischen Initiative zur Beilegung des Gazakonflikts unterrichten lassen wollte. Weitere Stationen seiner Reise sind Jordanien, Israel, das Westjordanland, der Libanon, Syrien und Kuwait. Ban will in allen Hauptstädten auf eine sofortige Waffenruhe und Hilfe für die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen dringen. Der Sicherheitsrat hatte Israel und die Hamas am Freitag in einer Resolution aufgerufen, sofort alle Gewalt zu stoppen.

Israels Militäroffensive im Gaza-Streifen entwickelt sich nach Auffassung von EU-Diplomaten zunehmend zu einer schweren Belastungsprobe für das Verhältnis zu der Staatengemeinschaft. Einige Regierungsvertreter sehen gar die angestrebte Vertiefung der Beziehungen gefährdet. So halten sie es für fraglich, ob ein für das Frühjahr geplanter Gipfel angesichts der vielen Demonstrationen in zahlreichen EU-Staaten gegen Israels Vorgehen tatsächlich stattfinden wird. "Wenn wir einen Gipfel jetzt ausrufen würden, wäre das eine Katastrophe", sagte ein hochrangiger Diplomat in Brüssel. Dies könne einen regelrechten Aufschrei in der Öffentlichkeit provozieren.

Damit steckt die EU in der Klemme. Denn eigentlich will sie ihren Einfluss in der Region ausbauen. Dazu schloss sie im vergangenen Jahr trotz der Proteste palästinensischer Vertreter ein Abkommen mit Israel, das die Beziehungen auf politischer wie auf Handelsebene voranbringen sollte und regelmäßige Gipfeltreffen vorsah. Wann und ob das erste Treffen dieser Art nun stattfinden wird - dafür sei es derzeit zu früh, um eine Aussage zu treffen, sagte ein Sprecher der tschechischen EU-Präsidentschaft in dieser Woche. Nach Angaben von EU-Diplomaten gibt es aktuell jedenfalls kaum Anzeichen, dass ein Gipfel vorbereitet wird.

Phosphoreinsatz nicht ungewöhnlich

Unterdessen teilte das Rote Kreuz mit, die israelischen Streitkräfte verstießen mit dem Einsatz von Phosphorgranaten im Gaza-Streifen nicht gegen internationales Recht. Es sei nicht ungewöhnlich, Phosphor zur Erzeugung von Rauch anzuwenden oder um Ziele zu erleuchten, sagte der Waffenexperte des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Peter Herby, der Nachrichtenagentur AP.

"Wir haben keine Anhaltspunkte, dass es für einen anderen Zweck eingesetzt wird." Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hatte Israel zuvor beschuldigt, Phosphor einzusetzen und warnt vor extremen Bränden und Verletzungen bei Zivilpersonen. Der Stoff entzündet sich beim Auftreffen auf die menschliche Haut und hört erst auf zu brennen, wenn Sauerstoff fehlt. Deswegen können Phosphorgranaten schwerste Verletzungen verursachen. Es gibt den Verdacht, dass im Gaza-Streifen zehn Verbrennungsopfer mit Phosphor in Berührung gekommen sein könnten.

Nach Angaben des IKRK ist es unter internationalem Recht erlaubt, Phosphor zur Erzeugung von Rauch oder als Leuchtmittel einzusetzen. Es gebe keine Beweise, dass Israel die Granaten absichtlich in fragwürdiger Weise verwende, etwa um Gebäude niederzubrennen. Herby sagte allerdings, dass der Zugang nach Gaza schwierig sei. Deshalb habe man nur wenig Erkenntnisse.

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