Krieg im Gaza-Streifen:Bush: Erster Schritt muss von Hamas ausgehen

In den Bemühungen um einen Waffenstillstand im Gaza-Streifen hat sich US-Präsident Bush zu Wort gemeldet: In einem Telefonat sprach er mit Israels Regierungschef Olmert über Wege, "die Gewalt zu beenden" - und appellierte an die Hamas.

US-Präsident George W. Bush hat sich in einem Telefongespräch mit dem israelischen Regierungschef Ehud Olmert für einen Waffenstillstand im Gazastreifen ausgesprochen. Der erste Schritt dazu müsse aber von der Hamas ausgehen, die ihre Raketenangriffe auf Israel einstellen müsse, sagte Bushs Sprecher Gordon Johndroe auf der Ranch des scheidenden Präsidenten im texanischen Crawford.

Krieg im Gaza-Streifen: Wieder leiden die Menschen unter dem Nahost-Konflikt: Palästinenser in Gaza neben einer Moschee, die von israelischen Luftangriffen zerstört wurde.

Wieder leiden die Menschen unter dem Nahost-Konflikt: Palästinenser in Gaza neben einer Moschee, die von israelischen Luftangriffen zerstört wurde.

(Foto: Foto: Reuters)

Die beiden Politiker sprachen nach seinen Angaben über Wege, "die Gewalt zu beenden". Dabei hätten beide ihren Wunsch nach Frieden zum Ausdruck gebracht, sagte Johndroe. Olmert habe dem US-Präsidenten zugesichert, dass Israel versuche, Opfer in der Zivilbevölkerung des Gazastreifens zu vermeiden.

Auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy will sich um eine Lösung des Konflikts bemühen. Er kündigte an, am Montag in den Nahen Osten zu reisen. Es gehöre zu den Aufgaben Frankreichs, überall nach Wegen für den Frieden zu suchen, sagte Sarkozy am Mittwoch in seiner Neujahrsansprache. Nach Angaben aus dem Elysée-Palast soll Sarkozy am Montag nach Ägypten, in das Westjordanland und nach Israel reisen.

Arabische Liga: UN-Sicherheitsrat soll Resolution aussprechen

Die Mitglieder der Arabischen Liga wollen unterdessen den UN-Sicherheitsrat auffordern, sich in einer Resolution für ein Ende der israelischen Offensive im Gazastreifen auszusprechen. In einer am Mittwoch nach dem Ende ihrer Beratungen in Kairo verabschiedeten Erklärung befürworteten die Außenminister der arabischen Staaten eine entsprechende sofortige Anfrage bei dem UN-Gremium. Der Sicherheitsrat müsse in einer "bindenden Entschließung" ein Ende der "israelischen Aggression" fordern, heißt es in der Erklärung.

Zuvor hatte Saudi-Arabien den Palästinensern eine Mitschuld an den israelischen Luftangriffen im Gaza-Streifen vorgeworfen. "Dieses schreckliche Massaker wäre nicht passiert, wenn das palästinensische Volk vereinigt hinter einer Führung gestanden hätte", sagte der saudische Außenminister Saud Al-Faisal am Mittwoch in Kario.

Derzeit kontrolliert die radikal-islamische Hamas den Gazastreifen, während im Westjordanland die als gemäßigt aber auch als korrupt geltende Fatah unter Präsident Mahmud Abbas regiert.

Währenddessen rief der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad das Gremium zu einem schnellen Eingreifen auf. "Wenn die Arabische Liga jetzt nicht handeln will, wann will sie etwas unternehmen?", sagte Ahmadinedschad auf einer Kundgebung in der iranischen Stadt Sahedan.

Die Palästinenser im Gaza-Streifen seien "unterdrückte Araber". Die Arabische Liga sollte daher schnell konkrete Schritte zur Unterstützung der Bevölkerung im Gaza-Streifen beschließen. Wer dagegen nur Reden und Erklärungen von sich gebe, der erlaube es Israel, seine Angriffe fortzusetzen, sagte der iranische Präsident.

Ahmadinedschad: "Westen parteilich zugunsten Israels"

Vor diesem Hintergrund kritisierte er die Vereinten Nationen und warf dem UN-Sicherheitsrat Parteilichkeit zugunsten Israels vor.

Die arabischen Staaten sind schon länger in der Frage gespalten, inwieweit sie sich von der Hamas distanzieren sollen oder nicht. Der Iran gilt als finanzieller Unterstützer der Organisation, die von westlichen Staaten als terroristische Vereinigung eingestuft wird.

Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, plädierte dafür, die israelischen Angriffe vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen. Derzeit appelliert der Westen laufend an Israel, sich wenigstens auf eine Waffenruhe einzulassen.

Ungeachtet des wachsenden internationalen Drucks setzte Israel seine Angriffe im Gaza-Streifen am Mittwoch aber unvermindert fort. Das israelische Sicherheitskabinett wies in der Nacht eine Forderung der EU-Außenminister nach einem sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand zurück, wie aus Kabinettskreisen verlautete.

Der Sprecher von Ministerpräsident Ehud Olmert, Mark Regev, sagte, die Luftangriffe gegen Ziele der Hamas müssten fortgesetzt werden.

Bei den Angriffen in der Nacht wurden nach Angaben von Augenzeugen zwei Schmuggeltunnel zerstört und mehrere Hamas-Ziele in Gaza bombardiert. In einem der Tunnel an der Grenze zu Ägypten, über den Treibstoff in den Gaza-Streifen gebracht wurde, kam es den Angaben zufolge zu einer starken Explosion. Die Streitkräfte erklärten, sie hätten mehrere Regierungsgebäude getroffen, darunter ein Büro von Hamas-Ministerpräsident Ismail Hanija.

Hamas-Rakete schlägt in Kindergarten ein

Bei einem Raketeneinschlag nahe Gaza wurden nach palästinensischen Angaben ein Sanitäter getötet und zwei weitere verletzt.

Die Hamas schoss im Gegenzug weiterhin mehr als zwei Dutzend Raketen auf Israel ab. Erstmals trafen fünf der Geschosse die Stadt Beerscheba, 46 Kilometer von der Grenze entfernt, und Umgebung. Die Rakete schlug in einen Kindergarten ein, Menschen hielten sich in dem Gebäude nicht auf. In den meisten Schulen und Hochschulen im Süden Israels fiel der Unterricht aus.

EU will Öffnung der Grenzen

In einer in Paris veröffentlichten Erklärung der EU-Außenminister hieß es: "Es gibt keine militärische Lösung im israelisch-palästinensischen Konflikt."

Israel müsse alle Grenzübergänge zum Gaza-Streifen dauerhaft öffnen, forderten die Minister nach einer Sondersitzung am Dienstagabend. In das Autonomiegebiet müssten Lebensmittel, medizinische Hilfe und Treibstoff geliefert und Verletzte müssten in Sicherheit gebracht werden.

Aus Delegationskreisen verlautete zudem, die Hamas solle sofort und bedingungslos die Raketenangriffe auf Israel einstellen.

Ägypten verzichtet auf offizielle Silvesterfeierlichkeiten - lesen Sie auf der nächsten Seite, wie andere arabische Staaten auf den Krieg reagierten.

Bush: Erster Schritt muss von Hamas ausgehen

Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, hatte die Palästinenser zuvor dazu aufgerufen, ihre internen Streitigkeiten zu beenden. Die zerstrittenen palästinensischen Gruppierungen sollten "umgehend" eine Versöhnungskonferenz abhalten, sagte Mussa am Mittwoch zum Auftakt der Sondersitzung der Arabischen Liga in Kairo.

Ägypten sagte aus Solidarität mit den Palästinensern seine offiziellen Neujahrsfeierlichkeiten ab. Alle staatlich geförderten Veranstaltungen, darunter ein beliebtes Konzert in der Kairoer Oper, fallen aus, wie das Kultusministerium am Mittwoch mitteilte.

In Dubai sprach Herrscher und Scheich Mohammed bin Raschid al-Maktum sogar ein offizielles Silvesterverbot aus. Daraufhin sagten viele arabische Konzertveranstalter ihre Feierlichkeiten ab.

SPD kritisiert Merkel für einseitige Schuldzuweisung

In Deutschland kritisierte der SPD-Außenexperte Rolf Mützenich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für die einseitige Schuldzuweisung an die radikal-islamische Hamas. "Es kommt zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht darauf an, über Schuld in diesem Zusammenhang zu diskutieren", sagte er dem NDR am Mittwoch.

Die deutsche Regierung müsse jetzt geschlossen für eine Waffenruhe eintreten. Er bedauere, dass die Kanzlerin hier einen anderen politischen Akzent gesetzt habe.

Merkel hatte die Verantwortung für die Eskalation nach Angaben eines Regierungssprechers "eindeutig und ausschließlich" der radikal-islamischen Hamas zugewiesen. Zugleich plädierte die Kanzlerin dafür, zivile Opfer zu vermeiden und nach einer politischen Lösung zu suchen.

Großbritannien versprach den Menschen im Gaza-Streifen unterdessen zehn Millionen Dollar an Nothilfen. Entwicklungsminister Douglas Alexander sagte am Mittwoch, das Geld sollte für Nahrungsmittel sowie Benzin eingesetzt werden. "Hilfe wird in Gaza dringend benötigt", sagte er. Die Situation für die Menschen verschlechtere sich von Stunde zu Stunde, Tausende litten.

Um die wenigen Hilfsgüter, die nach Gaza gelangten, vernünftig zu verteilen und einzusetzen, müssten die Beschüsse aufhören, forderte Alexander.

Pendeldiplomatie zwischen Paris und Jerusalem

Die israelische Außenministerin Zipi Livni kündigte für Donnerstag eine Reise nach Paris an, wo sie mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy über den Konflikt beraten will. Der französische Außenminister Bernard Kouchner sagte, er und Sarkozy würden möglicherweise in der kommenden Woche nach Israel reisen.

Kouchner forderte Israel auf, auf eine Bodenoffensive im Gaza-Streifen zu verzichten. Diese würde "viele Tote" zur Folge haben, sagte er. Wie bereits von den EU-Außenministern am Dienstagabend gefordert, verlangte Kouchner erneut eine sofortige Waffenruhe, um der Bevölkerung humanitäre Hilfe leisten zu können. Israel hatte den Vorschlag abgelehnt.

Nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in Israels muss das Land ausländische Journalisten zur Berichterstattung über die Militäroffensive in den Gazastreifen lassen. Allerdings schränkte das Gericht am Mittwoch in Tel Aviv ein, dass jeweils nur Gruppen von bis zu zwölf Journalisten den Grenzübergang Erez passieren dürfen, falls dieser aus humanitären Gründen geöffnet wird. Die Regelung gilt ab Mittwoch. Betroffen sind nur Mitglieder der Auslandspressevereinigung (FPA).

Unzufriedenheit internationaler Journalisten

Die Journalistenvereinigung teilte mit, dass sie mit dem Prinzip der sogenannten "Pool-Berichterstattung", bei der die betreffenden Kollegen im Gazastreifen ihre Informationen mit anderen FPA-Kollegen teilen müssen, nicht zufrieden sei. Die Anwälte seien beauftragt worden sicherzustellen, dass diese Berichterstattungsform nicht zu einer ständigen Einrichtung wird.

Die Journalistenvereinigung war vor den Obersten Gerichtshof gezogen, weil die israelische Armee ausländischen Korrespondenten den Zugang zum Gazastreifen verweigert hatte. Damit war eine unabhängige Überprüfung der Berichte aus dem Palästinensergebiet nicht mehr möglich. Dazu gehören beispielsweise Berichte, wonach die israelische Armee Zivilisten oder zivile Einrichtungen angegriffen hat.

Andererseits konnten auch Vorwürfe der israelischen Armee nicht überprüft werden, wonach die radikal-islamische Hamas in Moscheen Waffenlager eingerichtet hat.

Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas wollte unterdessen am Mittwoch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan über eine mögliche Feuerpause sprechen. Abbas will auch mit dem jordanischen König Abdullah II. zusammentreffen.

In den USA protestierten mehr als 1000 Menschen gegen die israelische Offensive. In Dearborn, einem Vorort von Detroit, gingen am Dienstagabend fast 1.000 Menschen auf die Straße. In New York und Los Angeles versammelten sich Hunderte Demonstranten vor den israelischen Konsulaten.

Israel hatte am Samstag nach einer Serie palästinensischer Raketenangriffe mit Luftangriffen auf den Gazastreifen begonnen, die nach Krankenhausangaben mindestens 385 Menschen das Leben gekostet haben. Nach UN-Angaben sind unter den Getöteten mindestens 64 Zivilpersonen. Bei Raketenangriffen der Hamas kamen seit dem Wochenende vier Israelis ums Leben.

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