Krieg gegen Gaddafi:Tunesien macht Gaddafi-Vertrauten kurzen Prozess

Er war der letzte Ministerpräsident des untergetauchten libyschen Machthabers: Al-Bagdadi Al-Mahmudi ist nach Angaben des tunesischen Innenministeriums in der Oasenstadt Touzer festgenommen worden - kurz darauf sprach ein tunesisches Gericht das Urteil.

Der letzte Regierungschef des gestürzten libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi, Al-Bagdadi Al-Mahmudi, ist in Tunesien festgenommen worden. Dies teilte ein Vertreter des tunesischen Innenministeriums mit. Den Angaben zufolge wurde der Politiker am Vorabend an der Grenze zu Algerien nahe der Oasenstadt Tozeur in dem Ort Tamaghza offiziell wegen einer fehlenden Einreisegenehmigung festgesetzt. Mahmudi gilt als enger Vertrauter Gaddafis. Es hieß, er sei mit zwei weiteren Personen in einem Geländefahrzeug unterwegs gewesen.

Gaddafi's prime minister arrested in Tunisia

Gaddafi-Getreuer festgesetzt: Al-Bagdadi Al-Mahmudi, der letzte Regierungschef des untergetauchten libyschen Machthabers, wurde in Tunesien festgenommen.

(Foto: dpa)

Nur kurze Zeit nach seiner Festnahme sprach ein tunesisches Gericht das Urteil gegen Mahmudi: Wegen illegalen Grenzübertritts wurde er zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Mahmudi war bis vor einem Monat Regierungschef in Libyen. Bereits Ende August war in Medienberichten seine Flucht nach Tunesien gemeldet worden.

Der Aufenthaltsort von Gaddafi selbst ist weiterhin unbekannt. Der Übergangsrat geht nach eigenen Angaben derzeit unbestätigten Informationen nach, wonach dieser aus der Wüstenoase Dschufra geflohen sein soll. Die Festnahme des Untergetauchten ist für die Übergangsregierung von enormer symbolischer Bedeutung.

Bei ihrem Vormarsch auf die verbliebenen Widerstandsnester der Gaddafi-treuen Truppen entdeckten die Aufständischen nach eigenen Angaben ein Geheimdepot an Chemiewaffen. Rebellen-Kämpfer brachten die Waffen einem Sprecher zufolge unter ihre Kontrolle. Nähere Angaben über die Menge machte er nicht. Die Darstellung konnte zunächst nicht überprüft werden.

Die Regierung Gaddafis sollte ihre chemischen Waffen eigentlich im Jahr 2004 im Rahmen von Annäherungsbemühungen mit dem Westen zerstören und dabei auch das Atomprogramm aufgeben. Der Organisation für das Verbot chemischer Waffen zufolge versteckte das Regime jedoch 9,5 Tonnen Senfgas an einem geheimen Wüstenort.

Im Kampf gegen die verbliebenen Kämpfer Gaddafis erzielte die Übergangsregierung nach eigenen Angaben weitere Erfolge - dennoch bleiben ihre Mitglieder vorsichtig. Aus Kreisen des Übergangsrates verlautete, man habe beschlossen, die Namen der Minister der neuen Übergangsregierung erst nach der "vollständigen Befreiung" des Landes bekanntzugeben.

Die Regierung sei aber bereits gebildet. Sie werde aus Ministerpräsident Mahmud Dschibril und 22 Ministern bestehen. Der gut informierte Betreiber einer Website mit moderater islamischer Ausrichtung sagte, Dschibril sei bei den Libyern zwar nicht sehr beliebt. Doch die frühere Opposition wolle in dieser kritischen Phase keine Spaltung riskieren.

"Gaddafi verschickt Nachrichten"

Nach Angaben der Übergangsregierung wurden ein Außenposten im Gebiet Dschufra sowie fast alle Viertel der Wüstenstadt Sabha eingenommen, allerdings würden Scharfschützen weiter Widerstand leisten. Beim Sturm auf die verbliebenen Bastionen Gaddafis, allen voran die Wüstenstadt Bani Walid und Sirte stoßen die Kämpfer der Übergangsregierung auf erbitterten Widerstand.

An der Front nahe Sirte fehlte den Truppen schon 50 Kilometer vor der Geburtsstadt Gaddafis die Feuerkraft, um letzte Anhänger vertreiben zu können. Die Getreuen Gaddafis würden nahezu selbstmörderisch kämpfen, sagte ein Kämpfer der Nachrichtenagentur Reuters. Das lege den Schluss nahe, dass sich Gaddafi selbst oder einer seiner Söhne dort verstecke.

"Wir wissen nicht, wo er sich aufhält", sagte der Kommandeur des Nato-Militäreinsatzes in Libyen, der kanadische General Charles Bouchard, über Gaddafi. "Aber wir wissen, dass er noch Nachrichten verschickt und dass er Befehle zum Weitermachen gibt." Er forderte die verbliebenen Gaddafi-Truppen zur Kapitulation auf.

"Ich kann die Kräfte des Regimes nur auffordern, sich zu ergeben, ihre Aktivitäten zu beenden und eine friedliche Lösung zu suchen", sagte Bouchard vor Journalisten in seinem Hauptquartier in Neapel. Gaddafis Soldaten seien nicht mehr zu "koordinierten Operationen" fähig, stellten aber nach wie vor eine Bedrohung dar: "Es werden noch Befehle gegeben und die Gewalt gegen die Bevölkerung geht weiter."

Die Nato gehe davon aus, dass derzeit noch etwa 200.000 Menschen in Libyen von den Aktionen der Gaddafi-Truppen betroffen seien. Bouchard sagte, er sei sicher, dass der Nato-Einsatz bis zum Jahresende beendet werden könne. Das Militärbündnis hatte seinen Einsatz am Mittwoch um 90 Tage verlängert.

Der Übergangsrat entdeckte unterdessen einem Bericht der Financial Times zufolge in der Zentralbank in Tripolis Geld im Wert von umgerechnet mehr als 16 Milliarden Euro aus der Zeit Gaddafis. Der Finanzbeauftragte des Übergangsrates, Wafik Schater, sagte, das Gremium verfüge damit über genügend Geld, um das Land für bis zu sechs Monate zu finanzieren. Libyen fordert zudem die Freigabe von weltweiten Gaddafi-Guthaben im Wert von 170 Milliarden Dollar.

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