Kreditprogramm:Euro-Länder setzen auf Wachstum

Sparen um jeden Preis - dieses Rezept scheint überholt. Wachstum ist die neue Wunderwaffe im Kampf gegen die Krise. Die Euro-Staaten diskutieren über ein milliardenschweres Kreditprogramm und andere "kreative" Maßnahmen.

Cerstin Gammelin, Brüssel und Claus Hulverscheidt, Berlin

Die Euro-Staaten wollen das Wirtschaftswachstum in der Währungsunion mit Hilfe eines milliardenschweren Kreditprogramms ankurbeln. Nach Angaben aus Berliner Regierungskreisen ist im Gespräch, das Eigenkapital der Europäischen Investitionsbank (EIB) um zehn Milliarden Euro aufzustocken. Die EIB könnte damit Darlehen in einer Größenordnung von 60 Milliarden Euro vergeben und Investitionen in noch höherem Volumen anstoßen. Mehrere Regierungen dringen auf einen EU-Wachstumspakt, um zu verhindern, dass das allgemeine Bemühen um eine Sanierung der Haushalte die Konjunktur abwürgt und die Arbeitslosigkeit weiter erhöht.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist zu einem solchen Pakt bereit, sofern dieser nicht neue Etatlöcher aufreißt. "Wichtig ist, dass wir uns von der Vorstellung lösen, Wachstum koste immer viel Geld und müsse das Ergebnis teurer Konjunkturprogramme sein", sagte sie dem Hamburger Abendblatt. Sinnvoller und wirksamer seien Maßnahmen, "für die man eher politischen Mut und Kreativität braucht als Milliarden Euro".

Merkel plädierte vor allem für die Öffnung der Arbeitsmärkte, damit Barrieren für die Einstellung junger Menschen sinken. Zudem müsse das Geld aus den Regional- und Strukturfonds der EU flexibler und zielgerichteter eingesetzt werden. In Regierungskreisen wurde Behauptungen widersprochen, die Kanzlerin habe ihren Kurs geändert. Deutschland habe bei allen Hilfsprogrammen für angeschlagene Euro-Länder nie nur aufs Sparen, sondern immer auch auf die Förderung des Wachstums gesetzt, hieß es.

Ähnlich wie Merkel äußerte sich der Regierungschef eines anderen Euro-Landes. "Es geht darum, kluge Wachstumsideen zu entwickeln und nicht darum, Milliarden zu verteilen", sagte er der SZ. Die Länder hätten mit Geld aus EU-Fördertöpfen schon genug Straßen gebaut, jetzt müsse dafür gesorgt werden, "dass auch Fahrzeuge darauf fahren".

Die Details einer Kapitalerhöhung bei der EIB sollen die EU-Finanzminister aushandeln. Um den EU-Gipfel im Juni vorzubereiten, plant Ratspräsident Herman Van Rompuy zudem für Ende Mai ein Arbeitsessen der Staats- und Regierungschefs zum Thema Wachstum. Berichte, wonach die EU einen 200 Milliarden Euro schweren Marshall-Plan auflegen will, wurden hingegen dementiert.

Die Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) warf der Euro-Zone vor, die Sanierung der Budgets über den Erhalt von Arbeitsplätzen zu stellen. Dies könne zu sozialen Unruhen führen. Weltweit gebe es heute 50 Millionen Stellen weniger als vor Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008. Die Vize-Chefin der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht, sprach von einem "Blauen Brief" der ILO an Merkel.

Dagegen trägt Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker den Kurs der Kanzlerin mit. Auch er übte jedoch Kritik an Deutschland. Der Ministerpräsident verwies darauf, dass von den 17 Euro-Ländern sieben weniger Schulden hätten als die Bundesrepublik. Dennoch werde in Deutschland nur darüber debattiert, dass man angeblich für ganz Europa die Zeche zahle. "Das ist Teil des Problems, so zu tun als ob Deutschland das einzige tugendhafte Land der Welt sei. Das ist in hohem Maße beleidigend für die anderen", sagte Juncker.

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