Kreditaffäre:Wulff ist gestraft genug

Christian Wulff, Kreditaffäre, Ex-Bundespräsident

Die Staatsanwaltschaft fordert ein Schuldeingeständnis vom ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff.

(Foto: REUTERS)

Es geht nur noch um gut 400 Euro. Doch die Staatsanwaltschaft versucht, diese strafrechtlich aufzublasen - und besteht darauf, dass Ex-Bundespräsident Wulff seine Schuld eingesteht. Das ist unklug, unsouverän und falsch. Das Vorgehen weckt Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Staatsanwälte.

von Heribert Prantl

Es kreißen die Berge, zur Welt aber kommt nur ein lächerliches Mäuschen." Der Satz steht im Vers 139 der "Dichtkunst" des Schriftstellers Horaz. Ein Staatsanwalt, der sich noch die alte Juristenliebe zum römischen Recht bewahrt hat, könnte den Satz als bitteren oder tragikomischen Aktenvermerk ans Ende der ungeheuer umfangreichen Ermittlungsakten in Sachen 4212 Js 12184/12 gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff schreiben: Parturient montes, nascetur ridiculus mus. Im Fall Wulff war es so, dass ein ganzes Land gekreißt hat.

"Ridiculus mus" - das ist es, was von den gewaltigen strafrechtlichen Ermittlungen gegen Wulff übrig geblieben ist; schon lautmalerisch ein Fastnichts, ein "lächerliches Mäuschen". Es handelt sich um angeblich noch ungeklärte Hotelkosten in Höhe von gut 400 Euro, welche die Staatsanwaltschaft Hannover zuletzt strafrechtlich aufzublasen versuchte; offenbar deswegen, um am Schluss nicht ganz ohne einen Vorwurf dazustehen. Das ist unklug, ungut, unsouverän und falsch.

Die Staatsanwaltschaft würde sich nichts vergeben, wenn sie feststellte, dass sich die strafrechtlichen Vorwürfe gegen Wulff nach akribisch-eifrigen Ermittlungen mehr oder minder aufgelöst hätten, das Ermittlungsverfahren also ohne Wenn und Aber einzustellen sei. Auf diese Weise könnte die Staatsanwaltschaft demonstrieren, was sie in Festschriften gern von sich behauptet: Sie sei die "objektivste Behörde der Welt", weil sie gleichermaßen für und gegen den Beschuldigten ermittle.

Stattdessen formuliert die Staatsanwaltschaft ein Wenn und ein Aber, sie will Wulff zu einer "Übernahme strafrechtlicher Verantwortung" und zur Zahlung von 20.000 Euro nötigen - und das Verfahren nur unter diesen Voraussetzungen einstellen. Diese Verbissenheit praeter legem (ein Schuldeingeständnis als Preis für eine Einstellung des Verfahrens ist äußerst unüblich) weckt Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Staatsanwälte.

Die konnten vor einem guten Jahr nicht anders, als die Ermittlungen einzuleiten, es musste sein. Jetzt aber ist Zeit, sie einzustellen. Das gebietet die Fürsorgepflicht, die gegenüber jedem Beschuldigten besteht. Das gebieten die gewaltigen Folgen, die das Ermittlungsverfahren hatte. Das gebieten juristische Fairness und menschlicher Anstand.

Peinlichkeiten sind nicht strafbar

Wegen der Einleitung der Ermittlungen, die nun ein so mäusisches Finale finden, hat Wulff vor gut einem Jahr vom höchsten Staatsamt zurücktreten müssen. Mit diesem Höllensturz ist Wulff quasi vorab vorbestraft. Aus der Unschuldsvermutung, die für jeden Beschuldigten zu gelten hat, wurde eine Schuldvermutung, die sich nun als nicht haltbar herausgestellt hat.

Man muss mit Wulff kein übertriebenes Mitleid haben, sein politisches Leben und Wirken war mit Peinlichkeiten gepflastert. Aber: Peinlichkeiten sind nicht strafbar. Eine strafrechtliche Relevanz der Peinlichkeiten hat sich bei den Ermittlungen jedenfalls kaum ergeben, obwohl die Staatsanwaltschaft ermittelt hat wie der Teufel und sogar drei ausländische Staaten um Rechtshilfe gebeten hat.

Man kann dieser Staatsanwaltschaft gewiss nicht vorwerfen, dass sie Wulff geschont hätte. Sie hat ihn zum Exempel dafür machen wollen, dass der Satz von den Kleinen, die man hängt, und den Großen, die man laufen lässt, nicht mehr stimmt. Es wurde bei Wulff mehr, intensiver und eifriger ermittelt, als man das bei einem x-beliebigen Beamten gemacht hätte.

Das ist verständlich, weil ein Staatsoberhaupt unter Korruptionsverdacht etwas anderes ist als ein x-beliebiger Beamter unter Korruptionsverdacht. Die Staatsanwaltschaft hat das Pathologische in der Petitesse finden wollen, die Korruption im Bobbycar, das Große im Kleinen, den großen Vorwurf in kleinen Vorfällen. Aber dann hat sie auch das Kleine nicht gefunden. Als Staatsbürger ist man da eher erleichtert, als Staatsanwaltschaft anscheinend nicht.

Der Einstellungsparagraf, den die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten Wulff anbietet, wird oft "Freikauf-Paragraf" genannt - weil die Einstellung meist gegen Zahlung einer Geldauflage erfolgt. Die Ermittlungsverfahren gegen Helmut Kohl (Zahlung von 300 000 Mark) oder Josef Ackermann (3,2 Millionen Euro) sind ebenso wie dreihunderttausend andere Verfahren pro Jahr nach dieser Vorschrift eingestellt worden, die dem Opportunitätsprinzip folgt und keine Schuldfeststellung beinhalten soll. Dieser Einstellungsparagraf aber ist kein Eintauch-Paragraf, der einen weitgehend entlasteten Beschuldigen noch einmal tüchtig tunken soll. Das versucht die Staatsanwaltschaft bei Wulff. Sie sollte das lassen. Wulff ist gestraft genug.

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