Bundespräsident veröffentlicht Urlaubsliste:Zu Gast bei Freunden

Christian Wulff hat noch mehr private Ferienaufenthalte bei befreundeten Unternehmern verbracht als bisher bekannt - darunter bei der Kreditgeberfamilie Geerkens. Das ließ der Bundespräsident über seine Anwälte mitteilen. Die Opposition verschärft in der Kreditaffäre ihre Angriffe. Dem angeschlagenen Staatsoberhaupt steht neues Ungemach bevor.

Nach außen hin gibt sich der Bundespräsident gelassen. Am Samstag, nach der Aufzeichnung einer ZDF-Weihnachtssendung, diktierte Wulff einem Reporter der Nachrichtenagentur dpa fast trotzige Sätze in den Notizblock: "Man muss selber wissen, was man macht", sagte er da. Und: "Das muss man verantworten - das kann ich." Nach drei mal "man" kommt da das "ich" am Ende fast überraschend.

Wie sehr die Affäre um den umstrittenen Privatkredit den Bundespräsidenten belastet, lässt sich aber weniger an seinen Worten ablesen, als an seinem Verhalten. Bei der Weihnachtsfeier des Bundespräsidialamts im Schloss Bellevue soll der Präsident nach seiner Rede auch nur für wenige Minuten an seinem Tisch Platz genommen und die Feier dann ohne Angabe von Gründen verlassen haben. Nach Informationen der Bild am Sonntag soll Wulff vor Mitarbeitern angedeutet haben, dass er die Vorwürfe als Bedrohung für sein Amt sieht. "Am Wochenende wird es kritisch genug", soll er mit Blick auf die Berichterstattung gesagt haben. Am Sonntagabend ließ er über seine Anwälte mitteilen, dass er noch mehr private Ferienaufenthalte bei befreundeten Unternehmern verbracht hat, als bisher bekannt.

Lange - viele sagen: zu lange - hat der Bundespräsident zu der Affäre geschwiegen, die vor drei Jahren mit einem Privatkredit begonnen hat. Wulff, damals noch Ministerpräsident in Niedersachsen, hatte sich bei dem befreundeten Unternehmerehepaar Geerkens 500.000 Euro geliehen, um für sich und seiner Frau Bettina ein Haus in Hannover zu finanzieren.

Als Wulff Anfang 2010 im niedersächsischen Landtag nach Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmer gefragt wurde, verschwieg er den Kredit. Als die Zahlung nun bekannt wurde, verwies Wulff darauf, nicht gelogen zu haben, weil er das Geld nicht von dem Unternehmer Egon Geerkens, sondern dessen Frau Edith geliehen habe. Als auch daran Zweifel aufkamen, reagierte Wulff mit oben zitierten Sätzen.

Die Opposition, die nach Bekanntwerden der ersten Vorwürfe noch zurückhaltend agierte, lässt sich langsam nicht mehr vom Respekt vor dem höchsten Amt im Staat beeindrucken. SPD, Grüne und Linke verschärfen ihre Kritik an Wulff und verlangen nun eindringlich Aufklärung über die Umstände des Darlehens.

Es sehe so aus, als ob Geerkens bei der Kreditvergabe "ein kleines Scheingeschäft eingefädelt hat", sagt zum Beispiel SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann der Bild am Sonntag. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles bringt in der ARD sogar indirekt einen Rücktritt Wulffs ins Gespräch: "Er sollte jetzt sehr schnell und wirklich offensiv alles auf den Tisch packen. Wenn er das nicht kann, dann allerdings sollte er darüber nachdenken, ob er weiter Vorbild in Deutschland sein kann". Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast sieht Wulff in einer "Bringschuld". Die Bürger hätten ein Recht zu wissen, was gewesen sei, so Künast zur Leipziger Volkszeitung.

"Sehr viel Staub"

Auch SPD und Grüne in Niedersachsen verstärken den Druck auf Wulff. Der niedersächsische SPD-Fraktionschef Stefan Schostok verlangt Aufklärung: "Wir wollen wissen, ob es ein System der finanziellen Unterstützung gab." Es gehe um den Verdacht der Vermischung von politischen, privaten und wirtschaftlichen Interessen. Die SPD wolle Wulff eine "Chance auf Klärung" bieten. "Falls er wieder nur bröckchenweise antwortet, dann wird er fortlaufend ein Problem haben."

Die Grünen im Landtag wollen im Ältestenrat am Dienstag noch einmal ergänzende Fragen zu dem Darlehen stellen. Es sei noch unklar, ob Wulff gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen habe, so Fraktionschef Stefan Wenzel.

Wulffs Anwälte bestreiten das. Der entsprechende Paragraf untersagt Politikern, Geschenke anzunehmen, die in Bezug zum Amt stehen. "Abgesehen davon, dass hier kein 'Geschenk' vorlag, fehlte es an jeglichem Amtsbezug", erklären die Anwälte auf Anfrage der Welt am Sonntag. Nach Einschätzung des Staatsrechtlers Hans Herbert von Arnim liegt hingegen ein Verstoß vor. Die Annahme verbilligter Kredite sei durch das Gesetz und einen Erlass verboten.

Darlehen ohne Sicherheiten

Wulff bestritt derweil auch, dass er den Privatkredit zu einem besonders günstigen Zinssatz bekommen hat. "Der Kredit wurde verkehrsüblich verzinst", lässt Wulff über seine Anwälte mitteilen. Wulff hatte mit Geerkens einen Zinssatz von vier Prozent vereinbart. "Im Vergleich zum durchschnittlichen Darlehen mit 40 Prozent Eigenanteil waren vier Prozent deutlich günstiger", sagt hingegen Niels Nauhauser, Kreditreferent bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Einen Monat nach der Pleite der New Yorker Investmentbank Lehman Brothers hätte der übliche Zinssatz für zehnjähriges Baugeld zwischen 4,6 Prozent und fünf Prozent gelegen. Hinzu kommt, dass Wulffs Anwälte nun bestätigten, dass Edith Geerkens für das Darlehen "keine Sicherheiten" verlangt habe.

Der Berliner Verfassungsrechtler Ulrich Battis sieht auch darin ein Problem für Wulff: "Wenn es keine Sicherheiten gab - zum Beispiel einen Grundbucheintrag - und Herr Wulff also zu den genannten Konditionen gar keinen Kredit bei einer Bank bekommen hätte, muss man einen Verstoß bejahen".

Freilich ist die Frage, ob Wulff im Gegenzug für den güngstigen Kredit dem Unternehmer Geerkens Vorteile gewährte, noch unbeantwortet. Doch immer wieder wurde kritisiert, dass Wulff als Ministerpräsident Niedersachsens zu große Nähe zu Unternehmern hat aufkommen lassen. Ein Urlaub auf Mallorca in der Ferienanlage des Unternehmers Carsten Maschmeyer bescherte Wulff bereits kurz nach Amtsantritt einen ersten Skandal.

Nun räumt der Bundespräsident weitere pikante Urlaubsreisen ein. Die Liste, die Wulffs Anwälte am Sonntag verbreiteten, umfasst sechs Urlaubsaufenthalte zwischen 2003 und 2010. Drei Mal machte Wulff demnach Privaturlaub in Geerkens Häusern. Erwähnt werden in der Liste zudem Aufenthalte bei zwei weiteren Ehepaaren, unter anderem 2008 in Italien bei Wolf-Dieter Baumgartl, dem Aufsichtsratschef des Talanx-Versicherungskonzerns in Hannover.

Die Urlaube, die Wulff der Erklärung zufolge "überwiegend gemeinsam mit den jeweiligen langjährigen Freunden" verbrachte, hätten keinen Bezug zu seinen öffentlichen Ämtern, hieß es. "Dieses Verhalten steht uneingeschränkt in Einklang mit den Regelungen des niedersächsischen Ministergesetzes."

Am Rande der ZDF-Aufzeichnung sagte Wulff noch, es sei wesentlich, dass man unterscheide, wo etwas real und wo etwas "mit sehr viel Staub aufwirbeln" verbunden sei. Das müsse man voneinander trennen. Bei einem Besuch der Berliner Gedächtniskirche am Sonntag gab der Präsident, umlagert von Journalisten, keine weiteren Stellungnahmen ab.

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