Krebsdiagnose:Schlag aus dem Nichts

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Erst im Herbst 2016 hatte Erwin Sellering wieder die Wahl gewonnen, zum dritten Mal seit 2008. Der Ministerpräsident ist 67 Jahre alt, wirkt aber jünger. Nun zwingt ihn ein Tumor dazu, sein Regierungsamt abrupt aufzugeben.

Von Peter Burghardt

Es sollten Routinesitzungen werden am Dienstag in der Schweriner Staatskanzlei. Doch dann kam alles anders. Morgens um neun, vor der Runde des rot-schwarzen Kabinetts, rief Ministerpräsident Erwin Sellering zunächst die SPD-Minister zu sich. Bei ihm sei Lymphdrüsen-Krebs festgestellt worden, eröffnete er den konsternierten Parteifreunden, wegen der nötigen Therapie werde er sein Amt als Ministerpräsident aufgeben. Und zwar ganz schnell. "Wir sind richtig fassungslos", sagte Sozialministerin Stefanie Drese. "Ich bin tief betroffen, das geht unter die Haut", gab Patrick Dahlemann, der Staatssekretär für Vorpommern, zu Protokoll.

Niemand hatte es geahnt. Niemand selbst aus diesem vertrauten Kreis wusste offenbar, dass sieben Monate nach Beginn der neuen Legislaturperiode Manuela Schwesig übernehmen soll. Sellering sei zuletzt ein paar Tage krank gewesen, heißt es, doch wer denkt sich schon etwas dabei? Der Regierungschef ist 67 Jahre alt, er wirkt aber jünger. Ein drahtiger, leutseliger und ziemlich selbstbewusster Mann. Vor knapp drei Jahren war er noch mal Vater geworden, man kann mit ihm ungezwungen über Kinder und Kitas sprechen. Und jetzt dieser Tumor, der plötzlich sein Leben verändert - und Mecklenburg-Vorpommern.

Obwohl ein Wessi, ist Sellering als Landesvater im Osten populär geworden

Erst im Herbst 2016 hatte Erwin Sellering wieder die Wahl gewonnen, zum dritten Mal seit 2008. Er ist der bisher letzte Wahlsieger der SPD, noch vor der Ernennung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten. 30,8 Prozent der Stimmen bekam die SPD - weniger als 2011, aber mehr als zuvor befürchtet. Das galt als Sellerings persönlicher Triumph. Die CDU unter Lorenz Caffier, Sellerings Vize und Innenminister, wurde hinter der AfD nur Dritter und bleibt der Juniorpartner der großen Koalition. Der Jurist ist als Landesvater populär im dünn besiedelten Nordosten. Obwohl er aus dem Westen stammt, aus Nordrhein-Westfalen, was man ihm anhört. Viele Menschen in diesem Teil der ehemaligen DDR schätzen seine offene Art und seinen Einsatz für gleichwertige Löhne oder Renten. Arbeitslosigkeit und Verschuldung gingen unter Sellering zurück.

Der frühere Greifswalder Verwaltungsrichter gehörte zu den treibenden Kräften des gescheiterten Verbotsantrags gegen die NPD. Gleichzeitig wurde die AfD in seiner Ära mit einer Kampagne gegen Flüchtlinge stark, dabei leben in Mecklenburg-Vorpommern kaum Ausländer. Zuletzt gab es Dämpfer für Sellering. Beim SPD-Parteitag wurde er mit weniger als 80 Prozent als Landesvorsitzender wiedergewählt. Außerdem wunderten sich Kritiker, dass seine Frau Britta einen Posten im Landesrechnungshof bekam, der Kontrollbehörde der Regierung. Dennoch beendet der Krebs seine politische Karriere nach neun Jahren an der Spitze wie aus dem Nichts.

"Mir persönlich war immer sehr wichtig, für mehr Respekt vor ostdeutschen Lebensleistungen einzutreten", sagt Sellering zum Abschied. Er bedanke sich bei allen, die mitgeholfen hätten, "dass sich unser schönes Mecklenburg-Vorpommern so gut entwickelt hat". Nun also Manuela Schwesig? Erwin Sellering habe alle Vorbereitungen für einen Übergang getroffen, versichert sein Staatssekretär Dahlemann. Er sei Profi. Und ein Kämpfer. Jetzt gegen die Krankheit.

© SZ vom 31.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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